Ein internationales Team unter Beteiligung der Gruppe Isotopenphysik beschreibt in PNAS die Analyse von rund 1.000 km vor der Südwestspitze Australiens entnommenen Tiefsee-Sedimentproben. Ihr Ergebnis: Die Erde fliegt seit mindestens 33.000 Jahren durch eine interstellare Wolke mit Supernova-Spuren. Eine Information der Universität Wien.
Quelle: Universität Wien.
„Supernovae-Explosionen sind faszinierende kosmische Ereignisse und besonders spannend ist, ob sie Spuren auf unserer Erde hinterlassen“, erklären Prof. Robin Golser und Dr. Martin Martschini von der Universität Wien, die an den Forschungsarbeiten beteiligt waren. Bei Untersuchungen von Tiefsee-Sedimenten aus dem Südostindischen Becken waren die Forscher*innen auf die Spur eines kontinuierlichen Staubeintrags aus dem interstellaren Raum gestoßen. Sedimente sind geologische Archive, sie konservieren die Zusammensetzung ihrer Umgebung über Millionen von Jahren hinweg. Das Hauptaugenmerk des Forschungsteams, das von Prof. Anton Wallner an der Australien National University (ANU) in Canberra geleitet wurde, galt dem Gehalt der untersuchten Sedimentschichten an einem sehr besonderen Isotop: Eisen-60.
In den letzten Tausenden von Jahren hat sich unser Sonnensystem durch eine dichtere Gas- und Staubwolke bewegt, die als lokale interstellare Wolke bekannt ist, deren Ursprung aber unklar ist. „Wenn diese Wolke in den letzten Millionen Jahren aus einer Supernova entstanden ist, würde sie Eisen-60 enthalten, ist sie wesentlich älteren Ursprungs, dann nicht – deshalb interessieren wir uns gerade für Sedimente jüngeren Entstehungsdatums, also der Zeit, die der Reise durch die interstellare Wolke entspricht“, beschreibt Wallner die Grundidee des Forschungsprojekts.
Auf der Suche nach dem außerirdischen Isotop
Eisen-60 entsteht, wenn massereiche Sterne bei Supernovae-Explosionen verglühen. Auf der Erde kommt es in natürlicher Form praktisch nicht vor. Eisen-60 ist schwach radioaktiv und nach etwa 15 Millionen Jahren nicht mehr nachweisbar. Auf der Erde gefundenes Eisen-60 muss also deutlich jüngeren Ursprungs sein. Die Forscher*innen nehmen an, dass eine relativ nahe Supernova in den letzten Millionen Jahren das Eisen-60 produziert haben könnte, das dann seinen Weg auf den Meeresboden und in die Sedimentablagerungen fand.
Als einzige Möglichkeit zum Nachweis extrem geringer Mengen von Spurenisotopen ist Beschleuniger-Massenspektrometrie (Accelerator Mass Spectrometry, AMS) die Methode der Wahl. Das Alter der Proben wurde an der AMS-Anlage VERA (Vienna Environmental Research Accelerator) der Universität Wien und an der AMS-Anlage DREAMS des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf gemessen. Das Ergebnis: Die untersuchten Sedimente überstreichen die letzten 33.000 Jahre und tragen demnach Informationen über Veränderungen der Umwelt ab dem Jungpleistozän in sich. An der Heavy Ion Accelerator Facility der ANU suchten die Wissenschaftler*innen schließlich nach Eisen-60.
Blick in die jüngere Vergangenheit unseres Sonnensystems
Tatsächlich enthielten alle untersuchten Sedimente Eisen-60. Die aufgezeigten Konzentrationen sind jedoch extrem niedrig: Insgesamt wies der Teilchendetektor nur neunzehn einzelne Eisen-60-Atome nach. Die Forscher*innen schließen daraus, dass in den vergangenen 33.000 Jahren ungefähr 60 Gramm Eisen-60 aus dem Sternenstaub über den gesamten Erdball verteilt niedergegangen sind. Die beobachteten Atome von Eisen-60 im Sediment lassen sich einzelnen Epochen zuordnen und dokumentieren die jüngste Reise unseres Sonnensystems durch die lokale interstellare Wolke.
Diese neuen Ergebnisse werfen neue Fragen auf: warum scheint Eisen-60 so gleichmäßig im lokalen interstellaren Raum verteilt zu sein und wie steht das in Zusammenhang mit den vor vier Jahren publizierten Messungen von Eisen-60 in sehr viel älteren Sedimenten? Damals hat das Forschungsteam signifikant höhere Werte vor 2,6 Millionen Jahren und 6 bis 7 Millionen Jahren nachgewiesen.
In einer ebenfalls gerade publizierten Arbeit weist ein anderes Forschungsteam (B. Fields et al., DOI:10.1073/pnas.2013774117) darauf hin, dass in Staubpartikeln eingeschlossenes Eisen-60 im interstellaren Medium mehrmals reflektiert worden sein könnte. Das nachgewiesene Eisen-60 stammt also möglicherweise von älteren Supernovae-Explosionen, als eine Art kosmisches Echo.
Publikation:
A. Wallner, J. Feige, L.K. Fifield, M.B. Froehlich, R. Golser, M.A.C. Hotchkis, D. Koll, G. Leckenby, M. Martschini, S. Merchel, S. Panjkov, S. Pavetich, G. Rugel, S.G. Tims: 60Fe deposition during the late Pleistocene and the Holocene echoes past supernova activity, in PNAS, 2020 (DOI: 10.1073/pnas.1916769117).
Weitere Informationen:
https://isotopenphysik.univie.ac.at/