In der gegenwärtigen Jahresendrallye bei den Raketenstarts wollen auch die Europäer nicht zurückstehen. Mit dem Swarm-Start vom 22. November 2013 sind auch zwei nicht ganz alltägliche Weltraummanöver verbunden. Zumindest das erste verlief erfolgreich.
Ein Beitrag von Roland Rischer. Quelle: ESA.
Die drei baugleichen Swarm-Satelliten A, B und C wurden von vornherein auf optimale Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Nutzlastraumes konstruiert. Der Abstand zwischen den Satelliten auf dem Spezial-Dispenser betrug nur knapp 15 Zentimeter auf rund 5 Meter Länge. Die Nutzlastintegration war daher besonders sensibel, insbesondere beim Einheben des dritten Satelliten. Das gleiche galt natürlich auch bei der Nutzlastseparation – die erste größere Herausforderung nach dem Start der Swarm-Satelliten. Die simultane Aussetzung von drei Satelliten dieser Dimension (Animation siehe hier oder auch hier) war eine Premiere für die ESA. Der Leiter der Missionskontrolle, Dr. Paolo Ferri, bekannte sich denn auch 15 Minuten vor der Separation im Interview zu seiner Anspannung, die erst mit dem Empfang des ersten Signals von Swarm A und B, Indiz für ein gelungenes Manöver, wich. Die Frage lag natürlich nahe, warum man sich nicht für eine sequentielle Aussetzung entschieden hat. Offensichtlich sah man in der simultanen Freisetzung ein geringeres Risiko als in einer aufeinanderfolgenden.
Da sich der Nutzlastraum nach oben hin verjüngt, wird der Querschnitt der Satelliten im letzten Drittel immer kleiner. Das schlanke Ende eines Swarm-Satelliten stellt jedoch nicht dessen Spitze, sondern das Heck dar. Sie sind also entgegen ihrer späteren Flugrichtung auf dem Nutzlastadapter aufgesetzt und müssen im Rahmen der Inbetriebnahme noch gewendet werden. Das aufwendige Manöver wird noch ein bis zwei Tage auf sich warten lassen. Es setzt, so Ferri, bei jedem Satelliten voraus, dass der Ausleger
ausgeklappt ist und die darauf angebrachten Sternensensoren arbeiten. Erst dann hat man die notwendige Orientierung im All. Das Ausklappen des ersten Auslegers ist daher auch relativ früh gegen Ende des Starttages angesetzt. Es ist die weitere, von der üblichen Routine abweichende Herausforderung. Das Animationsvideo zum Ausklappvorgang (siehe hier) lässt vermuten, dass beim Einpendeln des Auslegers erheblich Hebelkräfte an dem vergleichsweisen leichten Satelliten auftreten werden. Zu diesem Zeitpunkt hat man mangels Sternensensor keine Daten zur genauen Lage des Satelliten. Aus dem gleichen Grund kann man den Kräften auch nicht gegensteuern. Laut Ferri ist das Problem allen bewusst gewesen. Der Vorgang wurde in den Modellen häufig simuliert, mit dem Ergebnis, dass die Fluglage des Satelliten stabil bleibt. Das Gelingen dieses Manövers ist essentiell für die Aufgabenstellung des Swarm-Projektes, nicht nur wegen der Sternensensoren, sondern auch, weil nur auf dem Ausleger eine magnetisch „saubere“ Umgebung gewährleistet ist.
Sieben Wochen nach dem Start und noch während der Kommissionierungsphase werden die künftigen Arbeitsumlaufbahnen angesteuert. Die Swarm-Satelliten werden mit einfachen Kaltgas-Triebwerken unter Nutzung von Freon im All manövriert und auf Höhe gehalten. Der Flug in den regulären Orbit erfordert
hunderte von kurzen Schubstößen. Swarm A und B sollen sich in relativ enger Formation mit maximal 150 Kilometer Abstand in einem fast-polaren Orbit in 460 Kilometer Höhe bewegen. Im Laufe der Mission werden sie auf 300 Kilometer absinken. Ihre Aufgabe ist hauptsächlich die Vermessung des Magnetfeldes und seiner Veränderungen. Das Absinken ist gewollt, denn die niedrigere Flughöhe erlaubt feinere Messungen in der Erdkruste. Swarm C wird davon losgelöst einen anderen polaren Orbit mit um 0,6 Grad abweichender Inklination in dauerhaft 530 Kilometer Höhe einnehmen. Er soll von dort unter anderem Löcher in der Ionosphäre vermessen. Die Umlaufbahn der A/B-Formation wird sich wegen der unterschiedlichen Inklination zunehmend von der von Swarm C entfernen. In drei Jahren werden die beiden Umlaufbahnen im 90-Grad-Winkel zueinander stehen. Pro Tag finden 15 Erdumkreisungen statt.
Primäre Bodenstation für den Datenaustausch ist Kiruna. Bei Bedarf können weitere Empfangsstationen hinzu geschaltet werden. Die Steuerung der Satelliten erfolgt vom European Space Operations Center (ESOC) in Darmstadt aus. Die wissenschaftlichen Rohdaten werden von Kiruna kommend zunächst in einem Payload Data Ground Segment (PDGS) der ESA im britischen Farnborough bearbeitet und archiviert. Das PDGS wird vom ESA-Zentrum für Erdbeobachtung (ESRIN) in Frascati, Italien, betrieben. Beim ESRIN erfolgt die Qualitätskontrolle und die Verteilung der Daten an die involvierten Forschungsinstitute wie zum Beispiel das GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam.
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