Der Mond Titan umrundet die Sonne zusammen mit dem Saturn in einem mittleren Abstand von etwa 1,43 Milliarden Kilometern. Trotz dieser großen Entfernung übt die Sonne einen deutlich erkennbaren Einfluss auf die oberste Atmosphärenschicht des Saturnmondes aus. Aktuelle Messungen zeigen, dass die Elektronendichte in der Ionosphäre des Titan in einer direkten Verbindung mit der Sonnenaktivität steht.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA.
Mit einem Durchmesser von 5.150 Kilometern handelt es sich bei dem im Jahr 1655 durch den niederländischen Astronomen Christiaan Huygens entdeckten Mond Titan um den größten der 62 bisher bekannten Monde des Planeten Saturn und – nach dem Jupitermond Ganymed – zugleich um den zweitgrößten Mond innerhalb unseres Sonnensystems. Der Titan ist als einziger Mond im Sonnensystem von einer dichten Atmosphäre umgeben. Diese Gashülle besteht hauptsächlich aus Stickstoff, welcher dort mit einem Anteil von rund 98 Prozent vertreten ist. Neben dem Edelgas Argon sind zudem Spuren von Methan, Ethan und weitere komplexe Kohlenwasserstoffverbindungen vertreten.
Nahe der Oberfläche fällt diese Atmosphäre etwa fünfmal dichter aus als auf unserem Heimatplaneten und erreicht dort einen Atmosphärendruck von 1,5 bar, was einen etwa 50 Prozent höheren Wert als auf der Erde darstellt. Die Lufthülle, deren gesamte Masse etwa 1,19 mal größer ausfällt als die Gesamtmasse der Erdatmosphäre, erreicht eine Höhe von mehreren hundert Kilometern und ist mit Wolken und Dunstschleiern durchsetzt.
Der Großteil der Daten, welche den Planetologen gegenwärtig über den Titan zur Verfügung stehen, wurden während der letzten knapp 9,5 Jahre durch die Raumsonde Cassini gewonnen, welche sich bereits seit dem 1. Juli 2004 in einer Umlaufbahn um den Saturn befindet und dabei auch dessen Mond Titan mittlerweile 96 mal im Rahmen von dichten Vorbeiflügen passiert und bei diesen Gelegenheiten mit verschiedenen Instrumenten eingehend untersucht hat.
Neben der Untersuchung des Saturn und dessen Ringsystems stellt der Titan einen der Forschungsschwerpunkte der überaus erfolgreichen Cassini-Mission dar. Ein besonderes Augenmerk richten die beteiligten Wissenschaftler dabei auf die Atmosphäre dieses Mondes, dessen Zusammensetzung vermutlich eine gewisse Ähnlichkeit mit der frühen Atmosphäre unseres Heimatplaneten aufweist.
Sonnenaktivität beeinflusst die Titan-Atmosphäre
Eine kürzlich veröffentlichte Studie führt zu dem Ergebnis, dass das Zentralgestirn unseres Sonnensystems einen deutlich nachweisbaren Einfluss auf die oberste Atmosphärenschicht des Titan ausübt. Diese so genannte Ionosphäre befindet sich in einer Höhe von etwa 1.000 bis 1.300 Kilometern über der Oberfläche des Mondes, wobei Dichte und Ausdehnung dieser Atmosphärenschicht in einem direkten Zusammenhang mit der einfallenden Sonnenstrahlung stehen.
Für diese Studie verwendete ein von Niklas J. T. Edberg vom Institut für Weltraumphysik in Uppsala/Schweden geleitetes Team die Daten, welche zwischen den Jahren 2004 und 2012 im Rahmen von 72 dichten Titan-Vorbeiflügen von einer Langmuir-Sonde gesammelt wurden. Die Langmuir-Sonde ist einer von drei Detektoren, aus denen sich das „Radio and Plasma Wave Science Experiment“ (kurz RPWS), eines der 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, zusammensetzt.
Die Langmuir-Sonde von Cassini verfügt über einen Auslegerarm mit einer Länge von einem Meter, an dessen Ende eine Kugel mit einem Durchmesser von fünf Zentimetern montiert ist. Sie kann Elektronendichten von fünf bis 10.000 Elektronen pro Kubikzentimeter und Energiespektren von 0,1 bis vier Elektronenvolt erfassen. Mit diesem Instrument können die an der Cassini-Mission beteiligten Wissenschaftler die Dichte, die Temperatur und die Geschwindigkeit von geladenen Partikeln in der Umgebung des Saturn registrieren und diese untersuchen.
Im Rahmen ihrer Arbeit stellten die Wissenschaftler fest, dass die Elektronendichte in der Ionosphäre des Titan zu den Zeitpunkten besonders hoch ausfällt, an denen die Sonne erhöhte Dosen an energiereicher Ultraviolett- und Röntgenstrahlung freisetzt. Dieser Fall tritt ein, sobald sich die Sonne in eine aktive Phase während ihres durchschnittlich etwa elfjährigen Sonnenfleckenzyklus befindet. Die von der Sonne ausgehende UV- und Röntgenstrahlung trifft dabei auch auf die Atmosphäre des Titan und spaltet die dort in großen Höhen befindlichen Luftmoleküle in Ionen und Elektronen auf, welche dann von der Raumsonde Cassini beobachtet und untersucht werden können.
Zwischen den Jahren 2004 und 2010 konnten die Wissenschaftler in ihren Messergebnissen keine nennenswerten Veränderungen oder auffällig erhöhte Elektronendichten feststellen. Typischerweise, so zeigten die in diesem Zeitraum erfolgten Messungen, konzentrierten sich in diesem Zeitraum auf der Tagseite des Titan etwa 3.000 Partikel pro Kubikzentimeter in dessen Ionosphäre, auf der Nachtseite dagegen lediglich rund 1.000 Partikel. Zu den Zeitpunkten, an denen die entsprechenden Messungen durchgeführt wurden, wies die Sonne allerdings eine nur geringe Sonnenfleckenaktivität auf und gab dadurch bedingt auch nur geringe Mengen an energiereicher Strahlung ab.
Nach dem Jahr 2010 stieg die Aktivität der Sonne jedoch deutlich an, was sich durch eine Zunahme der Sonnenflecken bemerkbar machte. Bei sechs weiteren Titan-Vorbeiflügen im Jahr 2012, welche zwischen dem 22. Mai und dem 29. November erfolgten, registrierte die Langmuir-Sonde parallel zu dieser angestiegenen Aktivität dann auch einen signifikanten Anstieg der Elektronendichte in der Ionosphäre des Titan, welche 15 bis 30 Prozent betrug. Die Ergebnisse der Messungen lassen sich gut mit der zeitgleich beobachteten Sonnenaktivität und dem dadurch erhöhten Strahlungsausstoß in Einklang bringen.
Hierbei haben die an der Studie beteiligten Wissenschaftler auch berücksichtigt, dass sich der Saturn seit dem Beginn der Messungen auf seiner elliptischen Umlaufbahn um die Sonne inzwischen um mehr als 100 Millionen Kilometer von dem Zentralgestirn unseres Sonnensystems entfernt hat. Obwohl der Saturnmond Titan somit gegenwärtig immer weniger Sonnenstrahlung empfängt, fällt die absolute Strahlungsdichte an energiereicher UV- und Röntgenstrahlung derzeit aufgrund der erhöhten Sonnenaktivität höher aus als zuvor. Dieser Effekt bewirkt, dass gegenwärtig mehr Moleküle in der Titanatmosphäre ionisiert werden.
Bemerkenswert ist dabei, dass die Sonnenaktivität derzeit zwar das Maximum des derzeitigen Aktivitätszyklusses erreicht, diese Aktivität aber deutlich geringer ausfällt als bei früheren Aktivitätsmaxima. Theoretische Berechnungen haben ergeben, dass die Elektronendichte in der Titan-Ionosphäre bei einem stärker ausfallenden – sprich „eigentlich normalen“ – Aktivitätsmaximum einen Wert von etwa 6.500 Partikeln pro Kubikzentimeter erreichen würde.
Die Erforschung des Titan verbessert das Verständnis der Erde
„Fast die gleichen Mechanismen treten auch auf der Erde auf, wo die möglichen Auswirkungen einer erhöhten Sonnenaktivität auf das Erdklima immer noch diskutiert werden“, so Nicolas Altobelli, ESA-Projektwissenschaftler der Cassini-Mission.
Obwohl der Titan die Sonne in einer etwa zehnmal größeren Entfernung als die Erde umkreist kann die Untersuchung von dessen Atmosphäre und des dort ablaufenden Wettergeschehens den Wissenschaftlern somit wertvolle Erkenntnisse über das aktuelle Klimageschehen auf der Erde liefern.
Die Beobachtung des aktuellen Wettergeschehens auf dem Titan ist einer der Beobachtungsschwerpunkte der Raumsonde Cassini und erfolgt in erster Linie durch das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment. Aus Entfernungen von teilweise mehreren Millionen Kilometern werden dabei Aufnahmen angefertigt, welche die Titan-Atmosphäre zeigen.
Durch die dadurch ermöglichte Beobachtung von kleineren Sturmgebieten und markanten Wolkenformationen in den Atmosphären des Titan lassen sich zum Beispiel Aussagen über die dort gegenwärtig vorherrschenden Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten tätigen, welche – vergleichbar mit dem Wetter auf der Erde – einer jahreszeitlich bedingten Veränderung unterliegen. Die nächste Möglichkeit für eine etwas „direktere“ Untersuchung der Titanatmosphäre bietet sich dagegen bereits am 1. Dezember 2013. An diesem Tag wird die Raumsonde Cassini den Titan um 01:41 MEZ im Rahmen eines gesteuerten Vorbeifluges passieren und aus einer Überflughöhe von diesmal 1.400 Kilometern erneut mit verschiedenen Instrumenten untersuchen.
Die hier kurz vorgestellten Resultate der Untersuchung der Titanatmosphäre wurden bereits am 13. August 2013 unter dem Titel „Solar cycle modulation of Titan’s ionosphere“ in der Fachzeitschrift „Journal of Geophysical Research: Space Physics“ publiziert.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn und seine Monde noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.
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Verwandte Internetseiten:
- CICLOPS (engl.)
Fachartikel von Niklas J. T. Edberg et al.:
- Solar cycle modulation of Titan’s ionosphere (Abstract, engl.)