Strahlenbelastung bei Flügen zum Mars ist vertretbar

Um zukünftig Astronauten zum Mars schicken zu können, ist es notwendig, die Strahlungswerte zu kennen, welche dabei innerhalb des Raumschiffes auftreten. Jetzt wurden die Messwerte eines Strahlungsdetektors an Bord des Marsrovers Curiosity ausgewertet, welcher entsprechende Messungen durchführte. Die Daten zeigen, dass bemannte Marsmissionen prinzipiell durchführbar sind. Die Strahlungsbelastung bei einem bemannten Flug zum Mars liegt knapp im Bereich der akzeptablen Grenzwerte und entspricht in etwa der normalen, lebenslangen Belastung auf der Erde.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Christian-Albrechts-Universität Kiel, DLR, JPL, Science.

NASA, JPL-Caltech, SwRI
Verschiedene Arten kosmischer Strahlung gefährden die Gesundheit von Astronauten sowohl im freien Weltraum als auch auf der Oberfläche des Mars.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, SwRI)

Das Hauptziel der Mission des von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebenen Marsrovers Curiosity besteht darin, zu erforschen, ob auf dem Mars einstmals „lebensfreundliche“ Bedingungen herrschten, welche theoretisch die Entstehung von mikrobiologischen Lebensformen ermöglicht haben könnten und ob es eventuell sogar denkbar ist, dass die derzeit auf dem Mars vorherrschenden Umweltbedingungen auch noch in der Gegenwart die Existenz solcher Lebensformen ermöglichen könnten. Bei einem der 10 dabei zum Einsatz kommenden wissenschaftlichen Instrumente des Rovers handelt es sich um den Strahlungsdetektor RAD.

Die Aufgabe dieses unter anderem an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel entwickelten Instrumentes besteht darin, die auf dem Mars auftretenden Strahlungswerte zu ermitteln. Im Gegensatz zur Erde verfügt der Mars über kein relevantes Magnetfeld. Dies hat zur Folge, dass die aus dem Weltall einfallende Strahlung die ungeschützte Planetenoberfläche nahezu vollständig erreicht.

Diese Strahlung besteht zum einen aus der galaktischen kosmischen Strahlung (GCR), welche ihren Ursprung außerhalb unseres Sonnensystems hat und zum Beispiel durch Sternexplosionen – sogenannte Supernovas – freigesetzt wird. Zum anderen besteht sie aus der solaren Strahlung, welche bei bestimmten physikalischen Prozessen auf der Sonne freigesetzt wird. Diese Sonnenwinde sind auf der Erde unter anderem für die Entstehung der Polarlichter verantwortlich. Des weiteren beinhaltet die den Mars treffende Strahlung eine sekundäre Strahlungskomponente, welche durch eine Wechselwirkung der galaktischen Strahlung und der solaren Strahlung mit der Marsatmosphäre und der Oberfläche des Planeten entsteht.

NASA, JPL-Caltech
Auf dem Weg zum Mars konnte das RAD-Instrument insgesamt fünf größere Strahlungs-Events nachweisen, welche durch Sonneneruptionen verursacht wurden.
(Bild: NASA, JPL-Caltech)

Messungen auf dem Weg zum Mars
Allerdings begann das RAD-Instrument nicht erst nach der erfolgreichen Landung des Rovers auf dem Mars mit seiner Arbeit. Der Strahlendetektor nahm den Betrieb vielmehr bereits kurz nach dem Start am 6. Dezember 2011 auf und war das einzige Instrument an Bord von Curiosity, welches bereits während des Fluges zum Mars wissenschaftliche Daten lieferte. Hierbei wurden bis zum 14. Juli 2012 alle 24 Stunden wissenschaftliche Daten des Instruments an das in Pasadena/Kalifornien befindliche Kontrollzentrum der Mission übermittelt. Die dabei gewonnenen Messresultate werden Auswirkungen auf die für die Zukunft geplanten Marsmissionen haben, bei denen dann auch Menschen die Oberfläche des Roten Planeten betreten werden.
Welche Strahlenbelastung wird die Besatzung eines Raumschiffs bei einem Flug zum Mars voraussichtlich ausgesetzt sein und welche Maßnahmen sind erforderlich, um diese Strahlendosis möglichst gering zu halten? Diese Fragen hoffen die Wissenschaftler mit den Daten des RAD-Instrumentes beantworten zu können.

„Das RAD ist [in der Missionsphase des Fluges zum Mars] vergleichbar mit einem Stellvertreter für einen Astronauten in einem Raumschiff auf dem Weg zum Mars“, so die Erklärung von Dr. Donald Hassler vom Southwest Research Institute (SwRI) in Boulder im US-Bundesstaat Colorado, dem für das RAD-Instrument hauptverantwortlichen Wissenschaftler. „Das Gerät befindet sich tief im Inneren der Raumsonde, vergleichbar mit der Position eines Astronauten bei einer bemannten Mission. Zu sehen, wie die Raumsonde das Strahlungsfeld beeinflusst, wird uns wichtige Informationen darüber liefern, wie man ein Raumschiff für eine zukünftige Reise zum Mars am besten konstruieren muss.“

Am gestrigen Tag gab die NASA im Rahmen einer Pressekonferenz erste Ergebnisse der Strahlungsmessungen durch das RAD-Instrument bekannt.

„Zum ersten Mal konnte damit die Strahlung im Inneren einer Raumsonde im interplanetaren Raum zwischen Erde und Mars gemessen werden“, so Dr. Günther Reitz, Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Bisher hatten wir nur Modellrechnungen. Nun haben wir echte Daten, welcher Strahlungsdosis ein Astronaut bei seiner Reise zum Mars ausgesetzt wäre.“

Die Messungen zeigten, dass das Instrument – und somit ein Astronaut – auf dem Weg zum Mars jeden Tag im Durchschnitt einer Strahlungsdosis von 1,8 Millisievert ausgesetzt wurde. Unter der schützenden Hülle der Erdatmosphäre beträgt die jährliche Strahlendosis durch kosmische Strahlung dagegen lediglich 0,3 Millisievert. Zusätzlich zu der permanenten galaktischen Strahlung zeichnete das Gerät während der interplanetaren Reise auch die Strahlung von fünf Sonnenstürmen auf. Diese Stürme erwiesen sich als ein Glücksfall für die beteiligten Wissenschaftler, welche somit bereits in der Flugphase zum Mars ein breites Strahlungsspektrum erfassen konnten und dadurch auch wertvolle Daten über den Einfluss von Sonnenstürmen auf die Strahlenexposition erhielten. „Wir freuen uns über jeden solaren Sturm, denn der bringt noch zusätzlich Würze in die Suppe“, so Dr. Günther Reitz.

NASA, JPL-Caltech, SwRI
Auf einer Marsmission wären die beteiligten Astronauten einer deutlich höheren Strahlung ausgesetzt als bei einem sechsmonatigen Aufenthalt auf der im niedrigen Erdorbit befindlichen Internationalen Raumstation ISS.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, SwRI)

Erkenntnisse für eine bemannte Langzeitmission zum Mars
Im Rahmen ihrer Studien berechneten die beteiligten Wissenschaftler von der NASA, dem SwRI, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Christian-Albrechts-Universität in Kiel (CAU) die Gesamtstrahlenbelastung, welcher ein Astronaut auf einer 360 Tage dauernden Hin- und Rückreise zum Mars ausgesetzt sein würde. Diese beträgt – eine vergleichbare Reisedauer, Raumschiffabschirmung und Sonnenaktivität vorausgesetzt – ungefähr 0,66 Sievert. Eine Strahlendosis von einem Sievert geht nach heutigen Erkenntnissen mit einem um fünf Prozent erhöhten Risiko für eine tödliche Krebserkrankung einher.

„Damit liegt die Belastung noch unter der Grenze von ungefähr 0,8 Sievert, der Astronauten in ihrer gesamten Laufbahn ausgesetzt sein dürfen. Bemannte Missionen sind also machbar, jedoch nicht unkritisch“, so Professor Robert Wimmer-Schweingruber von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, dessen Arbeitsgruppe das Messgerät baute. „Diese Strahlungsdosis ist vergleichbar mit einer Ganzkörper-CT, welche alle fünf oder sechs Tage wiederholt wird“, ergänzt Cary Zeitlin vom SwRI.

Die ermittelten 1,8 Millisievert pro Tag ergeben sich hauptsächlich durch die permanent vorhandene hochenergetische galaktische Teilchenstrahlung. Die von der Sonne ausgehende Strahlung war dagegen während des Fluges von Curiosity zu Mars für lediglich etwa drei bis fünf Prozent der gemessenen Strahlenwerte verantwortlich. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Sonne während des 253 Tage dauernden Fluges zum Mars eine relativ geringe Aktivität zeigte. Bei einer bemannten Marsmission müsste zudem noch die Zeit berücksichtigt werden, welche die Astronauten auf der Marsoberfläche verbringen und während der sie ebenfalls einer erhöhten Strahlungsdosis ausgesetzt sein werden. Aber auch über diese Werte liefert das RAD-Instrument weitere Daten. Seit der Landung von Curiosity ist das Strahlungsmessgerät fast rund um die Uhr in Betrieb und ermittelt in regelmäßigen Abständen entsprechende Daten.

Die Strahlungsbelastung bei einem bemannten Flug zum Mars liegt somit nahe an den allgemein akzeptierten Grenzwerten der Raumfahrtorganisationen und entspricht in etwa der durchschnittlichen Belastung, welcher ein Mensch während seines gesamten Lebens auf der Erde ausgesetzt ist. „Die von uns gemessene Strahlenbelastung liegt an der Grenze zu dem, was bei der NASA und anderen Weltraumbehörden als die Obergrenze für ein akzeptables Risiko für Raumfahrer angesehen wird. Diese Grenzen sind jedoch abhängig von unserem Verständnis von dem mit der Exposition von kosmischen Strahlen verbundenen Gesundheitsrisiko. Und dieses Verständnis ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt immer noch ziemlich begrenzt“, so Cary Zeitlin. Vor der Durchführung einer bemannten Marsmission ist deshalb in erster Linie zunächst einmal noch ein besseres Verständnis des gesundheitlichen Risikos nötig, welches mit derart hohen Belastungen verbunden ist.

NASA, JPL-Caltech, JSC
Ein Raumschiff, welches in der Zukunft Astronauten zum Mars befördert, muss über eine ausreichende Abschirmung gegenüber der kosmischen Strahlung verfügen. Die derzeit hierfür vorgesehene Orion soll entsprechend konstruiert werden.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, JSC)

Unabhängig davon, so die allgemeine Einschätzung, müsste ein Raumschiff, welches Astronauten zum Mars transportiert, über eine entsprechende Abschirmung gegen die kosmische Strahlung verfügen. Nur so kann die Strahlenbelastung auf einen Wert gesenkt werden, welcher das gesundheitliche Risiko zukünftiger Marsbesucher minimiert. Aufgrund der Daten des RAD-Instrumentes können entsprechende Schutzmaßnahmen bei der Konstruktion des Raumschiffes, welches Menschen zum Mars transportieren wird, berücksichtigt werden.

Die hier kurz vorgestellten Ergebnisse der Strahlungsmessungen durch das RAD-Instrument wurden am heutigen Tag von Cary Zeitlin et al. unter dem Titel „Measurements of Energetic Particle Radiation in Transit to Mars on the Mars Science Laboratory“ in der Fachzeitschrift „Science“ publiziert.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist als Partner der NASA an der Curiosity-Mission beteiligt. Es förderte die Entwicklung der Sensoreinheit des RAD-Instruments an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin des DLR in Köln. Die Entwicklung der Sensoren erfolgte in enger Kooperation mit der in München ansässigen Firma Kayser-Threde. Die Entwicklung wurde zudem durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gefördert. Die finanzielle Gesamtsumme des Kieler Projektes beläuft sich auf rund 1,3 Millionen Euro. Für die Entwicklung der Elektronikeinheit des RAD war dagegen das SwRI verantwortlich. Der Betrieb des Instruments erfolgt durch ein internationales Wissenschaftler-Team, an dem Mitarbeiter des DLR, der CAU und des SwRI beteiligt sind.
Bis zum heutigen Tag, dem „Sol“ 291 seiner Mission, hat der Marsrover Curiosity eine Distanz von etwa 740 Metern auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten zurückgelegt. In diesem Zeitraum haben die Kamerasysteme des Rovers bisher 55.197 Bilder aufgenommen und an das Roverkontrollzentrum des Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena/Kalifornien übermittelt. Diese Aufnahmen sind für die interessierte Öffentlichkeit auf einer speziellen Internetseite des JPL einsehbar.

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Fachartikel von Cary Zeitlin et al.:

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