Mit dem SUBARU-Teleskop auf Hawaii gelangen Astronomen jetzt die bislang detailreichsten Abbildungen der protoplanetaren Scheiben zweier junger Sterne. Erstmals wurden dabei Strukturen innerhalb der Planeten-Geburtsstätten sichtbar, welche in etwa über die gleiche Ausdehnung wie unser eigenes Sonnensystem verfügen.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie, Wikipedia.
Sterne entstehen, wenn gewaltige interstellare Gas- und Staubwolken unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabieren. Durch die dabei erfolgende stete Zunahme von Druck und Temperatur im Zentrum der hauptsächlich aus Wasserstoff bestehenden Wolken wird schließlich ein Punkt erreicht, an dem das sogenannte „Wasserstoffbrennen“, also die Kernfusion, einsetzt. Dabei verschmelzen die Wasserstoff-Isotope in mehreren Zwischenschritten zu Helium. Die Gravitationskraft des neugeborenen Sterns zieht weitere Materie in Form von Gas und Staub aus der näheren Umgebung an, welche sich schließlich in einer dichten, abgeflachten Scheibe sammelt. Die in dieser „protoplanetaren Scheibe“ konzentrierte Materie verklumpt in einem bis zu mehrere Millionen Jahre andauernden Prozess zu immer größeren Objekten, aus denen zuerst Protoplaneten und schließlich Planeten hervorgehen.
In den vergangenen Jahren hat die Erforschung solcher protoplanetarer Scheiben sowie der Vorgänge, welche zu dem Verklumpungsprozess und der daraus resultierenden Planetenbildung führen, beachtliche Fortschritte erzielt. Dabei konnten die Wissenschaftler auf die Ergebnisse von allerdings meist nur indirekten Beobachtungen zurückgreifen. Aus diesen Beobachtungen wurden verfeinerte Entstehungsmodelle entwickelt, welche das theoretische Verständnis der zugrundeliegenden Prozesse verbesserten und zudem eine Nachbildung dieser Prozesse in Computersimulationen ermöglichten.
Jetzt haben zwei neue Beobachtungen von protoplanetaren Scheiben dem Gesamtbild der Wissenschaftler wichtige Details hinzugefügt. Die neu erstellten Aufnahmen zeigen Strukturen um entfernte Sterne, welche zuvor noch nie direkt abgebildet werden konnten.
Das Zielobjekt der ersten Studie war der rund 450 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernte und im Sternbild Stier gelegene Stern LkCa 15. Mit einem Alter von nur wenigen Millionen Jahren ist LkCa 15 ein noch relativ junger Stern, welcher von einer protoplanetaren Scheibe umgeben ist. Aus den Daten von vorangegangenen Untersuchungen des Infrarotspektrums des Sternsystems sowie der Millimeterstrahlung, die es aussendet, hatten Wissenschaftler geschlussfolgert, dass im Zentrum der den Stern umgebenden protoplanetaren Scheibe eine große und weitgehend materiefreie Aussparung existiert.
Die jetzt angefertigten Aufnahmen von LkCa 15 bestätigen diese Annahme. Sie zeigen Sternenlicht, welches an der Oberfläche der protoplanetaren Scheibe so reflektiert wird, dass die scharfe Kante dieser Aussparung erstmals direkt sichtbar wird. Interessanterweise, so die Wissenschaftler, ist die elliptische Form der Aussparung nicht um den Stern herum zentriert, sondern vielmehr etwas verschoben.
„Die wahrscheinlichste Erklärung für die Aussparung in der Scheibe von LkCA 15 – und insbesondere für deren Asymmetrie – ist, dass dort mehrere Planeten kreisen, die gerade erst aus dem Scheibenmaterial entstanden sind und nun das Gas und den Staub entlang ihrer Umlaufbahnen einfangen“, so Christian Thalmann, der die entsprechenden Untersuchungen als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg leitete.
Der freie Bereich im Zentrum der Scheibe ist dabei so groß, dass die Umlaufbahnen sämtlicher Planeten unseres eigenen Sonnensystems darin Platz fänden. Für die Astronomen liegt die Vermutung nahe, dass sich in dieser Lücke gerade ein Planetensystem bildet, welches mit unserem eigenen Sonnensystem vergleichbar ist. „Die Planeten selbst wurden noch nicht nachgewiesen“, so Christian Thalmann. „Aber das könnte sich bald ändern.“
Die zweite Studie unter der Leitung von Jun Hashimoto vom japanischen Nationalobservatorium (NAOJ) hatte den Stern AB Aur im Sternbild Fuhrmann zum Ziel. Dieser etwa 470 Lichtjahre entfernte Stern ist sogar noch jünger als LkCA 15. Sein Alter wird von den Astronomen auf lediglich rund eine Million Jahre geschätzt. Die Beobachtungen von AB Aur zeigten erstmals Strukturen, welche im kosmischen Maßstab vergleichsweise klein sind, nämlich nicht größer als unser eigenes Sonnensystems. Die Aufnahmen des Sterns zeigen in seiner unmittelbaren Umgebung ineinander verschachtelte Ringe aus Gas und Staub, welche gegenüber der Äquatorebene des Systems verkippt sind und deren Material nicht symmetrisch um den Stern herum angeordnet ist. Dies deutet nach Ansicht der Wissenschaftler auf das Vorhandensein von mindestens einem sehr massereichen Planeten hin.
Beide Beobachtungen wurden mit dem HiCIAO-Instrument am SUBARU-Teleskop, des leistungsfähigsten Teleskops des japanischen Nationalobservatoriums auf Hawaii durchgeführt. Hierbei handelt es sich um ein Spiegelteleskop mit einem Hauptspiegeldurchmesser von 8,2 Metern. Der Name SUBARU ist die japanische Bezeichnung für den wohl bekanntesten offenen Sternhaufen am Nachthimmel, dem Sternhaufen der Plejaden im Sternbild Stier.
Die Abbildung von protoplanetaren Scheiben und Planeten in der unmittelbaren Umgebung von Sternen stellt allerhöchste Ansprüche an die Beobachtungstechnik der Astronomen, da diese extrem lichtschwachen Objekte von den bedeutend helleren Zentralsternen überstrahlt werden. Aus diesem Grund ist das SUBARU-Teleskop mit einer speziellen Kamera, dem „HiCIAO“-Instrument („High-Contrast Coronagraphic Imager for Adaptive Optics“) ausgestattet.
HiCIAO wurde speziell dazu konstruiert, um in der unmittelbaren Nähe von Sternen schwächer leuchtende Objekte wie Exoplaneten und protoplanetare Scheiben direkt zu beobachten. Dafür benutzt das Instrument eine moderne Adaptive Optik. Mit dieser ist es möglich, optische Störungen auszugleichen, welche auftreten, wenn das Sternenlicht die irdische Atmosphäre durchquert. Dieser Effekt macht sich zum Beispiel bei der Beobachtung des nächtlichen Himmels mit dem bloßem Auge durch das bekannte Funkeln der Sterne bemerkbar. Außerdem enthält die Kamera eine spezielle Vorrichtung, einen so genannten Koronografen, der einen Großteil des von dem beobachteten Sterns ausgehenden Lichts abschirmt. Auf diese Weise werden Objekte in unmittelbarer Nähe des Sterns nicht mehr ganz so stark überstrahlt.
Die hier kurz vorgestellten Untersuchungen erfolgten im Rahmen des SEEDS-Projekts („Strategic Explorations of Exoplanets and Disks with SUBARU“, übersetzt die „Strategischen Erkundungen von Exoplaneten und Scheiben mit SUBARU“). Prof. Dr. Thomas Henning, der geschäftsführende Direktor am MPIA und einer der am SEEDS-Projekt beteiligten Wissenschaftler, erläutert dessen Zielsetzung: „SEEDS ist eine auf fünf Jahre angelegte, systematische Suche nach Exoplaneten und protoplanetaren Scheiben. Bereits jetzt hat das SUBARU-Teleskop im Rahmen dieses Projekts spektakuläre Bilder geliefert. Solche detailreichen Beobachtungen sind unverzichtbar, wenn wir verstehen wollen, wie Planetensysteme – inklusive unseres eigenen Sonnensystems – entstehen.“ Die neu gewonnenen Beobachtungserkenntnisse liefern den Wissenschaftlern, welche die Entstehungsprozesse der Planeten nachvollziehen wollen, wichtige neue Daten, um ihre Modelle zu überprüfen und zu verbessern.
Das SEEDS-Projektteam setzt sich aus rund 100 Wissenschaftlern zusammen, welche an 25 astronomischen Institutionen in Japan, Europa, den USA und Taiwan beschäftigt sind. Aus Deutschland sind Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg an SEEDS beteiligt. Im Rahmen ihrer Arbeit führen die Astronomen eine systematischen Durchmusterung des Himmels mit dem HiCIAO-Instument durch.
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