Der hohe Gehalt von schweren chemischen Elementen in einigen der Halosterne in unserer Milchstraße überrascht. Für Astrophysiker gibt das Anlass, die Herkunft der Halosterne zu überdenken.
Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: Niels-Bohr-Institut der Universität Kopenhagen. Vertont von Peter Rittinger.
Die Ältesten unter den Sternen der Milchstraße befinden sich in ihrem kugelförmigen galaktischen Halo. Diese Art „Atmosphäre“ der Milchstraße besitzt einen Durchmesser von etwa 165.000 Lichtjahren. Neben fast ausschließlich älteren, sogenannten Population-II-Sternen, kommen dort noch etwa 150 Kugelsternhaufen, sowie große Mengen Dunkler Materie vor. Anders als die galaktische Scheibe ist der Halo weitgehend staubfrei. Sowohl der Orbit der Population-II-Sterne, als auch der der Kugelsternhaufen, zeichnet sich durch seine starke Neigung gegen die galaktische Ebene aus.
Nach gängiger Vorstellung der Sternentstehung sollten die Halosterne über keine höheren Anteile an Metallen verfügen. Die Metallizität, d. h. die Metallhäufigkeit, ist eine in der Astrophysik gebräuchliche Bezeichnung für die Häufigkeit der schweren chemischen Elemente in Sternen. Als „Metalle“ werden dabei, abweichend von der chemischen Bedeutung dieses Begriffes, meist alle Elemente mit Ausnahme des Wasserstoffs und des Heliums bezeichnet. Die schweren Elemente wurden im Universum erst durch Kernreaktionen in Sternen gebildet (der Nukleosynthese), daher hängt die Metallizität eng mit der Entstehungszeit eines Sternes zusammen. Sterne mit niedriger Metallizität, also die Population-II-Sterne des Halos, sind in einem früheren Entwicklungsstadium des Universums entstanden als erst wenige „Metalle“ vorhanden waren. Demgegenüber sind Sterne mit hoher Metallizität zu einem späteren Zeitpunkt aus der mit schweren Elementen angereicherten „Asche“ früherer Sternengenerationen entstanden.
Aus diesem Grunde überrascht der spektroskopische Nachweis von abnorm hohen Gold-, Platin- und Urananteilen in einigen der Halosterne unserer Milchstraße, die zwar schon länger bekannt, deren Herkunft nichtsdestoweniger ungeklärt blieb. Zwei unterschiedliche Ansichten dominieren in dieser Frage. Ein neuer Erklärungsansatz könnte nun helfen, mehr Klarheit zu schaffen.
In der unmittelbaren Folge des Urknalls, während der sogenannten primordialen Nukleosynthese, die einen Zeitraum ab etwa drei Minuten nach der Anfangssingularität beschreibt, bestand das Universum nach den Vorstellungen des kosmologischen Standardmodells im Wesentlichen aus Dunkler Materie sowie den Elementen Wasserstoff und Helium.
Aus diesen Elementen setzten sich dann auch die Sterne der ersten Generation, die sogenannten Population-III-Sterne, zusammen. In ihrem Inneren erbrüteten sie die ersten schwereren Metalle wie Kohlen- und Sauerstoff. Einmal in Gang gesetzt, bildeten die nach und nach weiter entstehenden Sterne in kosmologisch relativ kurzen Zeitskalen von einigen hundert Millionen Jahren alle natürlichen Elemente des Periodensystems. Als Ergebnis dieser ungeheuren Produktivität, weist unsere Sonne heute eine tausendfach höhere Metallhäufigkeit als ihre Vorgängergenerationen auf.
Nicht so recht ins Bild wollen daher ca. 2% der Sternfossilien im galaktischen Halo passen, die einen für ihr Alter nicht nachvollziehbar hohen Metallanteil aufweisen. Die bis jetzt am intensivsten diskutierte Theorie geht davon aus, dass die Mehrheit dieser alten aber doch metallreichen Sterne die übriggebliebenen Mitglieder früherer enger Binärsysteme darstellen. Ihr jeweiliger Partner ist längst in einer Supernovaexplosion vergangen. Die im Rahmen seines Untergangs in die lokale Umgebung abgegebenen Elemente haben sich wie ein feiner Gold- oder Platinüberzug auf das masseärmere Mitglied des ehemaligen Doppelsternsystems gelegt.
Eine zweite Überlegung sieht eher eine Art „Gießkannenprinzip“ als Verteilungsgrundlage. Auch hierbei spielen Supernovaexplosionen die entscheidende Rolle, allerdings verteilen sie die zuvor erbrüteten Elemente durch Jets in verschiedene Richtungen. Die Metalle lagern sich schließlich in diffusen Gaswolken an, aus denen dann wiederum die heute im Milchstraßenhalo zu beobachtenden Population-II-Sterne kondensierten.
Das möglicherweise entscheidende Indiz zur Klärung der Frage lieferten jetzt drei Sterne dieser rätselhaften 2%. Sie weisen im Gegensatz zum Rest klar definierbare orbitale Bewegungen auf, aus denen sich mit Hilfe numerischer Simulationen nachweisen ließ, dass die große Mehrheit der bekannten 17 metallreichen Halosterne tatsächlich als Einzelsterne angesehen werden muss. Bei lediglich drei Sternen, knapp 20% von ihnen, konnte ein Binärzusammenhang aufgeschlüsselt werden. Ein Ergebnis, des in seiner Gesamtschau gut mit dem allgemein akzeptierten Wert der Milchstraße verträglich ist. Etwa 50% aller Sterne der Milchstraße sind nach dieser Annahme keine Einzelsterne. Allerdings beinhaltet diese Hälfte Sternpopulationen von gravitativen und scheinbaren Doppel- sowie Mehrfachsystemen. Der Wert von reinen Binärsystemen in der Milchstraße wird bei ebenfalls 20% angenommen.
Die generelle Annahme einer Historie als Zweifachsystem kann demzufolge als Erklärung der hohen Metallizität der Halosterne nicht so ohne Weiteres übernommen werden. Weitaus plausibler erscheint die Anreicherung der lokalen Umgebung bzw. Gaswolken aus verschiedenen Richtungen als Folge von Supernovaexplosionen.
Raumcon: