Was tun, wenn man mit seinem Raumfahrzeug nicht mehr kommunizieren kann, weil die Sonne sich in den Weg stellt?
Ein Beitrag von Axel Orth
Seit über zehn Jahren ist die Menschheit am Planeten Mars, dem erdähnlichsten des Sonnensystems, mit Raumfahrzeugen ständig präsent. Alle zwei Jahre sind diese Raumfahrzeuge von der Erde abgeschnitten, volle zwei Wochen lang. Der Grund dafür ist die so genannte „solare Konjunktion“. Mit diesem Begriff bezeichnet man die Anordnung von Erde, Sonne und Mars auf einer Linie, und es ist leicht nachvollziehbar, dass dann der riesige, feurige Sonnenball Radiowellen in die eine wie in die andere Richtung zuverlässig abblockt oder zumindest verfälscht. Und da der Mars für einen Umlauf um die Sonne doppelt so lange braucht wie die Erde, tritt die Konjunktion eben alle zwei Erdenjahre auf. Mit dem gleichen Rhythmus, nur zeitlich um ein Jahr versetzt, kommen sich Erde und Mars ja auch besonders nahe und dann ist auf der Erde Hochsaison für den Start von Marsmissionen, wie etwa 2001 Mars Odyssey, 2003 Mars Express und die Mars Rover, 2005 Mars Recon Orbiter, 2007 Phoenix Lander und so weiter. Dieses Jahr war hingegen mal wieder eine solare Konjunktion fällig, und zwar gerade in den letzten zwei Wochen.
Die Missionsteams auf der Erde reagieren auf den unvermeidlichen Kommunikationsabriss unterschiedlich. Sie stellen einige Instrumente ab. Sie lassen andere Instrumente weiter laufen und ihre Daten zwei Wochen lang zwischenspeichern und rufen sie dann en gros ab. In manchen Fällen lassen sie die Instrumente auch weiter ihre Daten senden und nehmen eben in Kauf, dass teilweise Daten verlorengehen – sonst geradezu ein Verbrechen für ehrgeizige Wissenschaftler.
Aber niemand ist so dumm, während einer Konjunktion neue Instruktionen zum Mars zu senden. Es ist unmöglich vorherzusagen, welche Information durch Wechselwirkung der Radiowellen mit geladenen Sonnenpartikeln nun gerade verloren geht und welche bei der Raumsonde ankommt, so dass die verstümmelte Information die Sonde gefährden könnte. Anstelle dessen senden die Ingenieure Instruktionen für zwei Wochen und… warten.
Dies mag riskant erscheinen. Aber über die Jahre, fast schon Jahrzehnte haben Ingenieure Erfahrung damit gesammelt, Marssonden sich selbst zu überlassen. Wie Eltern, die ihre Sprösslinge aufziehen und sie schließlich erste kleine Ausflüge mit ihren Freunden unternehmen lassen, so können auch Weltraumforscher ihre Sonden eine Weile sich selbst überlassen und davon ausgehen, dass sie sie nach der Konjunktion gesund und munter vorfinden, bereit, die Arbeit wieder aufzunehmen.
Das ist hier die Frage: Rasten …
„Wir sind ein bisschen besorgt, da es immer möglich ist, dass etwas Unvorhergesehenes passiert“, sagte Jake Matijevic, Leiter des Ingenieurteams des Marsrover. „Aber die Rover haben es schon durch ihre erste Konjunktion geschafft und wir denken, es wird auch diesmal gut gehen.“
Während der Konjunktion werden Spirit und Opportunity den Marshimmel nach Wolken absuchen, atmosphärischen Staub messen, ihre Spektrometer-Analysen umliegender Felsen und des Bodens fortsetzen und natürlich Bilder aufnehmen. Beide Rover werden ihre Daten speichern und sie später zur Erde übermitteln. Somit ist die Konjunktionsphase für einige Teammitglieder eine Gelegenheit für einige wohl verdiente freie Tage.
Spirit hat am 26. Oktober seinen 1000. Sol auf dem Mars verbracht. Ursprünglich geplant waren nur 90 Sols! Dass es überhaupt so lange gut gegangen ist, liegt daran, dass sich die Staubablagerung auf den Solarzellen als längst nicht so gravierend erwiesen hat wie ursprünglich angenommen. Allerdings zeigt der Rover mittlerweile doch Zeichen von Verschleiß – vor allem ist eines seiner sechs Räder „gelähmt“ – und hat sich wegen des geringen Lichteinfalls im noch andauernden Marswinter schon seit Monaten nicht mehr von der Stelle bewegt.
Auch Opportunity wird in wenigen Tagen die 1000-Sol-Grenze durchbrechen. Bei ihm macht vor allem der Instrumententragarm Probleme und ist ein Rad nicht mehr steuerbar, aber wegen der größeren Nähe zum Äquator und daher mehr Sonnenlicht kann er seine laufende Untersuchung des „Victoria-Kraters“ sofort wieder aufnehmen.
… oder nicht rasten?
Für das Team des Mars Reconnaissance Orbiter ist es hingegen hart, gerade jetzt die Arbeit einstellen zu müssen. Schließlich ist der Satellit eben erst frisch beim Mars angekommen, daher fiebern die Forscher natürlich geradezu darauf, die Instrumente auf interessante Bodenziele zu richten und sie mit bisher ungekannter Präzision neu zu untersuchen. Die HiRISE-Kamera wird zwar während der Konjunktion abgeschaltet, aber andere Instrumente werden weiter Daten sammeln.
Auch das Team von Mars Odyssey wird keine Ruhepause einlegen. Es bereitet einen Aufnahmemodus „Off-Nadir“ vor, der ab Dezember angewandt werden soll: Anstelle senkrecht nach unten zu blicken, werden die Navigatoren die Sonde so rotieren lassen, dass sie mit ihrer Thermalkamera dasselbe Terrain unter leicht verschiedenen Blickwinkeln aufnehmen kann und so Infrarot-Stereo-Aufnahmen machen kann.
Manches geht im Alter besser
Womit die einen gerade erst anfangen, ist für die Profis alles schon Routine. Mars Global Surveyor, der Großvater unter den Marssonden, kartiert den Mars ununterbrochen seit 1999. Aufnahmen mit raffinierten Drehmanövern dieses Satelliten haben schon geholfen, verschollene Landesonden ausfindig zu machen, als andere Sonden erst im Versuchsstadium waren, und Sonnenkonjunktionen kennen sie ebenfalls schon zur Genüge. Die diesjährige Konjunktion – ihre fünfte – fällt ihnen noch wesentlich leichter als vorherige, denn ein früheres ärgerliches Antennenproblem hat sich mittlerweile von selbst gegeben.
Lange Jahre hindurch, so erläuterte Projektmanager Tom Thorpe, behinderte eine Blockierung die Bewegungsfreiheit der Hochgewinn-Antennenschüssel, die Daten zur Erde sendet. Um das Problem zu umgehen, mussten die Navigatoren die Schüssel in einer komplizierten Prozedur zur Erde ausrichten, die sie „Beta Supplement“ nannten. Dabei galt es aufzupassen, dass die Antenne nicht gegen den Ausleger stößt, auf dem sie befestigt ist.
Letztes Jahr verschwand die Blockierung plötzlich. Die Ingenieure schlossen daraus, dass das Problem wahrscheinlich von einem Knick in der Verkabelung her rührte und nicht, wie bis dahin angenommen, von einer lockeren Schraube, die sich beim Start losgerappelt haben könnte.
„Wir sind jetzt in unserem fünften Marsjahr“, sagte Thorpe. „Also fast zehn Erdenjahre – und wir machen nach all der Zeit immer noch neue Entdeckungen.“