Der Amateurastronom und Astronomiestudent Marcin Kusiak entdeckte auf Aufnahmen des europäisch-amerikanischen Sonnenbeobachtungssatelliten SOHO den mittlerweile 2.000sten Kometen, welcher seit dem Start der Raumsonde auf deren Abbildungen der näheren Umgebung der Sonne identifiziert werden konnte.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: NASA.
Während die Menschen auf der Erde die diesjährigen Weihnachtsfeiertage begingen und sich auf die Feierlichkeiten zum Jahreswechsel vorbereiteten, hat das von der europäischen Weltraumagentur ESA und der amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebenen Sonnenobservatorium SOHO einen weiteren Meilenstein seiner inzwischen 15-jährigen Forschungsaktivität erreicht. Auf Aufnahmen der Raumsonde, welche die nähere Umgebung der Sonne abbilden, konnte der mittlerweile 2.000ste Komet identifiziert werden, welcher mit Hilfe der SOHO-Bilder seit dem Start am 2. Dezember 1995 entdeckt wurde.
Damit ist SOHO der bisher erfolgreichste „Kometenjäger“ aller Zeiten – eine Tatsache, die umso erstaunlicher ist, da die Aufgabe dieser Raumsonde eigentlich ausschließlich in der Beobachtung unseres Zentralgestirns besteht. Möglich werden die in steter Regelmäßigkeit erfolgenden Kometenentdeckungen durch eine spezielle Kamera an Bord von SOHO. LASCO, so die Abkürzung für den Large Angle and Spectrometric Coronagraph, beobachtet die über dem Rand der Sonne befindliche Korona der Sonne, indem das direkt von der Sonne ausgehende Licht dabei durch eine kreisförmige Scheibe ausgeblendet wird. Die auf diese Weise gewonnenen Bilder werden von den Forschern für die Untersuchung der Korona benutzt, welche ansonsten von der ungleich helleren Sonne überstrahlt würde.
Der Anblick der dabei entstehenden Bilder ist vergleichbar mit dem Anblick der Sonne bei einer totalen Sonnenfinsternis. Außer der Sonnenkorona sind direkt neben der Sonne auch Planeten unseres Sonnensystems und Hintergrundsterne erkennbar. Zusätzlich werden vor dem Hintergrund der gleißend hellen Sonnenkorona aber auch immer wieder Kometen sichtbar. Die meisten dieser Kometen, die aktuelle Zahl beläuft sich auf rund 85 Prozent, werden von den Astronomen der sogenannten Kreutz-Gruppe zugeordnet. Die Mitglieder dieser Kometengruppe verfügen über einen sehr engen Orbit um die Sonne und so kam es in den vergangenen Jahren bereits mehr als einmal vor, dass SOHO den gleichen Kometen mehrmals „entdeckte“. Oftmals zwingt der Orbit diese Kometen jedoch in eine so enge Bahn um die Sonne, dass sie bei der Annäherung auf Kollisionskurs geraten und in deren Photosphäre stürzen.
Allerdings wurden bei weitem nicht alle der bisher bestätigten 2.000 SOHO-Kometen von professionellen Wissenschaftlern entdeckt. Für einen Großteil der Neuentdeckungen ist vielmehr eine immer größer werdende internationale Community von Hobby-Astronomen verantwortlich. Die von dem Sonnenobservatorium aufgenommenen Bilder werden direkt in das Internet gestellt und sind anschließend für die interessierte Öffentlichkeit frei zugänglich. Kometenjäger können diese allerdings nicht nachbearbeiteten Bilder direkt auf ihre Computer laden, anschließend auswerten und so auch die Kometen entdecken.
Seit dem Start der Raumsonde haben dabei über 70 Amateurastronomen aus 18 Ländern an der Auswertung mitgewirkt und den professionellen Wissenschaftlern mit ihrer Zeit, ihrem Enthusiasmus und ihren Computerkapazitäten aktiv unter die Arme gegriffen. „Seit dem Start am 2. Dezember 1995 konnte SOHO auf diese Weise die Anzahl der in den letzten 300 Jahren bekannten Kometen mehr als verdoppeln“, so der für die NASA verantwortliche Projektmanager Joe Gurman vom Goddard Space Flight Center in Greenbelt/USA.
Die Kometen Nummer 1.999 und 2.000 konnte dabei Michal Kusiak, ein Astronomiestudent von der Jagiellonen-Universität im polnischen Krakau, auf Bildern ausmachen, welche die Sonde am 26. Dezember 2010 aufgenommen hatte. Michal Kusiak entdeckte „seinen“ ersten SOHO-Kometen bereits im November 2007. Seitdem hat er auf den Aufnahmen des Sonnenobservatoriums mehr als 100 weitere Kometen ausgemacht.
„Es gibt eine Menge von Leuten, die dies tun“, so Karl Battams vom Naval Research Laboratory in Washington/ USA. „Sie erledigen dies auf freiwilliger Basis, sie gehen dabei äußerst gründlich vor und wenn sie diese Tätigkeit nicht absolvieren würden, dann würden die meisten dieser Kometen niemals erkannt werden.“ Karl Battams ist für die endgültige Auswertung der von den Freiwilligen getätigten Analysen der Bilder zuständig. Er erhält die Berichte der Leute, welche annehmen, auf den SOHO-Aufnahmen neue Kometen entdeckt zu haben. Anschließend wertet er diese Berichte und die dazu gehörigen Aufnahmen aus, bestätigt diese gegebenenfalls, versieht die Kometen mit vorläufigen Katalog-Nummern und reicht die entsprechenden Auswertungen an das Minor Planet Center (MPC) in Cambridge/USA weiter, welches für die Katalogisierung von Kleinkörpern innerhalb des solaren Sonnensystems und der Bestimmung von deren jeweiligen Umlaufbahnen zuständig ist.
Für die Entdeckung der ersten 1.000 Kometen auf SOHO-Aufnahmen wurden noch 10 Jahre benötigt. Für die nächsten 1.000 Entdeckungen waren dagegen lediglich weitere fünf Jahre erforderlich. Teilweise beruht dieser gesteigerte Erfolg auf einer mittlerweile zahlenmäßig größeren Beteiligung von Amateurastronomen und einer Optimierung der dabei angewandten Bildauswertungsverfahren. Zusätzlich, so die Wissenschaftler der NASA, scheint aber auch die Zahl der Kometen, welche gegenwärtig in die Nähe der Sonne geraten, systematisch zugenommen zu haben. Alleine im Dezember 2010 konnten so bisher 37 neue Kometen identifiziert werden.
„Mit diesen Neuentdeckungen kommt definitiv eine Menge an wissenschaftlicher Arbeit auf uns zu“, so Karl Battams, welcher darüber aber sehr wahrscheinlich nicht wirklich enttäuscht sein dürfte. „Zuerst einmal wissen wir jetzt jedenfalls, dass es viel mehr Kometen im Bereich des inneren Sonnensystems gibt, als bisher von uns angenommen. Diese Kenntnis ermöglicht dabei zugleich Rückschlüsse über die Herkunft dieser Objekte und die Prozesse, welche zu deren Entstehung beigetragen haben.“
Dabei werden zumindestens die der Kreutz-Gruppe zugehörigen Kometen nach wie vor einem einzelnen großen Ursprungsobjekt zugeordnet, welches wohl vor mehreren hundert Jahren in unzählige Einzelobjekte zerborsten sein muss.
Bei den meisten Mitgliedern der Kreutz-Gruppe handelt es sich um sogenannte Sungrazer, Kometen, welche der Sonne auf ihrer Umlaufbahn extrem nahe kommen beziehungsweise sich dabei sogar direkt durch die Korona der Sonne bewegen. Durch die dabei auftretenden Gezeitenkräfte werden diese Kometen oftmals auseinandergerissen. Viele dieser „Sonnenstreifer“ verfügen dabei nur über Durchmesser von 10 Metern oder weniger. Trotzdem ist der LASCO-Koronograf in der Lage, diese abzubilden.
Wurde eventuell auch Ihr Interesse geweckt? Auch Sie können sich aktiv an der Suche nach weiteren SOHO-Kometen beteiligen. Informationen für die aktive Suche nach diesen Kometen finden Sie hier. Die aktuellsten Bilder von SOHO sind hier einzusehen.
Nicht alle dieser Kometen sind „Sungrazer“ und somit potentielle Todeskandidaten auf der Liste der bisher bekannten Kometen. Einige Mitglieder der Kreutz-Gruppe erreichen trotz eines Abstandes von der Sonne, welcher einen erneuten Umlauf um diese ermöglicht, sogar eine beachtliche Helligkeit. Der prominenteste Vertreter dieser Kategorie dürfte dabei der Komet C/1965 S1 Ikeya-Seki sein. Dieser näherte sich im Herbst 1965 der Sonne bis auf eine Distanz von lediglich 450.000 Kilometer an. Dabei erreichte er eine scheinbare Helligkeit von -10 mag und war somit sogar am Tageshimmel deutlich erkennbar.
Ein weiterer bekannter Komet, welcher auf seinem Orbit um die Sonne regelmäßig von SOHO registriert wird, ist 99P Machholz. Dieser kurzperiodische Komet benötigt für einen Sonnenumlauf in etwa sechs Jahre. Mittlerweile geriet er dabei bereits drei Mal in den Aufnahmebereich von LASCO.
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