Die Technologie des Space Launch System, in einer dreiteiligen Artikelreihe. Teil 2: Die Booster.
Autor: Martin Knipfer.
Die beiden Booster des Space Launch Systems (SLS) sind an den Seiten der Kernstufe befestigt und dienen dazu, mit einem hohen Schub das SLS – gemeinsam mit den Triebwerken der Kernstufe – anzutreiben. Um diesen Schub zu erzeugen, wird von den Boostern fester Treibstoff verwendet. Noch basieren diese Feststoffbooster des SLS auf den 5-Segment-Boostern, die im Zuge des Constellation-Programms für die Ares-Trägerraketen entwickelt wurden. Letztere wiederum basieren auf den Feststoffboostern (Solid Rocket Boosters, SRBs) des Space Shuttles. Doch dabei soll es nicht bleiben: Es wurden bereits Pläne für verbesserte Booster vorgestellt.
Der 5-Segment-Feststoffbooster des SLS besteht aus zwei Hauptkomponenten:
1. Motor
Der Motor des Feststoffboosters dient dazu, festen Treibstoff aufzubewahren und ihn zu verbrennen, um Schub zu erzeugen. Für diesen Zweck verfügt er über fünf Segmente, die mit festem Treibstoff gefüllt sind. Jedes dieser Segmente ist zylinderförmig, je 8,28 m lang, 3,51 m im Durchmesser und mit etwa 125 t festem Treibstoff gefüllt. Die Gehäuse dieser Segmente verfügen über dicke Stahlwände. Auf der Innenseite sind mehrere Matten Isoliermaterial angebracht, dessen Formel nun auf den giftigen Stoff Asbest verzichtet. Die Isolierung soll Hitze abhalten und so dafür sorgen, dass keine wichtige Hardware schmilzt. Der Treibstoff, mit dem die einzelnen Motorsegmente gefüllt sind, besteht zu 69,6 % aus Ammoniumperchlorat als Oxidator, zu 16 % aus atomarem Aluminium (Treibstoff), zu 12,04 % aus dem Polymer HTPB (Bindemittel), zu 0,4 % aus Eisenoxid (Katalysator) und zu 1,96 % aus Epoxid- Härtungsmittel. Im oberen Segment hat er in der Mitte eine Lücke in Form eines zwölfzackigen Sterns, in den vier unteren eine in Form eines Doppelkegelstumpfes. Dadurch wird eine Art „Kanal“ gebildet, durch den die Abgase des verbrennenden Feststoffs den Motor verlassen können. Oben auf dem Motor sitzt der Zünder, der dazu dient, die nötige Energie für die Zündung des Feststoffmotors zu erzeugen. Unter dem Motor sitzt eine vergrößerte, schwenkbare Düse, mit der die Ausströmrichtung des Schubstrahls gesteuert werden kann.
2. Struktur und Hilfskomponenten
Damit die Kraft dieses Motors kontrolliert werden kann, sind am Feststoffbooster zusätzliche Vorrichtungen nötig. Neben der zylinderförmigen Hülle um den Motor herum gibt es eine ebenfalls zylinderförmige obere Verkleidung, eine kegelförmige Spitze über ihr und eine kegelstumpfförmige Verkleidung unter dem Motor. Unterhalb der aerodynamischen Spitze befand sich beim Shuttle-Einsatz ein Fallschirmsystem, mit dem die Booster geborgen werden konnten (es wird bei SLS-Flügen nach aktuellem Planungsstand wahrscheinlich nicht eingebaut werden). Komplett neue, für den Einsatz im SLS ausgelegte moderne Avioniksysteme sind in der oberen Verkleidung zu finden. Diese elektronischen Systeme werden die Booster zünden, steuern und abwerfen. Sie bestehen aus mehreren Computersystemen und Batterien und sind aus Sicherheitsgründen redundant ausgelegt. Sollte also ein Fehler auftreten, existiert ein Ersatzsystem, das dazu in der Lage ist, den Booster weiterhin zu steuern. In der unteren Verkleidung befinden sich die Systeme zur Schubvektorsteuerung. Mit ihr kann die Düse des Boosters geschwenkt und so die Flugbahn gesteuert werden. Dazu gibt es zwei HPUs (Hydraulic Power Units), die aus einem Hydrazin-Motor, dem Treibstoff für diesen Motor, einer Hydraulik-Pumpe und einem Reservoir für die eingesetzte Hydraulikflüssigkeit bestehen. Der Hydrazin-Motor treibt die Hydraulik-Pumpe an, die die Flüssigkeit in einen der beiden Hydraulikkolben pumpt. Dieser Kolben ist direkt an der Düse angeschlossen. Je nach dem, wie viel Flüssigkeit in den Kolben gepumpt wird, stellt sich die Neigung der Düse ein. Auch dieses System wird nahezu unverändert von den SRB des Space Shuttle übernommen.
Von der Fabrik zum Startplatz
Zunächst wird in der OrbitalATK-Fabrik in Utah auf die Innenseite der Gehäuse der einzelnen Segmente die Isolierung aufgetragen. Danach wird eine Form in der Mitte dieses Gehäuses platziert und der Treibstoff eingefüllt, der vorher mithilfe eines Mixers gemischt wurde. Nachdem der Treibstoff ausgehärtet ist, wird die Form entnommen, sodass in der Mitte des Treibstoffs ein Kanal verbleibt. Daraufhin wird auf das obere Ende des untersten Segmentes und das untere Ende des obersten Segmentes eine Trennschicht aufgetragen. Als nächstes werden die einzelnen Segmente durch Ultraschall und Röntgenstrahlung auf mögliche Mängel inspiziert, bevor sie per Zug zum Kennedy Space Center in Florida transportiert werden. Dort werden dann die einzelnen Segmente zusammen mit den Verkleidung zu einem fertigem Booster zusammengebaut.
Technische Daten: 5-Segment-Feststoffbooster
Hersteller: Allied Techsystems (ATK)
Startmasse: 731,885 t
Treibstoffmasse: 631,495 t
Höhe: 53,87 m
Durchmesser: 3,71 m
Spezifischer Impuls (Meereshöhe): 237s
Startschub: etwa 14 MN
Brennzeit: 128 s
Diese Booster sollen nicht bei allen künftigen SLS-Flügen zum Einsatz kommen: Um die Kosten zu senken und die Sicherheit und Nutzlast des SLS zu erhöhen, fördert die NASA die Entwicklung verbesserter Booster. Solche sollen in Zukunft bei der Block-II Variante des SLS zum Einsatz kommen, dessen projektierte Nutzlast in den LEO (Low Earth Orbit, niedrige Erdumlaufbahn) von 130 t sonst nicht erreicht werden kann. Für diese verbesserten Booster, deren Entwicklung im Rahmen des Advanced Booster Engineering Demonstration and Risk Reduction-Programms gefördert werden, gibt es bereits drei verschiedene Konzepte. Eine Entscheidung der NASA, welches tatsächlich mit dem SLS zum Einsatz kommen soll, steht noch aus.
1. Dynetics und Pratt and Whitney
Diese Firmen schlagen vor, das legendäre F1-A Triebwerk, welches bereits in der Mondrakete Saturn V eingesetzt wurde, erneut zu fertigen und für ihren neuen Booster zu verwenden. Dieser „Pyrios“ genannte Booster soll zwei verbesserte F1-B Triebwerke verwenden. Der größte Unterschied zu den 5-Segment-Boostern wäre, dass statt festem Treibstoff flüssiger, nämlich RP1 und LOX (Kerosin und flüssiger Sauerstoff), verwendet wird. Für das F1- B Triebwerk sollen der Herstellungsprozess modernisiert, die Turbopumpe vereinfacht, die Form der Düse optimiert sowie eine Vorrichtung zur Drosselung des Schubs, eine neue Brennkammer und eine neue Wand der Düse eingebaut werden. Durch die Verwendung einer Rührreibschweißanlage, die ursprünglich für die gestrichene Ares 1-Rakete gebaut wurde, sollen Kosten gespart werden. Mit Pyrios´ würde die projektierte Nutzlast von 130 t in den LEO sogar um 20t überboten. Diese Flüssigkeitsbooster hätten einen Durchmesser von 5,5m und würde aus Aluminium 2219 gebaut werden.
2. Allied Techsystems (ATK)
Im Gegensatz zu Dynetics` revolutionärem Ansatz schlägt die Herstellerfirma des bisherigen Boosters ATK ein eher evolutionäres Konzept vor. Ihr „Batman“ -Booster soll weiterhin festen Treibstoff verwenden. Anders als beim 5-Segment-Booster soll die äußere Hauptstruktur jedoch nicht aus Stahl, sondern aus Verbundwerkstoffen bestehen. Außerdem will man einen energiereicheren Treibstoff, eine elektrische Schubvektorsteuerung, modulare Avioniksysteme und eine aerodynamisch besser geformte Spitze, ähnlich der der Ariane 5, zum Einsatz bringen. Neben diesen Verbesserungen sollen fortschrittliche Fertigungstechniken dazu beitragen, dass Batman laut Hersteller 40 % niedrigere Produktionskosten, eine um 23,5 % höhere Sicherheit und 15,1 t mehr Nutzlast gegenüber den 5-Segment-Boostern haben wird. Auch soll der Zeitaufwand, um den Booster zu fertigen, halbiert werden. Ein Batman-Booster soll etwa 53,5 m lang, 3,71 m im Durchmesser und fast 800 t schwer sein.
3. Aerojet und Teledyne Brown
Diese Firmen entwickeln genauso wie Dynetics Booster mit flüssigem Treibstoff. Die Triebwerke dieses Boosters sollen jedoch nicht aus der amerikanischen, sondern aus der russischen Mondrakete, der N-1, stammen. Zwei dieser NK-33 genannten Triebwerke treiben bereits Orbitals Trägerrakete Antares an. Für den Einsatz am SLS plant man pro Booster acht dieser Triebwerke, deren Schub auf 2,2 MN gesteigert werden soll. Auch der Einsatz eines AJ-1 RP-1 Triebwerks wurde vorgeschlagen. Für diese Alternative würden nur vier Triebwerke benötigt werden.