Bei seiner Fahrt durch einen Abschnitt mit sehr lockerem und feinem Sand hat sich der Marsrover Spirit im Untergrund festgefahren. Die Situation wird von der Missionsleitung am Jet Propulsion Laboratory als sehr schwierig eingeschätzt.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, Unmanned Spaceflight.
Auf seinem Weg zu seinen nächsten Forschungszielen, dem vermeintlichen Vulkankrater „Goddard“ und der Spitzkuppe „von Braun“, musste der Rover Spirit wegen des aufgrund eines dauerhaft funktionsuntüchtigen Rades nicht passierbaren Geländes einen Kurs durch ein schmales Tal, das sogenannte „West Valley“, einschlagen. Zu Beginn dieser Fahrt konnte der Rover mit vereinzelten Tagesetappen von über 20 zurückgelegten Metern gute Fortschritte verzeichnen. Hierbei kam ihm allerdings das leicht abschüssige Gelände zu Hilfe. Bereits in dieser Phase der Fahrt zeigte sich jedoch, dass der Untergrund sich zumindestens stellenweise aus sehr lockerem und feinem Sand sowie Siliziumdioxid zusammensetzt und in der Zukunft ein ernsthaftes Problem darstellen würde.
Im südlichen Abschnitt des West Valley führte die Fahrt dann wieder leicht bergauf. Hier geriet der Rover in den letzten Wochen in eine sehr ernste Situation. Bei mehreren Fahrten Ende März fräste Spirit mit seinem linken Vorderrad einen regelrechten Graben in den Boden. Durch die dadurch erfolgende Abbremsung gerieten auch die in Fahrtrichtung zeigenden Hinterräder immer tiefer in den Untergrund. Mehrere Versuche, sich aus diesem Graben zu befreien schlugen fehl und führten sogar zu einem weiteren „Eingraben“ der Räder. Am JPL ist man derzeit damit beschäftigt, die Situation genauer zu analysieren und einen Ausweg zu finden.
Momentan sind drei der vier lenkbaren Räder des Rovers bis weit über die Achsen im Sand versunken. Bei dem vierten, nicht eingesunkenen Rad handelt es sich ausgerechnet um das bereits seit drei Jahren durch einen Defekt dauerhaft blockierte und somit nicht mehr einsatzfähige rechte Vorderrad. Über den Status der beiden mittleren Räder herrscht keine absolute Gewissheit, da diese durch keine der Kameras an Bord des Rovers eingesehen werden können. Anscheinend sind sie jedoch nicht so tief in den Untergrund eingesunken, wie die restlichen Räder. Bedenklich ist hier allerdings, dass das linke Mittelrad während der letzten Fahrt aus einem bisher nicht bekannten Grund den Betrieb eingestellt hat. Möglicherweise hat es sich zwischen zwei im Weg liegenden Steinen verfangen, was eine Rover-interne Sicherheitsautomatik auslöste und zu einer Deaktivierung des Rades führte. Denkbar wäre allerdings auch, dass ein Stein ins Rutschen geriet und sich im Inneren des Rades abgelagert hat oder dass es zu einen technischen Defekt gekommen ist.
John Callas, der Projektmanager am JPL, sagt dazu: „Wir gehen jetzt systematisch und sehr vorsichtig vor. Es können mehrere Wochen vergehen, bis wir mit Spirit einen erneuten Fahrversuch unternehmen werden. Derzeit benutzen wir die wissenschaftlichen Instrumente Spirits, um mehr über die Zusammensetzung des Untergrundes zu erfahren, welcher uns so große Schwierigkeiten bereitet.“
Offensichtlich befindet sich die linke Roverseite auf einen Untergrund, welcher bedeutend feiner zusammengesetzt ist als der Boden unter der rechten Seite des Rovers. Die linken Räder haben bei den letzten Fahrten erneut eine Schicht aus hellem Material, vermutlich Siliziumdioxid, freigelegt. Das rechte Hinterrad steckt dagegen in einem dunkel gefärbten Sand fest. Da sich das dauerhaft blockierte rechte Vorderrad entgegen früheren Ereignissen nicht in diesem dunklen Material eingegraben hat, geht man davon aus, dass dieses Material über eine höhere Tragfestigkeit verfügt.
Das Hauptarbeitsmittel zur Analyse des Bodens stellen die beiden am Instrumentenarm des Rovers installierten Spektrometer sowie ein Mikroskop dar. Laut einem Mitglied des Roverteams kam es jedoch aufgrund eines Computerproblems zu einer Löschung der Skalierung der Servomotoren des Instrumentenarmes. Vor einem erneuten Einsatz muss der Arm deshalb erst neu geeicht und justiert werden. Bis dies geschehen ist, werden die Kameras genutzt, um weitere Bilder der unmittelbaren Umgebung zu gewinnen.
Das größte hierbei auftretende Problem besteht darin, dass man mehr darüber erfahren möchte, wie es unmittelbar unter Spirit aussieht. Es ist bekannt, dass sich dort mehrere größere Steine befinden. Sollte der Rover sich bei einer Fortsetzung der Fahrt noch weiter in den Untergrund eingraben, so besteht die Gefahr, dass der Unterboden von Spirit in Kontakt mit diesen Steinen gerät. In diesem Fall wären die Bemühungen, aus der Sandfalle zu entkommen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt. Leider hat keine der zur Verfügung stehenden Kameras die Möglichkeit, direkt unter den Rover zu blicken. Stattdessen wurde am 10. und am 13. Mai 2009 die Navigationskamera dazu eingesetzt, um unmittelbar nach Sonnenaufgang das Gebiet direkt westlich des Rovers abzubilden. Da Spirit sich zur Zeit auf einem nach Westen abfallenden Hang mit einer Neigung von 10 bis 12 Grad befindet, erhoffte man sich aus den hierbei ersichtliche Schattenwürfen Rückschlüsse über die Bodenunebenheiten. Leider hat es jedoch den Anschein, dass die Sonne zu spät über die direkt östlich des Rovers gelegene „Home Plate“ genannte Geländeerhebung steigt, als dass diese Strategie Erfolg haben könnte.
Eine weitere, allerdings sehr spekulative Möglichkeit wäre, die Instrumentenoberflächen am Instrumentenmast für die vordere Gefahrenerkennungskamera als eine Art Spiegel zu benutzen, um das Gelände unter dem Rover einzusehen. Auf früheren, allerdings nicht für diesen Zweck geplanten Aufnahmen konnten damit gewisse Erfolge verzeichnet werden. Ob jedoch trotz einer nachträglichen Bildbearbeitung verwertbare Ergebnisse erzielt werden könnten, erscheint eher zweifelhaft.
Die weitere Vorgehensweise sieht jetzt vor, die aktuelle Situation auf dem Mars in einem Testgelände des JPL so realitätsgetreu wie nur irgend möglich nachzustellen. Die Beschaffenheit des Geländes und die Zusammensetzung des Untergrundes sollen zunächst möglichst detailgetreu nachgebildet werden. Anschließend werden diverse Strategien zur Befreiung des Rovers ausprobiert, analysiert und erneut ausprobiert. Besonderes Augenmerk soll hierbei auf die Möglichkeit gelegt werden, den Rover hangabwärts zu manövrieren.
Aber wie auch immer die endgültige Strategie aussehen wird: das anstehende Manöver ist mit sehr vielen Komplikationen und Unsicherheiten behaftet. Der Untergrund ist mit mehreren Steinen unterschiedlicher Größe durchsetzt und setzt sich aus verschiedenen Materialien zusammen, welche sich teilweise unter einer uniform erscheinenden Oberfläche verbergen. Drei Räder sind sehr tief im Untergrund eingebettet. Alle vier lenkbaren Räder können nur um maximal 60 Grad gedreht werden. Das für den Fahrbetrieb dauerhaft blockierte rechte Vorderrad bewirkt eine seitliche Abdrift des Rovers, welche im Vorfeld berechnet und ausgeglichen werden muss. Bei einem seitlichen Manöver müssen hierbei zusätzlich die zwei nicht lenkbaren Mittelräder berücksichtig werden, von denen eines zumindestens bei der letzten Fahrt nicht mehr einsatzfähig war…
Einzig positiv an der jetzigen Situation Spirits ist zu bewerten, dass sich die Energiesituation im Laufe der letzten Wochen geradezu drastisch verbessert hat. Am 31. März 2009 konnte der solarbetriebene Rover durch seine Solarpaneele pro Tag lediglich 223 Wattstunden Energie generieren. Durch mehrere sogenannte „Dust Cleaning Events“, dabei handelt es sich um die Solarzellen vom darauf abgelagerten Staub befreiende Windstöße, stieg diese Energiemenge bis zum 8. Mai 2009 auf fast schon rekordverdächtige 652 Wattstunden pro Tag an (0,652 kWh). Die entspricht in etwa einer Menge von 70 Prozent dessen, was der Rover direkt nach seiner Landung auf dem Mars im Januar 2004 erzeugen konnte. John Callas: „Diese verbesserte Energiesituation gibt uns mehr Zeit. Diese Zeit werden wir jetzt nutzen, um die nächsten Schritte sehr sorgfältig zu planen.“
Es ist am JPL bekannt, dass sich diese positive Energiesituation jederzeit durch einen Staubsturm verschlechtern könnte. Entsprechende Anzeichen für einen globalen Mars-Sturm konnten vor einigen Wochen von der MARCI-Kamera des NASA-Orbiters Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) detektiert werden. Glücklicherweise hat sich die Situation seitdem jedoch weitestgehend entspannt. Die aktuellen Wetter-Daten der letzten Woche dokumentieren eine Abnahme des in der Atmosphäre befindlichen Staubanteils. Einzelne lokale Staubsturmgebiete konzentrieren sich mittlerweile nur noch auf die Umgebung unmittelbar um die südpolare Eiskappe und zeigen keine Anzeichen einer Ausweitung.
Bis zum 6. Mai 2009, dem Tag seiner bisher letzten Fahrt, hat der Marsrover Spirit insgesamt 7.729,93 Meter auf der Oberfläche des Mars zurückgelegt. Die jetzt folgenden Untersuchungen und Analysen werden Wochen, wenn nicht sogar Monate in Anspruch nehmen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Bemühungen letztendlich von Erfolg gekrönt werden und Spirit noch viele weitere zurückgelegte Meter verzeichnen kann.
Raumcon: