SpaceX CRS-23 als Auftakt zu „Cosmic Kiss“

SpaceX CRS-23 ist eine ISS-„Versorgungsmission“ – der insgesamt 23. kommerzielle Start des Raumtransporters Dragon des zwischen der NASA und SpaceX abgeschlossenen Frachtauftrags für die Raumstation. An Bord sind erste Experimente für Mission von Matthias Maurer. Der deutsche ESA-Astronaut soll für etwa sechs Monate in rund 400 Kilometern Höhe im gemeinsam von US-Amerikanern, Russen, Europäern, Japanern und Kanadiern bewohnten „Außenposten der Menschheit im All“ leben und arbeiten. 36 Experimente aus Deutschland sind für seine Mission „Cosmic Kiss“ vorgesehen. Eine Pressemitteilung des Deutsche Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Quelle: DLR.

Cosmic Kiss – eine Liebeserklärung an die Raumfahrt. (Bild: ESA)

27. August 2021 – „Für uns ist diese Versorgungsmission besonders wichtig, weil acht deutsche Experimente mit SpaceX-CRS 23 zur ISS fliegen, mit denen Matthias Maurer während seiner Mission arbeiten wird“, erklärt Volker Schmid, ISS-Fachgruppenleiter und „Cosmic Kiss“-Missionsleiter in der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Bonn. „An Bord sind fünf wissenschaftliche Experimente aus den Bereichen Medizin, Materialwissenschaften und Physik und zudem drei Experimente aus dem Bereich Nachwuchs- und Schulprojekte.“

Hier die vom DLR beigestellten Experimente von SpaceX-CRS 23 auf einen Blick:

Thermo Mini – Körperkerntemperatur überwachen

Mit dem Thermo-Mini-System können Wissenschaftler kontinuierlich die Körperkerntemperatur von Astronautinnen und Astronauten aufzeichnen. Denn der Aufenthalt im All und dortige Aktivitäten führen zu einem signifikanten Anstieg der Körperkerntemperatur. Die genauen Ursachen hierfür sind bislang unbekannt. Der Temperaturanstieg stellt eine potenzielle Gefahr dar. Thermo-Mini besteht aus Sensoren und einem Stirnband, das einfach getragen werden kann und kontinuierlich die Körperkerntemperatur beobachtet. Während der 36. DLR-Parabelflugkampagne im Juni 2021 wurde das Thermo-Mini-Modell für seinen Einsatz in Schwerelosigkeit getestet. Wissenschaftlicher Hauptpartner bei Thermo-Mini ist die Charité Universitätsmedizin in Berlin, Industriepartner sind die KORA GmbH und die Dräger GmbH, die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR stellt die Hardware.

Retinal Diagnostics – Veränderungen der Sehnerven erkennen

Zu den Technologietests, die Matthias Maurer während seiner Mission auf der ISS durchführen wird, gehört das Technologietransferprojekt „Retinal Diagnostics“, bei dem aus der Forschung des DLR-Institutes für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln eine mobile, KI-gestützte Diagnostik zur Augengesundheit von Astronautinnen und Astronauten entwickelt wird. Veränderungen an den Sehnerven sind eine der schwerwiegendsten Beeinträchtigungen, die durch Schwerelosigkeit auftreten können. Die Untersuchungen sind aber auch für die neurologische Notfallmedizin auf der Erde bedeutsam. Bei dem Einsatz auf der ISS soll daher zur Vorsorge und Diagnostik der Sehnervenkopf mithilfe von Aufnahmen mit einer sehr kleinen, leichten Kamera vermessen werden. So sollen Veränderungen nachverfolgt, aber auch der Erfolg eingesetzter Gegenmaßnahmen ermittelt werden. Zukünftig soll das Gerät mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz selbsttätig feststellen können, ob entsprechende Veränderungen am Auge vorliegen. Die Lösung dieses Problems ist von entscheidender Bedeutung für künftige Mond- und Marsmissionen. Beteiligte sind das DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, das DLR Technologiemarketing und das Europäische Astronautenzentrum EAC in Köln.

MetabolicSpace – Atemgas-Analyse zeigt Leistungsfähigkeit

Ziel von MetabolicSpace, einem industriemotivierten Experiment, ist die Entwicklung eines persönlichen, smarten, am Körper tragbaren Atemgas-Analyse-Systems, das die Beweglichkeit nicht einschränkt. Es soll einfach bedienbar sein, Daten automatisch auswerten und die körperliche Leistungsfähigkeit feststellen. Hierzu wird ein kardiovaskuläres Belastungsprofil entwickelt, so dass Astronautinnen und Astronauten nicht an ihrer Belastungsgrenze trainieren müssen.

Die bisherigen Systeme bestehen aus einem Maskensystem, welches am Kopf oder an einem Gestänge befestigt ist. Über Schläuche werden die Gase zu einer externen Einheit abgesaugt und in dieser durch verschiedene Sensoren analysiert. Die Schläuche zwischen Maske und externer Einheit erlauben dabei kein frei bewegliches Training und das Leistungsverhalten wird verfälscht. Verfahren zur automatischen Datenauswertung mit Selbstdiagnosefunktion und einfach verständlicher Anzeige, insbesondere für den nicht medizinischen Sportbereich, werden am Markt bisher nicht angeboten.
Die Erkenntnisse können auch für Leistungssportler genutzt werden. Partner sind das Institut für Luft- und Raumfahrttechnik der Technischen Universität Dresden und die CORTEX Biophysik GmbH, Leipzig.

Touching Surfaces – antimikrobielle Oberflächen im Test

Langzeitaufenthalte von Astronautinnen und Astronauten in einer Raumstation führen dazu, dass sich aus den mitgeschleppten Mikroorganismen eine eigene Mikroflora entwickelt. Dies kann Auswirkungen auf die Gesundheit der Astronauten haben – insbesondere, wenn sich die Zusammensetzung der Mikroflora unter den Bedingungen des Weltraumfluges verändert. Zudem hat sich gezeigt, dass entstehende Biofilme sogar zu Materialschäden führen können. Bei „Touching Surfaces“ werden neuartige Oberflächen auf deren antimikrobielle Wirksamkeit unter Weltraumbedingungen untersucht und getestet. Solche „bioziden“ Oberflächen können zukünftige Maßnahmen zur Kabinenhygiene im All und auf der Erde maßgeblich unterstützen. Diese neuen Oberflächen können in allen Bereichen eingesetzt werden, wo antibakterielle Hygiene eine Rolle spielt. Beteiligte sind das DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, die Universität des Saarlandes, das University College London und die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

BIOFILMS – Entstehung bakterieller Biofilme verstehen

Mit dem Experiment BIOFILMS werden auf der ISS neuartige, antimikrobielle metallische Oberflächen auf die Bildung von bakteriellen Biofilmen hin untersucht. Mittels Laser-Technologie wurden vorbereitend Nano-Strukturen auf verschiedenen Oberflächen erzeugt, die verhindern, dass sich Bakterien auf den Oberflächen ansiedeln sollen. Ziel ist es, unter Weltraumbedingungen die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Oberflächen und den Bakterien/Biofilmen zu analysieren. Übergeordnetes Ziel ist die Eindämmung der Kontamination mit Mikroorganismen in der Raumfahrt und die Verhinderung von Materialschädigungen. Diese Verfahren dienen dem grundlegenden Verständnis der Bildung von Biofilmen und können auch eine Rolle bei der Reduktion von Keimbelastungen beispielsweise in Krankenhäusern oder in der Industrie spielen.

Partner sind die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR, das DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, die Universität des Saarlandes und die ESA.

Nationale Grundschulaktion „Space Seeds II – Weltraumblumen beobachten“

Nationale Grundschulaktion „Space Seeds II – Weltraumblumen beobachten“. (Bild: DLR (CC BY-NC-ND 3.0))

Bei der Mitmach-Aktion „Space Seeds II“ forschen Grundschulkinder mit Wildblumensamen, die mit SpaceX-CRS-23 zur ISS fliegen und nach der Cosmic Kiss-Mission wieder zur Erde zurückkehren. Wie haben die Samen die Reise ins All überstanden? Dazu findet ein Schulwettbewerb im Schuljahr 2022/23 statt. Teilnehmen dürfen Grundschulkinder der dritten und vierten Klassen. Die Klassen erhalten neben begleitendem Unterrichtsmaterial die „Space Seeds“ aus dem All und Vergleichssamen zum Aussäen und Beobachten. Kinder werden so selber zu Forschenden und gleichzeitig sensibilisiert für das Thema Biodiversität und den Schutz unseres einmaligen Planeten. Beteiligte Partner sind die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR, die Rieger-Hofmann GmbH und das BioTESC an der Universität Luzern (Schweiz).

Einmal Weltraum und zurück – über 1.000 Kinder „umkreisen“ die Erde an Bord der ISS

„Hand in Hand um die Welt“ – unter diesem Titel hatte das DLR im Herbst 2020 zu einer großen Mitmach-Aktion aufgerufen. Hierbei haben trotz der schwierigen Corona-Rahmenbedingungen in den Schulen über 1.000 Grundschulkinder ab der 3. Klasse ihr eigenes „Klassen-Selfie“ gemalt. Dabei mussten sich alle Kinder so zeichnen, dass sie sich in einer langen Reihe die Hände geben, so dass aus den 30 Gewinner-Bildern auf einem zehn Meter langen Textilstreifen zusammengefügt eine Menschenkette entsteht. Dieser Textilstreifen fliegt jetzt ebenso an Bord von SpaceX CRS-23 zur Internationalen Raumstation ISS. Aber auch alle anderen Kinder, die mitgemacht haben, sind Gewinner: Denn auch ihre Bilder werden mit an Bord der ISS sein – und zwar in digitaler Form auf einem USB-Stick gespeichert. Beteiligte: DLR-Standort Braunschweig, Ausbildung Feinwerkmechaniker und DLR_School_Lab

Dzhanibekov-Experiment – Faszination Rotation in Schwerelosigkeit

Ein verblüffender Effekt, den schon der Kosmonaut Dzhanibekov 1985 im All bemerkte, wird bei diesem Experiment genauer untersucht – und zwar mit verschiedenen Duplo-Figuren. Es geht dabei um die seltsame Taumelbewegung eines mehrachsigen Objektes. Dabei wechselt sich die scheinbar stabile Rotation plötzlich mit einem schnellen Wenden und Kippen der Drehachse ab. Der Versuch wird auch dazu genutzt, Jugendliche für die oftmals überraschende „Welt der Physik“ zu begeistern. Partner sind die Wilhelm-Löhe-Schule in Nürnberg, das DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum und ESA Education.

Weitere Experimente der „Cosmic Kiss“-Mission werden im November mit dem Start von Matthias Maurer zur ISS gebracht sowie mit dem nachfolgenden Versorgungsflug SpaceX CRS-24, der voraussichtlich im Dezember 2021 startet.

Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum:

Nach oben scrollen