Ungefähr alle 26 Monate erreicht der Mars am Himmel eine Position, welche ihn von der Erde aus betrachtet mehr oder weniger direkt hinter das Zentralgestirn unseres Sonnensystems führt. Diese spezielle Himmelskonstellation, welche auch als Sonnenkonjunktion bezeichnet wird, hat zur Folge, dass alle zu dieser Zeit auf oder um den Mars herum aktiven Sonden und Rover für einen Zeitraum von etwa drei bis hin zu fünf Wochen weitestgehend inaktiv sind. Genau dieser Fall ist jetzt wieder eingetreten.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, USGS, ESA, ISRO. Vertont von Peter Rittinger
Bei einer ‚Sonnenkonjunktion‘ befindet sich der Mars von unserem Heimatplaneten aus betrachtet in einer Entfernung von weniger als zwei Grad zu der Sonne. Aufgrund dieser speziellen, etwa alle 26 Monate eintretenden Planetenkonstellation ist die Datenübertragung zwischen der Erde und den in einer Umlaufbahn um den Mars operierenden Raumsonden oder einem direkt auf der Oberfläche aktiven Rover für einen Zeitraum von mehreren Wochen stark beeinträchtigt oder sogar unmöglich, da die von der Sonne ausgehende solare Strahlung die Funksignale, welche regelmäßig zwischen der Erde und den ‚Marskundschaftern‘ hin und her gesandt werden müssen, zu sehr stört.
Eingeschränkte Kommunikation und Aktivität
Um den Empfang von unvollständigen oder gar ‚verstümmelten‘ und damit fehlerhaften Kommandosequenzen zu vermeiden, werden den aktiven Marsorbitern und -rovern von ihren Bodenstationen auf der Erde bereits im Vorfeld einer Sonnenkonjunktion spezielle Kommandos übermittelt, welche von diesen in den folgenden Wochen autonom ausgeführt werden. In der Regel haben diese Befehle zur Folge, das die jeweiligen wissenschaftlichen Aktivitäten auf ein Minimum reduziert werden. Während der Wochen rund um die Hauptphase der Konjunktion – der diesjährige Höhepunkt wird am 14. Juni 2015 erreicht, wobei sich der Mars weniger als 0,5 Grad von der Sonne entfernt befinden wird – verzichten die für den Betrieb der Marskundschafter verantwortlichen Weltraumagenturen sogar gänzlich auf die Übermittlung von weiteren Instruktionen.
Derzeit befinden sich fünf aktive Orbiter in einer Marsumlaufbahn und zwei aktive Rover auf dessen Oberfläche, welche von drei Weltraumagenturen betrieben werden. NASA und ESA haben bei vorherigen Sonnenkonjunktionen bereits entsprechende Erfahrungen gesammelt. Neu in der Riege der ‚in situ‘-Marsforscher ist dagegen die indische Raumfahrtbehörde ISRO, deren erste Marsmission – der Marsorbiter Mangalyaan – erst am 24. September 2014 in eine Marsumlaufbahn eintrat.
ISRO
Bereits am 8. Juni 2015 gab die ISRO bekannt, dass aus den weiter oben erwähnten Sicherheitsgründen in dem Zeitraum zwischen dem 27. Mai und dem 1. Juli keine Kommunikation mit der Raumsonde Mangalyaan erfolgen wird. In diesem Zeitraum werden auch die fünf Instrumente der Raumsonde außer Betrieb sein und keine Daten sammeln. Zwischenzeitlich anfallende Telemetriedaten sollen im Bordcomputer des Orbiters gespeichert und erst nach dem 1. Juli zur Erde transferiert werden. Die zuletzt empfangenen Telemetriewerte zeigten, dass sich Mangalyaan in einem guten technischen Zustand befindet, so dass in den kommenden Wochen nicht mit dem Auftreten von Problemen zu rechnen ist.
ESA
Die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express befindet sich mittlerweile seit dem 25. Dezember 2003 in einer Marsumlaufbahn und hat somit bereits mehrere Sonnenkonjunktionen gut überstanden. Aber auch diese Raumsonde hat den primären wissenschaftlichen Betrieb bereits am 24. Mai eingestellt und soll ebenfalls erst am 1. Juli wieder den normalen Beobachtungsbetrieb aufnehmen.
Der Zeitraum zwischen dem 25. und dem 28. Mai wurde jedoch noch genutzt, um verschiedene Subsysteme der Raumsonde – speziell handelte es sich dabei um die für die Energieversorgung benötigten Solarzellen, die Batterie, das interne Heizsystem und das Kommunikationssystem – einer ausführlichen Überprüfung zu unterziehen. Die für die Sonnenkonjunktion notwendigen Befehle wurden am 27. und 28. Mai über das ESTRACK-Kommunikationsnetzwerk der ESA an Mars Express übermittelt. Diese Kommandos enthielten unter anderem Anweisungen für das für die Lage- und Bahnsteuerung der Raumsonde verantwortliche „attitude and orbit control system“ und sollen sicherstellen, dass Mars Express auch in den Wochen der Konjunktion ohne ein Eingreifen des Kontrollteams ‚auf Kurs‘ bleibt.
NASA
Noch mehr Erfahrung mit Sonnenkonjunktionen als die ESA hat die US-amerikanische Weltraumbehörde NASA, welche aktuell mit gleich zwei Rovern und drei Orbitern auf beziehungsweise um den Mars herum vertreten ist. Die NASA hat bereits am 3. Juni 2015 mitgeteilt, dass in dem Zeitraum zwischen dem 7. und dem 21. Juni keinerlei neue Kommandos an ihre Marsorbiter und -rover übermittelt werden sollen. Auch in den Tagen unmittelbar davor und danach erfolgt nur eine stark eingeschränkte Kommunikation. Unabhängig davon sollen die Orbiter und Rover jedoch während der Konjunktion zumindest ein minimales Arbeitspensum absolvieren und dabei wenigstens einige Daten sammeln.
„Im Allgemeinen basieren unsere diesjährigen Planungen auf den Erfahrungen aus unserer Vorgehensweise bei der letzten Konjunktion vor zwei Jahren, welche gut funktioniert hat“, so Nagin Cox vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, welche dort als Systemingenieurin für die Marsrover-Mission Curiosity für die Planungen der diesjährigen Konjunktionsphase verantwortlich war. „Es ist sehr hilfreich, dass wir das alles schon einmal miterlebt haben.“
Erst am 22. September 2014 erreichte MAVEN, der jüngste der drei NASA-Marsorbiter, seine Umlaufbahn um unseren Nachbarplaneten und dessen Team hat somit weitestgehend keine direkten Erfahrungen bezüglich einer Sonnenkonjunktion. Trotzdem soll MAVEN auch in den kommenden Wochen weiterhin Messungen durchführen und so zum Beispiel kontinuierlich den Sonnenwind untersuchen, welcher die äußeren Atmosphärenschichten des Mars in den kommenden Wochen erreicht, und dessen Stärke aufzeichnen.
„Diese Daten werden zunächst gespeichert und erst dann zur Erde übermittelt, wenn die Konjunktionsphase vorüber ist“, so James Morrissey, der stellvertretende Projektmanager der MAVEN-Mission am Goddard Space Flight Center (GSFC) der NASA in Greenbelt im US-Bundesstaat Maryland.
Deutlich mehr Routine im Umgang mit einer solaren Konjunktion haben die Mitarbeiter der NASA-Marsorbiter Mars Odyssey und Mars Reconnaissance Orbiter (kurz MRO), für die das diesjährige Ereignis bereits die sechste beziehungsweise fünfte Sonnenkonjunktion darstellt. Beide Orbiter werden auch in den kommenden Wochen ihre jeweiligen Beobachtungen in einem eingeschränkten Modus fortsetzen und sollen die dabei gewonnenen Daten zudem auch weiterhin im gewohnten Turnus über das Deep Space Network der NASA zur Erde übertragen.
Allerdings gehen die an diesen beiden Mission beteiligten Ingenieure und Wissenschaftler davon aus, dass zumindestens ein Teil dieser Datentransmissionen ihr Ziel nur ‚verstümmelt‘ erreichen und somit nicht wissenschaftlich verwertbar sein werden. Um diesen Datenverlust vorzubeugen sollen alle wissenschaftlichen Daten und Telemetriewerte zusätzlich in den jeweiligen Bordcomputern abgelegt und im Bedarfsfall nach dem Ende der Konjunktion erneut zur Erde gesendet werden. Dadurch beeinträchtigt wird zum Beispiel der wöchentliche ‚Marswetterbericht‘ sein, welcher aus den Daten der MARCI-Kamera an Bord des Orbiters MRO erstellt wird.
Auch der mittlerweile seit dem Januar 2004 auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten aktive Marsrover Opportunity durchlebt gerade seine fünfte Sonnenkonjunktion. Während der letzten Wochen war Opportunity mit der Untersuchung eines kleinen, lediglich etwa 30 Meter durchmessenden Impaktkraters namens „Spirit of St. Louis“ beschäftigt. Opportunity hat diesen Krater dabei teilweise umrundet und zwischenzeitlich auch dessen Inneres ausführlich erkundet (Raumfahrer.net berichtete).
Während einer Konjunktion ist es jedoch aus Sicherheitsgründen nicht möglich, dass der Rover seine Fahrt fortsetzt. Deshalb wird immer bereits mehrere Tage vor dem Beginn einer Sonnenkonjunktion ein Oberflächenbereich angesteuert, welcher eine interessante wissenschaftliche Ausbeute verspricht und der dann während der anstehenden Konjunktion ausführlicher untersucht werden soll.
Bereits am 27. Mai 2015, dem Sol 4031 seiner Mission, bewegte sich der Rover zu diesem Zweck im Rahmen einer Fahrt über etwa 19 Meter zu dem nördlichen Rand des Kraters „Spirit of St. Louis“ und positionierte sich dort direkt vor einer vielversprechenden Oberflächenformation. Diese wurde dann auch bis zum 11. Juni intensiv mit den verschiedenen Instrumenten analysiert. Am 12. Juni führte der Rover schließlich eine zuvor programmierte minimale Drehung aus, durch welche ein unmittelbar benachbarter Oberflächenbereich in die direkte Reichweite des am Instrumentenarm des Rovers platzierten APX-Spektrometers gelangte. Diese Stelle soll jetzt mit diesem Instrument bis zum Ende der Konjunktion im Rahmen einer Langzeitmessung untersucht werden.
Die dabei zu gewinnenden Daten soll Opportunity am Ende eines jeden Arbeitstages zunächst an die in der Marsumlaufbahn befindlichen NASA-Orbiter senden, wo sie zunächst gespeichert und von dort aus erst nach dem Ende der Konjunktion zur Erde weiter geleitet werden. Auf eine Nutzung des bordeigenen Flash-Speichers soll dagegen während der Konjunktionsphase verzichtet werden, da dieser spezielle Speicher in den vergangenen Monaten immer wieder zu kurzzeitigen Ausfällen neigte, welche in einigen Fällen zu einem Neustart des Bordcomputers führten. Und das Eintreten einer solchen Situation wollen die für den Betrieb von Opportunity verantwortlichen Ingenieure und Wissenschaftler speziell während einer Konjunktion verständlicherweise möglichst vermeiden.
Die zuletzt direkt von Opportunity empfangenen Telemetriedaten zeigten, dass sich auch dieser Rover in einem guten Allgemeinzustand befand, welcher keine ungewöhnlichen Eigenschaften aufwies. Am 2. Juni 2015, dem Sol 4037, konnte Opportunity 500 Wattstunden Energie generieren. Der Tau-Wert, welcher die Lichtdurchlässigkeit der Marsatmosphäre trotz der darin enthaltenen Staubpartikel beschreibt, lag an diesem Tag bei einem Wert von 0,952. Der Bedeckungsgrad der Solarpaneele des Rovers mit Staub erreichte am gleichen Tag einen Wert von 0,688.
Der Tau-Wert steht dabei für die Durchsetzung der Marsatmosphäre mit Staub und Wassereiskristallen. Je mehr Staub sich in der Atmosphäre des Planeten befindet, desto höher fällt dieser Wert aus. Der Wert für die Lichtdurchlässigkeit der Solarzellen gibt dagegen an, wie viel Sonnenlicht die Solarpaneele des Rovers trotz einer bedeckenden Staubschicht erreicht und letztendlich zur Energiegewinnung genutzt werden kann. Bei komplett staubfreien Paneelen würde dieser Wert 100 Prozent betragen. Je niedriger der Tau-Wert und je höher der Faktor für die Lichtdurchlässigkeit ausfällt, desto besser ist dies für den Energiehaushalt des ausschließlich mittels Sonnenenergie betriebenen Rovers. Opportunity steht somit auch während der jetzigen Sonnenkonjunktion genügend Energie für die geplanten Aktivitäten zur Verfügung.
Die Sonnenkonjunktion begann für das Opportunity-Team offiziell am 3. Juni 2015 und wird nach dem derzeitigen Planungsstand noch bis zum 24. Juni andauern. Sollten gegen Ende dieser Periode auf der Sonne jedoch signifikante koronale Masseauswürfe registriert werden, deren Auswirkungen den Funkverkehr zwischen Erde und Mars auch weiterhin beeinträchtigen würden, so könnte sich die Fortsetzung der geplanten Aktivitäten auch um mehrere Tage verzögern.
Auch der zweite NASA-Rover – der am 6. August 2012 auf dem Mars gelandete Rover Curiosity – ist in Bezug auf das Thema Sonnenkonjunktion kein ‚Neuling‘ mehr, denn er durchläuft gerade seine zweite solare Konjunktion. Aber auch dieser Rover hat seine Aktivitäten seit Ende Mai 2015 deutlich reduziert. Nach dem Ablauf des Missionstages Sol 1000 am 30. Mai 2015 wurde dessen Instrumentenarm im Rahmen der Vorbereitung auf die Konjunktion zunächst in einer ‚Ruheposition‘ verstaut.
In den folgenden Tagen erfolgten dann zunächst noch einige wenige Aktivitäten, welche sich auf die Anfertigung weiterer Aufnahmen der Umgebung durch die Kamerasysteme beschränkten. Die dabei bis zum 2. Juni angefertigten Aufnahmen sollen mit zukünftig anzufertigenden Fotos der gleichen Oberflächenbereiche verglichen werden, um so eventuelle zwischenzeitlich erfolgte und durch eine Winderosion bedingte Veränderungen zu registrieren und gegebenenfalls zu untersuchen.
Laut dem derzeitigen Planungsstand soll das nächste Meeting der für den wissenschaftlichen Betrieb von Curiosity zuständigen „MSL tactical operations group“ erst am 25. Juni stattfinden. Erst danach kann der Rover seinen nominalen wissenschaftlichen Betrieb fortsetzen und dabei zum Beispiel auch den Instrumentenarm erneut ‚entfalten‘ und die dort platzierten Analyseinstrumente zum Einsatz bringen. Wie bereits bei der vorherigen Konjunktion im Frühjahr 2013 sollen jedoch auch in diesem Jahr regelmäßig durchzuführende Messungen mit den Instrumenten RAD, REMS und DAN erfolgen. Die dabei zu gewinnenden Daten werden in diesem Fall allerdings zunächst im Bordcomputer des Rovers Curiosity abgelegt, von wo aus sie dann nach dem Ende der Konjunktion weitergeleitet werden sollen.
So lauten jedenfalls die Pläne der verschiedenen derzeit mit der Erforschung des Mars beschäftigten Raumfahrtagenturen. Bereits in wenigen Wochen wird sich zeigen, ob auch diesmal wirklich alle Orbiter und Rover die Phase der Sonnenkonjunktion überstanden haben.
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