In der Galaxie NGC 4845, also in einer Entfernung von gut 47 Millionen Lichtjahren von der Milchstraße, scheint ein spektakuläres kosmisches Phänomen erstmals beobachtet worden zu sein: Ein Objekt deutlich unterhalb der Masse eines Sterns wurde gut sichtbar von einem Schwarzen Loch „verschlungen“. Eine Forschergruppe gelangte in den letzten Monaten zu dieser Schlussfolgerung.
Ein Beitrag von Michael Clormann. Quelle: ESA, Astronomy&Astrophysics.
NGC 4845 ist, wie auch unsere Heimatgalaxie, Teil des Virgo-Superhaufens. Dementsprechend befindet sie sich, in astronomischen Maßstäben, in relativer Nachbarschaft zu uns. Sie ist eine Galaxie des Seyfert-Typs, welcher sich durch einen besonders hell leuchtenden und aktiven galaktischen Kern auszeichnet.
Aufmerksam geworden auf das neuartige Schauspiel waren die Astronomen eher zufällig im Januar 2011. Bei Beobachtungen einer anderen Region des Weltraum fing das europäische Weltraumobservatorium Integral in der Peripherie seines Blickfelds einen ungewöhnlich hellen Ausbruch im Spektralbereich harter Röntgenstrahlung auf, der bis Juli 2011 gut instrumentell erfassbar blieb. Die genaue Lokalisierung im Zentrum der Galaxie NGC 4845 erfolgte anschließend innerhalb weniger Tage mit der Hilfe weiterer Teleskope, darunter das ebenfalls europäische XMM-Newton, das US-amerikanische Swift und das japanische MAXI-Instrument an Bord der Internationalen Raumstation.
Zuvor war die Galaxie als eher ruhig eingeschätzt worden und verhielt sich im Hinblick auf Röntgen-Ausbrüche überwiegend unauffällig. In den Jahren zuvor war sie vor allem in anderen Bereichen, etwa dem Infraroten, astronomisch beobachtet worden.
Nach eingehenderer Untersuchung stellte sich heraus, dass die Quelle der starken Strahlung die Umgebung des verhältnismäßig kleinen supermassiven Schwarzen Lochs im Zentrum von NGC 4845 sein musste. Offenbar war ein sogenanntes Objekt planetarer Masse, also in der Regel ein „frei fliegender Planet“ ohne Umlaufbahn um einen Stern, von der Gravitation des Schwarzen Lochs zerrissen worden. Die vorliegenden Erkenntnisse weisen darauf hin, dass es sich um einen Körper mit einer Masse zwischen dem 14- und 30-fachen des Jupiters gehandelt haben muss. Wahrscheinlich war er, dieser Masse nach, als Brauner Zwerg oder sehr großer Gasriese einzustufen. Ob er vollständig zerstört wurde oder nur seine äußere Hülle an den Gravitationssog verloren hat, ist dabei bisher nicht abschließend geklärt.
Braune Zwerge sind große Himmelskörper, deren Masse dennoch nicht ganz ausreicht um den Prozess der Wasserstoff-Fusion in ihrem Inneren in Gang zu bringen. Aus diesem Grund handelt es sich bei ihnen, nach gängiger Definition, nicht um Sterne.
Interessant ist die Beobachtung des Verschlingens nicht-stellarer Körper auch in Hinblick auf die Vorgänge in der Milchstraße. Schon seit längerem ist bekannt, dass eine relativ kleine Gaswolke dem Schwarze Loch im Zentrum unserer eigenen Galaxie immer näher kommt. Sie wird in naher Zukunft womöglich ein ähnliches Schicksal ereilen wie nun in NGC 4845 beobachtet. Weiterhin ist davon auszugehen, dass Ereignisse solcher Art sich auch in weiteren fremden Galaxien regelmäßig auffinden lassen. Die Chancen, sie zu entdecken, stehen mit dem heutigen astronomischen Instrumentarium nicht schlecht: Geräte wie das genannte Monitor of All-sky X-ray Image (MAXI) im japanischen Kibō-Modul der ISS durchmustern den Himmel gegenwärtig im Stundentakt nach vergleichbaren Strahlungsausbrüchen.
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