Dieser Bericht von Michel Witting, einem ESA-Ingenieur des Mars Express-Teams, gibt einen Einblick in das Leben und Arbeiten des Projektteams in Baikonur.
Autor: Michael Stein
Mittwoch, 19. März 2003, Amsterdam
Während die Mars Express-Raumsonde direkt von der Endmontage in Frankreich nach Baikonur transportiert wird ist auch die Startmannschaft auf dem Weg dorthin. Für einige von uns bedeutet dies eine fast durchgängige zweieinhalbmonatige Abwesenheit von Zuhause, so dass es einige gefühlsbeladene Abschiede gibt. Rund 40 von uns aus ganz Europa werden sich heute in Moskau treffen um dort eine Chartermaschine nach Baikonur zu bekommen.
Unser Flugzeug kommt nach einem Dreieinhalb-Stunden-Flug sicher in Moskau an. Nach dem Passieren der Einreisekontrollen treffen wir uns mit dem Rest des Teams, das bereits aus Italien, Frankreich, Deutschland und Großbritannien eingetroffen ist. Man sieht eine Menge vertrauter Gesichter und viele „Hallo’s“ werden ausgetauscht. Unsere Chartermaschine verläßt Moskau nach einer kurzen Verzögerung, und drei Stunden später sind wir in Baikonur. Mittlerweile ist es 02:00 Uhr am morgen, es ist dunkel, und die Strapazen der Tour zeigen sich bei jedem.
Donnerstag, 20. März 2003, Baikonur
Die vierstündige Zeitverschiebung im Vergleich zu Mitteleuropa macht das Aufstehen an diesem Morgen wirklich schwer. Unser Bus (der Begriff „Mietwagen“ existiert hier nicht) verlässt das Hotel jeden Morgen um 07:30 Uhr, sieben Tage in der Woche, mit einem freien Tag pro Person pro Woche. Die Fahrt zur Arbeit dauert ungefähr 40 Minuten. Es ist eine schlechte Straße und Schlafen während der Fahrt ist nicht möglich, glauben Sie mir!
Die Mars Express-Raumsonde, der Beagle 2-Lander und das gesamte übrige Material kommen heute Nachmittag aus Europa an. Wir erwarten eine riesige Antonow-124-Frahtmaschine voll mit Containern. Ich vermute dass die meisten von uns in den nächsten Tagen als Packer arbeiten werden!
Der Zeitplan um die Raumsonde für den Start Anfang Juni 2003 bereit zu machen ist sehr straff. Jeder spürt den Druck. Die Arbeit in den Einrichtungen läuft sieben Tage in der Woche, oft bis Mitternacht. Es ist schwierig die Schichtzeiten für das Team so aufeinander abzustimmen, dass wir auf der einen Seite den geplanten Ablauf einhalten und auf der anderen Seite jedem Einzelnen seine Ruhepausen garantieren.
Es ist jetzt alles am laufen. Wir müssen auf mehrere verschiedene Sachen achten, und es ist kein Raum mehr für Fehler, wenn wir rechtzeitig fertig werden wollen. Wir führen eine intensive Prüfung des Antriebssystems des Orbiters durch, inklusive des kleinen Raketentriebwerks.
Wir müssen eine fehlerhafte Komponente reparieren, sie wieder einbauen und dann eine ganze Serie von Tests durchführen. Ok, nun können wir weitermachen und den Beagle 2-Lander an der Mars Express-Raumsonde befestigen. Alles sieht gut aus und wir sind im Zeitplan. Das ist eine schöne Belohnung für uns alle hier – wir haben sehr große Anstrengungen in die ersten zweieinhalb Wochen unserer Startvorbereitungen investiert.
Samstag, 5. April 2003
Schließlich ist der große Tag gekommen. Das Beagle 2-Team organisiert aus diesem Anlass eine Party. Es ist für beinahe jeden von uns die erste Chance seit unserer Ankunft etwas Dampf abzulassen. Und was für eine Party das war! Am nächsten Morgen sah ich einige bleiche Gesichter auf dem Flur.