Student Parabolic Flight Campaign

Die ESA veranstaltet jedes Jahr die Parabolic Flight Campaign: Studenten bekommen die Gelegenheit, auf einem Parabelflug in Schwerelosigkeit zu forschen. In diesem Jahr sind auch wieder Teams aus Deutschland und Österreich dabei. Raumfahrer.net berichtet vor dem Abflug.

Autor: Guido Schumann. Vertont von Dominik Mayer.

Das Logo der Parabolic Flight Campain 2005.
(Grafik: ESA)

Als Parabelflug wird ein besonderes Flugmanöver bezeichnet, bei dem das Flugzeug mehrere (meist fünf bis 30) nach unten geöffnete Parabeln mit dem Scheitel nach oben in der Luft beschreibt. Dazu geht die Maschine zuerst in einen 45 Grad-Steigflug. Vor Erreichen des Scheitels werden die Triebwerke gedrosselt, so dass das Flugzeug nun in einen nahezu antriebslosen, zunächst nach oben führenden Sturzflug übergeht. Nach 15 bis 30 Sekunden Sturzflug wird die Maschine durch Hochfahren der Triebwerke und Ziehen des Höhenruders wieder abgefangen. Parabelflüge dienen der Erzeugung von Schwerelosigkeit. Es ist für Personen und größere Geräte die einzige Möglichkeit diese zu erreichen ohne den Weltraum aufsuchen zu müssen.

Während des Steigfluges und des Abfangens herrscht im Flugzeug nahezu doppelte Schwerkraft. Während der Sturzflugphase ist alles im Inneren der Maschine nahezu völlig schwerelos, da es sich im freien Fall befindet.

Bei einem Flug werden mit Pausen, abhängig vom Wetter, bis zu 30 Parabeln geflogen. Während der „Student Parabolic Flight Campaign“ sind es insgesamt mit dem Eingewöhnungsflug fünf Parabelflüge.

Die ESA erreicht pro Jahr während ihrer Parabelflug-Kampagnen insgesamt eine Gesamtdauer an Schwerelosigkeit von etwa 90 Minuten, was einer Erdumrundung der ISS entspricht.

Viele Menschen reagieren auf die schnellen Schwerkraftwechsel bei einem Parabelflug mit Übelkeit oder Brechreiz. Daher werden vor einem solchen Flug meist spezielle Medikamente verabreicht (die aber manchmal wiederum Nebenwirkungen verursachen). Viele Teilnehmer empfinden die Schwerelosigkeit allerdings als angenehm, weswegen solche Flüge auch sehr beliebt sind.

Generell können mit praktisch jedem Flugzeug Parabeln geflogen werden. Zum Einsatz kommen aber meist leicht modifizierte militärische (eine Il-76 bei der russischen Raumfahrtbehörde, eine KC-135 bei der NASA) oder zivile (bei der ESA ein Airbus A300) Transporter. Vorteilhaft ist ein weiter Innenraum, der genug Platz für Experimente und zum freien Schweben bietet. Wegen der oben geschilderten unangenehmen Symptome bei vielen Teilnehmern tragen diese Maschinen den Spitznamen „Kotzbomber“.

Der bei der ESA zum Einsatz kommende, speziell adaptierte Airbus „A300 Zero-G“, ist in Bordeaux stationiert und gehört zu einem Teil der CNES und der Firma NOVESPACE. Der Airbus ist laut ESA-Angaben dass größte für Parabelflüge eingesetzte Flugzeug der Welt. Technisch betrachtet ist das Flugzeug der Prototyp Nr. 3 des A300. Es hat jedoch im Vergleich zu Linienmaschinen nur wenige Flugstunden „auf dem Buckel“, da das Flugzeug füher nur zu Testzwecken und heute nur drei- bis viermal im Jahr für Parabelflugkampagnen eingesetzt wird.

Einen kleinen Schönheitsfehler hat jedoch dieser A300. Es gibt keine Toilette an Bord – durchaus „problematisch“, wenn wegen schlechten Wetters das Ausweichgebiet über dem Mittelmeer angeflogen werden muss.

Studententeams aus allen ESA-Mitgliedsländern können sich mit Ihren Experimenten für die „Student Parabolic Fligth Campaign“ und damit für eine Gelegenheit, einen Parabelflug mit zu erleben, bewerben. Die erste derartige Kampagne geht übrigens auf die Idee eines ESA-Astronauten (Wubbo Ockels) zurück.

Anfang März wurden nun die Teams für diese Jahr bekannt gegeben und diese werden Mitte/Ende Juli von Bordeaux fliegen. Im Folgenden werden wir uns das nominierte österreichische Team „Zero-G Graz“ mit Ihrem Experiment, dem „Spice Cube“, näher ansehen.

Das Team
Ein vierköpfiges Team beider großer Grazer Universitäten (Karl-Franzens-Universität und Technische Universität Graz) wurde dieses Jahr für den Wettwerberb der ESA nominiert und hat damit als bisher einziges und erstes österreichisches Team diese Chance erhalten.

Das Grazer Team.
(Bild: Hannes Schleifer)

Das Team „Zero-G Graz“ setzt sich aus folgenden Personen zusammen:

  • Björn Ernecker aus Micheldorf (OÖ) studiert an der TU Graz im 6. Semester technische Chemie.
  • Hannes Gröller aus Welgersdorf (Bgld.) absolviert den „ULG Space Sciences“ und hat bereits das Bakkalaureatsstudium Telematik an der TU abgeschlossen. Er studiert zurzeit noch das zugehörige Magisterstudium sowie technische Physik.
  • Hannes Schleifer aus Thalheim (OÖ) studiert seit WS 2001/02 an der Karl-Franzens-Universität Graz Chemie im Studienzweig Biochemie und Molekularbiologie.
  • Gunter Taschil ebenfalls aus Thalheim (OÖ) studiert im 4. Semester an der TU Wirtschaftsingenieurwesen – Maschinenbau.

Seitens der Universitäten hat Herr Prof. Dr. DI Erich Leitner vom Institut für Lebensmittelchemie und -technologie der TU Graz die wissenschaftliche Betreuung übernommen.

Die Initiative für die Bewerbung ging von Hannes Schleifer aus, Björn Ernecker und Hannes Gröller haben bereits sehr erfolgreich im Jahr 2003 über die TU am „AURORA Student Design Contest“ der ESA teilgenommen.

Das Experiment
Das Experiment beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper. Hierbei aber nicht mit den weithin bekannten Effekten, wie dem Muskel- und Knochenschwund, sondern damit, dass bei Langzeitaufenthalten im All der Geschmacks- und Geruchssinn nachlässt.

Betrachtet man die Zukunft der bemannten Raumfahrt, so ist jeder Versuch auf den Mars zu fliegen, aber auch „normale“ Aufenthalte von Crews auf der Internationalen Raumstation von zwei Charakteristika geprägt – langer Missionsdauer und internationaler Beteiligung. Weitab von Familie und Freunden sowie der heimatlichen Umgebung ist vertrautes und wohlschmeckendes Essen sicher ein nicht zu unterschätzender Faktor was die Stimmung an Bord eines Raumschiffs betrifft.

Ferro Fluids Experiment eines deutsch-schweizerischen Teams.
(Bild: Team Ferrofluids)

Mit dem „Spice Cube“, so der Name des Experiments, sollen zwei Tests durchgeführt werden. Erstens, ob das direkte Ansprühen von Gerichten eine bessere Möglichkeit des Nachwürzens darstellt, als das bisher praktizierte Auftragen von einigen wenigen, dickflüssigen Gewürzsaucen bzw. Salz- und Pfefferlösung. Dies hätte den weiteren Vorteil, dass beispielsweise ein Italiener mit einer fertigen Lösung seinem Essen einen eher mediterranen Touch geben könnte, abhängig vom bevorzugten Geschmack jemand anderes aber lieber Curry-Sauce aufsprühen könnte. Der zweite Test stellt eine sensorische Prüfung (analog DIN 10959 und 10961) dar, das heißt mit den vier Grundgeschmacksrichtungen werden Tests auf Geschmacks- und mit verschiedenen Geruchsstoffen auf Geruchsempfindlichkeit gemacht. So sollen mittels einer wissenschaftlich verifizierten Methode Daten erhoben und diese mit vorher erfassten verglichen werden, um einen eventuellen Effekt nachzuweisen. Ein weiterer Aspekt ist die Testmethode generell in Schwerelosigkeit zu erproben, es wäre dann beispielsweise Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS möglich wirklich Langzeitdaten zu erheben.

Die von den anderen Teams durchgeführten Experimente sind vielfältig, generell lassen sich die Arten von Experimenten, die im Rahmen der bisherigen „Student Parabolic Flight Campaign“ gemacht werden, grob in folgende Kategorien einteilen:

  • Untersuchung von physikalischen Effekten (Kapillarkräfte in Schwerelosigkeit, Schaumbildung)
  • Roboter- und Satellitentechnik (von selbststeuernden, kleinen, fliegenden „persönlichen Assistenten“ bis zu Technikmodellen für Ansätze, wo ein Robtoter ausgesandt würde, um „tote“ Satelliten zu bergen)
  • biologische Experimente (Verhalten von Motten/Krabben/Goldfischen in Schwerelosigkeit)
  • Testen von Ideen, die das Leben in Schwerelosigkeit erleichtern bzw. Probleme von Astronauten lösen sollen (z.B.: Test der „Tragbarkeit“ eines an bestimmten Stellen verstärkten Anzuges [damit dort mehr Kraft zum Bewegen aufgebracht werden muss] um dem Muskelschunwd entgegenzuwirken oder ob Magnete in Schuhen und deren Halt auf einer Metallplatte ausreichend Halt und doch Flexibilität geben)

Wir bedanken uns bei der Gruppe Zero-G Graz für die Bereitstellung der Informationen.

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