Wenn das Wetter am Freitag mitspielt, startet um 12:13 Uhr die amerikanische Schwerlastrakete vom Typ Delta-IV Heavy. Mit an Bord befindet sich eine geheime militärische Nutzlast. Das Netz ist voller Spekulationen über das Ziel dieser Mission.
Ein Beitrag von Klaus Donath. Quelle: satobs.org, ulalaunch.com, nasaspaceflight.com, bisbos.com.
Wenn die stärkste Version der Delta-IV auf der Startplattform 37 von Cape Canaveral für einen Start vorbereitet wird, ist der militärische Nachrichtendienst (NRO) der USA nicht weit weg. Denn die größten Satelliten im Erdorbit sind nur selten zivil und der Bedarf, mehr als 23 Tonnen in die Umlaufbahn zu schicken resultierte in der Entwicklung der Delta IV Heavy als Nachfolger der mittlerweile veralteten Titan IV. Anfang der 80er Jahre noch orientierten sich alle Spionagesatelliten an der Nutzlastkapazität des Space Shuttles, das als eierlegende Wollmilchsau konkurrenzlos günstig alle amerikanischen Nutzlasten befördern sollte.
Die Sichtweise veränderte sich nach dem Unglück der Challenger dramatisch und führte zur Einstellung der Bauarbeiten der Shuttle-Startanlagen an der Westküste der USA. Die daraus resultierende Unfähigkeit, größere Nutzlasten in hoch inklinierte Orbits zu fliegen, führte zur Entwicklung dieser neuen Generation von Schwerlast-Raketen, welche die für das Shuttle geplanten und gebauten Nutzlasten autonom starten können. Seit 2004 hob die Delta IV Heavy vier Mal von Florida und einmal vom Luftwaffenstützpunkt in Vandenberg, Kalifornien, jener ursprünglich für Shuttle Starts an der Ostküste vorgesehene Startanlage, ab.
Um der geheimen Nutzlast auf die Spur zu kommen, bedient man sich einerseits der niedrigen NROL-Zahl (15), welche auf einen ursprünglich geplanten Start Anfang des Jahrtausendes hindeutet, andererseits kann man auf Grund der Wahl der großen Delta-IV Heavy Rakete auf eine schwere militärische Nutzlast schließen. Kombiniert liegt der Schluss nahe, dass es sich um einen Satelliten aus der „Misty“-Reihe handelt. Diese sind vermutlich von den Hubble-ähnlichen KH-11 Aufklärungssatelliten abgeleitet, jedoch 25% schwerer. Der erste Satellit dieser Art wurde noch vom Space Shuttle in den Orbit transportiert und hatte unbestätigten Informationen zu Folge ein Gewicht von 17 Tonnen.
Bei jener STS-36 Mission startete die Atlantis mit 62° in die höchste Inklination des gesamten Shuttle-Programmes. War der Satellit die ersten Wochen noch gut vom Boden aus zu beobachten, sowohl optisch als auch mit Radar, so verschwand er von einem Tag auf den anderen und ließ nur eine kleine Trümmerwolke zurück. Doch war der Satellit keineswegs zerstört. Das Militär täuschte diese Tatsache nur vor und verschob den ursprünglichen Orbit von Misty-1 um 3° in der Inklination und 800 km in der Höhe. Doch das wurde erst in den 90er Jahren bekannt, als der Satellit dort unerwartet wieder auftauchte. In der Zwischenzeit, so vermutet man, war Misty-1 der erste Satellit mit einer Tarnvorrichtung.
Ähnlich spannend verfuhr Amerika mit Misty-2, der auf einer Titan IV in den Orbit gelangte. Jahrelang verfolgte man ein Objekt in der Annahme, es sei Misty-2. Doch in der Praxis sah man die ganze Zeit nur einen Köder mit ähnlicher Leuchtstärke wie die originale Nutzlast. Das kam erst ans Licht, nachdem sich das Objekt bei solaren Protuberanzen wie ein Objekt verhielt, welches nur wenige Hundert Kilogramm wiegen kann.
Welches Ziel verfolgt man nun mit dem am Freitag anstehenden Start von Misty-3? Um die Frage zu beantworten muss zunächst das weiterentwickelte Triebwerk der Delta IV angesprochen werden. Im Normalfall sollte die Delta IV Heavy mehr als ausreichend dimensioniert sein um Titan-IV Nutzlasten in den Orbit zu bringen. Dennoch entschied man sich im Pentagon für die 200 Millionen Dollar teure Weiterentwicklung des RS-68 Haupttriebwerkes, welches die Leistungsfähigkeit der Delta IV Heavy weiter steigert und bei diesem Start zum ersten mal als RS-68A zum Einsatz kommen soll.
Möglicherweise plant man also ein Ablenkungsmanöver neuen Ausmaßes. Schaut man sich das gesperrte Seegebiet im Osten der Startanlage an, deutet alles auf einen Start in einen niedrig inklinierten Orbit von 28,5° und suggeriert damit eine Nutzlast für den geostationären Orbit. Dort wäre Misty-3 allerdings nicht zu gebrauchen. In Anbetracht dieser Tatsache gibt es jetzt mehrere Möglichkeiten, die Öffentlichkeit zu verwirren.
1.) Nach dem Start in den niedrigen Erdorbit wird Misty-3 ausgesetzt, aktiviert seinen Tarnmodus (Raumfahrer.net berichtete), manövriert sich selbst in eine höhere Inklination und die Oberstufe macht sich dann mit einer Dummy-Nutzlast auf in den geostationären Orbit und täuscht dort das Aussetzen der Primärnutzlast vor. Ob die Delta IV Heavy trotz Ihres verbesserten Triebwerkes eine solche Mission fliegen kann, ist unbekannt.
2.) Die zweite Stufe bringt sich nach Abtrennung der Hauptnutzlast lediglich in eine Transferbahn zum geostationären Orbit und täuscht damit einen Fehlstart vor. Diese Variante es weniger wahrscheinlich, möchte doch keine Nation der Welt freiwillig einen Fehlschlag veröffentlichen, selbst wenn es in Wahrheit keiner war.
3.) Die Oberstufe bringt sich sofort nach Abtrennung in einen solaren Orbit, wie bereits geschehen nach dem Aussetzen des Minishuttles X-37b. Nach Aktivierung eines Tarnmodus bei der Primärnutzlast blieben alle Orbitteile unauffindbar und der genaue Standort von Misty-3 damit ebenfalls wie gewünscht unbekannt.
Auch wenn jedes dieser Szenarien das Triebwerksupgrade erklärt, bleibt abzuwarten, ob eine dieser Vermutungen zutrifft, oder eine ganz andere Idee dahinter steckt. Fest steht dagegen, dass Hobby-Astronomen aus aller Welt bereits großes Engagement im Auffinden der X-37B, die ebenfalls in einen geheimen Orbit startete, gezeigt haben. Vielleicht finden Sie nach einiger Zeit tatsächlich dann den wahren Orbit von Misty-3. Sobald es soweit ist, werden wir Sie natürlich an dieser Stelle informieren.
Zum Start der Delta-IV Heavy wird es wieder einen deutschen Livestream geben am Freitag ab 11:50 Uhr auf spacelivecast.de.
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