Die Tests für die Befreiung des seit Anfang Mai 2009 im Sand festgefahrenen Marsrovers Spirit dauern an. Das für diese Tests zuständige Team des JPL hat sich mittlerweile allerdings auf eine endgültige Strategie geeinigt.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, Planetary Society, DLR.
Seit Anfang Mai 2009 befindet sich der Marsrover Spirit in einer sehr schwierigen Situation. Auf dem Weg zu seinen weiteren Forschungszielen ist er in eine „Sandfalle“ geraten und hat sich mit fünf seiner sechs Räder bis zu den Achsen im an dieser Stelle extrem feinen und lockeren Sand eingegraben. Seit diesem Zeitpunkt laufen in einer speziellen Testanlage des für die Kontrolle der Mission verantwortlichen Jet Propulsion Laboratory (JPL) verschiedene Tests, um eine Strategie zur Befreiung des Rovers zu entwickeln (Raumfahrer.net berichtete). Eine möglichst wirklichkeitsgetreue Simulation der Situation auf dem Mars gestaltet sich allerdings sehr schwierig. Durch die unterschiedlichen Gravitationsbedingungen auf Erde und Mars, der Mars verfügt lediglich über 38 Prozent der Anziehungskraft der Erde, ist der ursprünglich eingesetzte Testrover schwerer und verhält sich anders als sein Gegenstück auf dem Mars.
Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wird in Pasadena seit Mitte August auch ein zweiter Testrover, der sogenannte SSTB-Lite, eingesetzt, welcher nur über etwa ein Drittel des Gewichts von Spirit verfügt. Wie bereits zuvor mit dem schwereren SSTB-Testrover wurden mit diesem leichteren Modell sämtliche erdenklichen Fahrmanöver durchexerziert und anschließend ausgewertet. Durch den Vergleich der Auswirkungen der absolvierten Fahrmanöver dieser beiden unterschiedlich schweren Testrover erhofft man sich am JPL Aufschluss darüber, wie die unterschiedliche Schwerkraft auf Erde und Mars das zu erwartende Fahrverhalten beeinflussen könnte. „Es gibt keinen perfekten Vergleich für die Situation von Spirit hier unten auf der Erde“, so John Callas, der für die beiden Marsrover verantwortliche Projektmanager vom JPL. „Auf dem Mars existiert eine geringere Schwerkraft, eine nur sehr dünne Atmosphäre und es gibt keine Feuchtigkeit im Boden.“ Deshalb gehe man sehr vorsichtig und bedacht vor und erprobe alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. „Es besteht eine sehr reale Möglichkeit, dass Spirit nicht in der Lage sein wird, sich aus der Sandfalle zu befreien und wir wollen dem Rover dabei die beste Chance geben.“
Parallel dazu finden auch in Bremen am dortigen DLR-Institut für Raumfahrtsysteme Untersuchungen in einer speziellen Einzelrad-Testanlage statt. Dr. Lutz Richter, welcher für die Durchführung der dortigen Tests verantwortlich ist, erläutert die Vorzüge der Bremer Anlage: „Dieser Teststand hat den Vorteil, dass wir das Gewicht, das auf das Rad wirkt, genau so einstellen können, wie es auf dem Mars tatsächlich ist. Außerdem können wir mit unserer Anlage die Kräfte, die auf das Rad wirken, wie zum Beispiel die Vortriebskraft, das heißt die Kraft, mit der sich der Rover tatsächlich fortbewegt, exakt messen.“
Die gewonnenen Ergebnisse werden anschließend in ein spezielles Computerprogramm übertragen, welches bereits in der Vergangenheit benutzt wurde, um Simulationen von komplizierten Fahrmanövern auf dem Mars zu erstellen. Kalibriert wurde das Programm dabei mit den in den letzten fünf Jahren in der JPL-Testanlage erhaltenen Daten und dem tatsächlichen Verhalten der beiden Rover Spirit und Opportunity auf dem Mars. John Callas sagt dazu: „Die Bearbeitung in einem Computer erlaubt es uns, die Resultate der Tests unter Erd-Gravitationsbedingungen mit dem zu vergleichen, was anschließend unter Mars-Gravitationsbedingungen geschehen wird.“
Bei der Auswertung der bisher gesammelten Daten über den Untergrund, auf welchem der Rover sich zur Zeit befindet, stellte sich heraus, dass Spirit nur mit sehr viel Pech in seine momentane Situation geraten ist. Die drei Räder auf der linken Roverseite, welche auch tiefer eingesunken sind als die Räder der rechten Seite, sind im Laufe der letzten Fahrten über den Rand eines Mini-Kraters geraten. Dieser mittlerweile als „Scamander-Krater“ benannte Krater hat eine Ausdehnung von vielleicht acht Metern, ist lediglich etwa 30 Zentimeter tief und zum Leidwesen der für die Steuerung von Spirit verantwortlichen Roverdriver komplett mit feinem Sand aufgefüllt, welcher sich optisch nicht von der restlichen Oberfläche unterscheiden ließ. So war es nicht möglich, dieses Hindernis im Vorfeld auf den von verschiedenen Kamerasystemen erzeugten Bildern zu identifizieren.
Mittlerweile ist die Sondierungsphase abgeschlossen und das mit der Entwicklung einer Befreiungsstrategie betraute „Free-Spirit-Team“ hat einen Plan ausgearbeitet, um den Rover aus der Sandfalle zu befreien. Diese Strategie sieht vor, Spirit auf seiner alten Fahrspur rückwärts zu manövrieren. In bestimmten Abständen wird man dabei versuchen, den Rover durch Seitwärtsbewegungen in Richtung Home Plate und somit weg vom „Scamander-Krater“ zu steuern. Dr. Lutz Richter: „Wenn wir mit Spirit die gleiche Spur wieder zurückfahren, könnte der Rover sich befreien. Wichtig dabei ist, dass wir mit einer deutlich kleineren Drehgeschwindigkeit der Räder fahren als bei normalen Fahrmanövern.“ Bevor diese Fahrt jedoch begonnen werden kann, wird man am JPL eine Generalprobe durchführen. Im Verlauf dieses hoffentlich abschließenden Tests soll das gesamte Manöver in allen Details durchexerziert werden. Nachdem zuvor Tagesarbeitszeiten von 12 bis 14 Stunden keine Ausnahmen waren, haben die Arbeiten in der Testanlage des JPL in der letzten Woche geruht. Der abschließende Test soll jedoch noch in dieser Woche beginnen.
Bevor dieser beendet ist, werden nochmals mehrere Wochen vergehen. Um den Rover nur um einige Zentimeter zu bewegen, sind hunderte, vielleicht sogar tausende von Umdrehungen der Räder notwendig. Anschließend wird der Plan dem Hauptquartier der NASA und dem Management des JPL zur Genehmigung unterbreitet werden. Ray Arvidson von der Washington University in St. Louis sagt zu einem möglichen Zeitpunkt für die Wiederaufnahme der Fahrt: „Ich hoffe, dass wir die Fahrt auf dem Mars Anfang November beginnen können.“
Bis dahin hofft man, auch ein weiteres, erst kürzlich aufgetretenes Problem in den Griff zu bekommen. Am 15. September 2009 schaltete sich die für die direkte Kommunikation mit der Erde benötigten Hauptantenne von Spirit automatisch ab. Im Rahmen der daraufhin sofort einsetzenden Fehleranalyse wurde diese HG-Antenne reaktiviert und um fünf Grad bewegt. Dabei zeigte sich, dass die Motoren der Antenne aktiv waren. Die Abschaltung, so Ray Arvidson wurde sehr wahrscheinlich durch ein elektrisches Problem mit den dynamischen Bremsen der für die Ausrichtung der Antenne zuständigen Aktuatoren ausgelöst. Die Hoffnung war zunächst, dass es sich hierbei um ein einmaliges Phänomen handeln könnte. Im Rahmen einer 20-minütigen Kommunikationsphase trat der Fehler allerdings am 25. September vier Minuten vor dem Ende der Datenübertragung erneut auf. „Spirit kann unsere Kommandos empfangen und wir wissen jetzt, dass dieses Problem nur zeitweise auftritt“, so Bill Nelson, der Chef der Rover-Engineering-Teams. Man kennt mehrere Tricks, um dieses Problem zu umgehen und ist zuversichtlich, die HG-Antenne im Laufe der kommenden zwei Wochen wieder vollständig nutzen zu können.
In der Zwischenzeit widmet Spirit sich auch weiterhin der Analyse des in der Reichweite seiner Instrumente befindlichen Marsbodens. Neben Analysen mit dem APXS-Spektrometer wird seit dem Wochenende auch wieder eine mehrtägige Messung mit dem ebenfalls am Instrumentenarm integrierten Moessbauer-Spektrometer durchgeführt. Zuvor hat man mit dem Mikroskop weitere Bilder des unter dem Rover befindlichen Steins aufgenommen. Navigations- und Panoramakamera sind desweiteren mit der Bestimmung des Staubanteils in der Marsatmosphäre und der Suche nach weiteren Staubteufeln in der näheren Umgebung beschäftigt. Davon erhofft man sich genauere Aussagen über die zukünftige Entwicklung der Energiesituation des Rovers, welche vor mehreren Wochen durch einen lokalen Staubsturm beeinträchtigt wurde (Raumfahrer.net berichtete).
Folgende Auflistung soll die momentane Entwicklung der täglich generierten Energiemenge, des Tau-Wertes und der Lichtdurchlässigkeit der Solarpaneele, Spirit wird ausschließlich durch Solarenergie versorgt, dokumentieren. Der Tau-Wert steht dabei für die Durchsetzung der Atmosphäre mit Staub. Je mehr Staub sich dort befindet, desto höher fällt dieser Wert aus. Die Lichtdurchlässigkeit wiederum gibt an, wie viel Sonnenlicht die Solarpaneele erreicht und zur Energiegewinnung genutzt werden kann.
- 02.09.2009: 0,564 kWh/ Tag , Tau-Wert 0,890 , Lichtdurchlässigkeit 72,0 Prozent
- 09.09.2009: 0,418 kWh/ Tag , Tau-Wert 1,650 , Lichtdurchlässigkeit 66,9 Prozent
- 16.09.2009: 0,403 kWh/ Tag , Tau-Wert 1,210 , Lichtdurchlässigkeit 63,1 Prozent
- 21.09.2009: 0,418 kWh/ Tag , Tau-Wert 0,972 , Lichtdurchlässigkeit 62,6 Prozent
- 29.09.2009: 0,437 kWh/ Tag , Tau-Wert 0,727 , Lichtdurchlässigkeit 61,4 Prozent
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