Ein Max-Planck-Forscherteam hat die Aktivität unserer Sonne seit der letzten Eiszeit rekonstruiert: So aktiv wie in den letzten 60 Jahren war sie seit 8.000 Jahren nicht mehr.
Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: SpaceRef/MPS.
Die Aktivität der Sonne über die letzten 11.400 Jahre, das heißt, zurück bis zum Ende der letzten Eiszeit, wurde jetzt zum ersten Mal quantitativ rekonstruiert, von einem internationalen Forscherteam unter der Leitung von Sami K. Solanki am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau. Die Wissenschaftler haben die radioaktiven Isotope in Bäumen analysiert, die vor Tausenden von Jahren lebten. Wie die Wissenschaftler aus Deutschland, Finnland und der Schweitz in der aktuellen Ausgabe von „Nature“ berichten, muss man über 8.000 Jahre zurück gehen, wenn man eine Zeit finden will, als die Sonne im Jahresdurchschnitt so aktiv war wie in den letzten 60 Jahren. Basierend auf einer statistischen Studie sagen die Wissenschaftler voraus, dass der derzeitige hohe Level der Sonnenaktivität wahrscheinlich nur noch einige Jahrzehnte anhalten wird.
Das Forscherteam fand bereits im Jahr 2003 Hinweise, dass die Sonne derzeit aktiver ist als in den letzten 1.000 Jahren. Neue Daten erlaubten ihnen nun, den Untersuchungszeitraum auf 11.400 Jahre auszudehnen, bis zurück zum Ende der letzten Eiszeit. Demnach ist die derzeitige Episode starker Sonnenaktivität seit dem Jahr 1940 einzigartig innerhalb der letzten 8.000 Jahre. Das bedeutet, dass die Sonne mehr Sonnenflecken, Ausbrüche und Eruptionen produziert hat als in der Vergangenheit. Der Ursprung und die Energiequelle all dieser Phänomene ist das Magnetfeld der Sonne.
Seit der Erfindung des Teleskops im frühen 17ten Jahrhundert haben Astronomen Sonnenflecken beobachtet. Dies sind Bereiche auf der Sonnenoberfläche, wo die Energiezufuhr aus dem Sonneninneren durch starke Magnetfelder reduziert wird, die dort an die Oberfläche treten. Als Konsequenz sind Sonnenflecken um etwa 1.500 Grad kühler und erscheinen dunkler als ihre nichtmagnetische Umgebung, die eine durchschnittliche Temperatur von 5.800 Grad hat. Die Zahl der Sonnenflecke schwankt in einem 11-Jahres-Rhythmus, dem ein noch ein längerer Rhythmus überlagert ist. Beispielsweise wurden in der zweiten Hälfte des 17ten Jahrhunderts fast gar keine Sonnenflecken gesichtet. Die Zahl der Sonnenflecken ist auch ein gutes Maß für die Stärke verschiedener anderer Phänomene der Sonnenaktivität.
Für viele Studien, die sich mit der Sonnenaktivität über lange Zeiträume befassen, ist das Zeitintervall seit 1610, seitdem systematische Aufzeichnungen von Sonnenflecken existieren, viel zu kurz. Für frühere Zeiten muss der Level der Sonnenaktivität folglich aus anderen Daten abgeleitet werden. Solche Informationen sind auf der Erde in Form von so genannten „kosmogenischen“ Isotopen gespeichert. Das sind radioaktive Kerne, die bei Kollisionen von energiereichen Partikeln kosmischer Strahlung mit Luftmolekülen in der oberen Atmosphäre entstanden sind. Eines dieser Isotope ist C-14, radioaktiver Kohlenstoff mit einer Halbwertszeit von 5730 Jahren, auf dem die wohlbekannte C-14-Methode zur Bestimmung des Alters von Gegenständen aus Holz basiert. Die Menge von produziertem C-14 hängt stark ab von der Zahl kosmischer Strahlenpartikel, die die Erde erreicht haben. Diese Anzahl variiert wiederum mit der Sonnenaktivität: Während Zeiten hoher Aktivität bildet das dann starke Magnetfeld der Sonne einen effektiven Schutzschild gegen die kosmischen Partikel, während umgekehrt in Zeiten niedriger Aktivität die Intensität der kosmischen Partikel zunimmt. Somit führt also hohe Sonnenaktivität zu einer niedrigen Produktionsrate von C-14 und umgekehrt.
Durch Mischungsprozesse erreicht das C-14 die Biosphäre und wird teilweise in die Biomasse von Bäumen eingelagert. Manche im Boden vergrabenen Baumstämme bleiben mit etwas Glück noch Tausende von Jahren erhalten, können geborgen werden, und der Gehalt von C-14 in ihren Baumringen kann gemessen werden. Das Jahr, in dem das C-14 eingelagert wurde, kann durch den Vergleich von Bäumen ermittelt werden, deren Lebensspannen, und damit deren Baumringmuster, einander überlappen. Auf diese Weise kann man die Produktionsrate von C-14 der letzten 11.400 Jahre bestimmen.
Diese Methode, die Sonnenaktivität der Vergangenheit zu rekonstruieren, wurde getestet und kalibriert, indem man die historischen Aufzeichnungen direkt beobachteter Sonnenflecken mit früheren, kürzeren Rekonstruktionen auf Basis des kosmogenischen Isotops Be-10 in den Polareiskappen verglich. Auf diese Weise konnte erstmals eine zuverlässige quantitative Rekonstruktion der Sonnenfleckenzahl für die gesamte Zeit seit der letzten Eiszeit gewonnen werden.
Weil die Helligkeit der Sonne leicht mit der Sonnenaktivität variiert, weist die neue Rekonstruktion darauf hin, dass die Sonne derzeit auch heller scheint als in den 8.000 Jahren zuvor. Ob dieser Effekt auch zur globalen Erwärmung der Erde beigetragen haben könnte, ist eine offene Frage. Die Forscher um Sami K. Solanki betonen die Tatsache, dass die Sonnenaktität seit 1980 auf einem annähernd konstanten (hohen) Level verharrt – abweichend vom sonst üblichen 11-Jahres-Zyklus – , während die globale Durchschnitts-Temperatur im gleichen Zeitraum eine erheblich stärkere Zunahme erfuhr. Andererseits zeigen die ziemlich ähnlichen Trends der Sonnenaktivität und der Erdtemperatur während der letzten Jahrhunderte (mit der bemerkenswerten Ausnahme der letzten 20 Jahre), dass die Beziehung zwischen Sonne und Klima eine Herausforderung für weitere Forschung bleibt.
Originalveröffentlichung:
Sami K. Solanki, Ilya G. Usoskin, Bernd Kromer, Manfred Schüssler, Jürg Beer: Unusual activity of the Sun during recent decades compared to the previous 11,000 years (Nature, 28. Oktober 2004)
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