Die Spektralanalyse ist das wichtigste Handwerkszeug der Astronomen, um Informationen über die chemische Zusammensetzung fremder Himmelskörper zu erfahren.
Autor: Michael Stein
Einleitung
Die bereits 1859 von Robert Wilhelm Bunsen und Gustav Kirchhof entwickelte Spektralanalyse basiert auf der 1814 von Joseph von Fraunhofer gemachten Entdeckung, dass das Spektrum des Sonnenlichts an verschiedenen Stellen dunkle Linien aufweist. Während die Spektralanalyse ursprünglich nur auf das sichtbare Licht angewandt wurde, indem man es durch ein Prisma oder ein Gitter lenkte und es dadurch entsprechend der unterschiedlichen Wellenlängen seiner einzelnen Bestandteile verschieden stark abgelenkt wurde, wird sie heute oft auch auf den ultravioletten und nahen infraroten Spektralbereich angewendet.
Absorptions- und Emissionslinien
Die von Fraunhofer bei der Untersuchung des Sonnenspektrums sowie des Spektrums verschiedener Sterne entdeckten dunklen Linien sind sogenannte Absorptionslinien, die daher rühren, dass chemische Elemente Lichtteilchen (sog. Photonen) mit einer ganz bestimmten Wellenlänge absorbieren. Wenn dieser Zusammenhang erst einmal hergestellt ist, dann ist „nur noch“ viel Fleißarbeit nötig, um herauszufinden, welches chemische Element an welcher Stelle des Spektrums eine Lücke bzw. dunkle Linie hinterlässt – jedes chemische Element hinterlässt an einer ganz bestimmten und von allen anderen Elementen verschiedenen Stelle im Spektrum eine Absorptionslinie.
Analog zu den Absorptionslinien gibt es im Spektrum auch Emissionslinien, die dadurch entstehen, dass chemische Elemente angeregt werden und Licht einer ganz bestimmten Wellenlänge ausstrahlen, was sich dann als hellere Linie im Spektrum des untersuchten Himmelskörpers niederschlägt. Mit Hilfe der Analyse von Absorptions- und Emissionslinien in einem Spektrum lassen sich Erkenntnisse über das Vorhandensein chemischer Elemente in einem Objekt gewinnen, ohne dieses körperlich untersuchen zu müssen. Die Astrospektroskopie als Anwendung der Spektralanalyse auf kosmische Objekte bietet somit die einzige Möglichkeit, etwas über die chemisch-physikalische Zusammensetzung von Himmelskörpern zu erfahren, die einer direkten Untersuchung aufgrund ihrer Entfernung oder aber, wie bei unserer Sonne, z.B. aufgrund ihrer Oberflächentemperatur, nicht zugänglich sind.
Die Spektren von Sternen enthalten üblicherweise ausschließlich Absorptionslinien, während leuchtende Gasnebel Beispiele für kosmische Objekte darstellen, deren Spektrum Emissionslinien enthalten. Ursache hierfür ist die (theoretisch hergeleitete) Tatsache, dass Absorptionslinien nur dann auftreten können, wenn die das Licht verursachende Materie heißer ist als die chemischen Elemente, die dem Licht quasi ihren „Stempel“ in Form eben jener Absorptionslinien aufdrücken (für Emissionslinien gilt die umgekehrte Beziehung).
Die Möglichkeiten der Spektralanalyse
Über das Innere eines Sterns kann die Spektralanalyse keine Informationen liefern, da die Absorptionslinien erst durch Wechselwirkung des Lichts mit den äußersten Schichten der Sternenatmosphäre entstehen – nur über diesen Randbereich eines Sterns können damit also Erkenntnisse gewonnen werden. Allerdings sind mit dieser Untersuchungsmethode nicht nur Aussagen darüber möglich, ob ein bestimmtes Element in der Atmosphäre eines Sterns vorhanden ist: Gerade die hierüber hinaus gehenden Möglichkeiten sind es, die den Reiz, aber auch die Schwierigkeit der Spektralanalyse ausmachen.
Die Verschiebung von Absorptionslinien im Spektrum eines Himmelskörpers lässt aufgrund des Doppler-Effekts (= Frequenzverschiebung durch Bewegung des emittierenden Objektes) Rückschlüsse über die Geschwindigkeit zu, mit der sich dieser Himmelskörper auf uns zu oder von uns weg bewegt. Ebenso können Aussagen über Temperatur und Dichte eines Elements, dessen charakteristische Spur sich in einem Spektrum finden lässt, gemacht werden. Auch magnetische Felder oder um den untersuchten Stern kreisende Partnersterne hinterlassen Spuren, die ausgewertet werden können.
Die Spektralanalyse stellte insgesamt einen derartigen Fortschritt bei der physikalischen und chemischen Untersuchung kosmischer Objekte dar, dass ihre Entwicklung den Übergang von der klassischen Astronomie (die sich auf die Beobachtung von Anzahl und Bewegungen der Himmelskörper beschränkte) zur Astrophysik markierte.