Im Februar 2020 startet die Sonnenmission ins All. In unmittelbarer Nähe zur Sonne sucht sie nach Antworten zum Ursprung des Sonnenwindes. Eine Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen.
Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS).
Wenige Monate vor ihrem Start ins All beginnt für die ESA-Raumsonde Solar Orbiter die letzte Vorbereitungsphase. In den vergangenen Monaten musste die Sonde in den Laboren der Firma IABG in Ottobrunn unter Beweis stellen, dass sie den Strapazen einer mehrjährigen Forschungsexpedition zur Sonne gewachsen ist. Nach erfolgreichem Abschluss aller Tests steht nun bald der Umzug in die USA an. Die NASA unterstützt die überwiegend europäische Mission unter anderem mit dem Raketenstart aus Cape Canaveral in Florida. In den kommenden sieben Jahren soll Solar Orbiter den Sonnenwind, den stetigen Teilchenstrom von der Sonne, an seinem Ursprungsort untersuchen – und dafür so nah an die Sonne heranfliegen wie kaum eine Sonde zuvor. Das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen ist an vier wissenschaftlichen Instrumenten maßgeblich beteiligt.
Der Einfluss der Sonne erstreckt sich mehr als 10 Milliarden Kilometer weit ins All. Bis dorthin, weit jenseits der Umlaufbahn des Neptuns, strömt das Plasma aus hochenergetischen, geladenen Teilchen, das die Sonne kontinuierlich ins All schleudert. Die riesige Plasmablase, die so entsteht, bezeichnet man als Heliosphäre. Sie schirmt unser Sonnensystem vom interstellaren Medium ab, dem dünnen Plasma zwischen den Sternen und ist unsere kosmische Heimat.
Dennoch sind viele Fragen rund um die Eigenschaften der Heliosphäre noch immer offen. Während beispielsweise die 1977 gestartete Voyager-Sonde der NASA Antworten am äußersten Rand des Sonnensystems sucht, liegt das Ziel von Solar Orbiter in entgegengesetzter Richtung: nah an der Sonne möglichst dicht am Ursprung des Sonnenwindes. Nur etwa 42 Millionen Kilometer, weniger als ein Drittel des Abstandes zwischen Erde und Sonne, sollen die Sonde zeitweise von unserem Zentralgestirn trennen. Allein die NASA-Sonde Parker Solar Probe hat sich bisher näher an das Sonnenfeuer herangewagt.
„Bis heute ist unklar, wie die Sonne den Sonnenwind ins All beschleunigt und mit ihm die Heliosphäre erzeugt“, erklärt Prof. Dr. Sami K. Solanki, Direktor am MPS und Leiter des Wissenschaftlerteams um das Solar Orbiter-Teleskop PHI (Polarimetric and Helioseismic Imager). Welche Prozesse in den äußeren Schichten und in der Atmosphäre der Sonne ermöglichen es ihr, durchschnittlich eine Million Tonnen Masse pro Sekunde mit Geschwindigkeiten von zum Teil mehr als drei Millionen Kilometern pro Stunde ins All zu katapultieren? Und wie wirkt sich das wechselhafte Wesen der Sonne auf den Sonnenwind aus? Einem etwa elfjährigen Zyklus folgend zeigt sich die Sonne mal als ruhiger Gasball, mal als unberechenbares Feuerwerk aus Teilchen- und Strahlungsausbrüchen.
Um diese Fragen zu klären, braucht es nicht nur einen Beobachtungsstandort möglichst nah an der Sonne, sondern auch zwei Arten von Instrumenten. Während vier der zehn Solar Orbiter-Instrumente den Sonnenwind, der die Raumsonde vor Ort umströmt, direkt untersuchen, blicken sechs weitere auf seinen Ursprungsort, die äußeren Schichten und die Atmosphäre der Sonne. „Nur so lassen sich die Eigenschaften des Sonnenwindes mit den Vorgängen, durch die er entsteht, in Beziehung setzen“, so Dr. Udo Schühle vom MPS, der das Team um das Solar Orbiter-Instrument EUI (Extreme-Ultraviolett Imager) mitleitet.
Zu den Sonnenspähern unter den Instrumenten zählt auch das Doppel-Teleskop PHI, das unter Leitung des MPS entwickelt und gebaut wurde. Es wird unter anderem die Magnetfelder in den äußeren Schichten der Sonne vermessen. Während das eine Teilteleskop den gesamten Sonnenball im Auge behält, blickt das andere auf einzelne Regionen auf der Sonne und kann so am sonnennächsten Punkt magnetische Strukturen mit einer Größe von nur 200 Kilometern sichtbar machen. „Die Magnetfelder der Sonne sind der Schlüssel zu ihrem wechselhaften Wesen“, so Solanki. „Nur mit ihrer Hilfe lassen sich die Vorgänge verstehen, die den Sonnenwind erzeugen und ins All beschleunigen“, fügt er hinzu.
Zudem gelingt PHI ein Blick ins Innere – zumindest indirekt. Das Instrument bestimmt, mit welcher Geschwindigkeit sich das Plasma an der Oberfläche der Sonne auf den Beobachter zu- oder von ihm wegbewegt. Dies erlaubt Rückschlüsse darauf, wie sich das Plasma in den tiefer liegenden Schichten der Sonne ausbreitet – und ermöglicht so Zugang zu den Regionen, in denen die wechselhaften Magnetfelder der Sonne entstehen.
Zu drei weiteren Solar Orbiter-Instrumenten, die auf die Sonne schauen, trägt das MPS ebenfalls bei. EUI untersucht die extrem kurzwellige ultraviolette Strahlung von der Sonne. Diese hat ihren Ursprung in der Korona, der äußeren Atmosphäre der Sonne, und ermöglicht es, die Feinstruktur dieser Gashülle zu untersuchen. Ebenfalls auf die Korona richtet sich das Augenmerk von SPICE (Spectral Imaging of the Coronal Environment). Der Spektrograph spaltet das Licht aus dieser Region in seine einzelnen Wellenlängen auf und sucht so nach Informationen über Ursprungsregionen des Sonnenwindes.
Die Verbindung zwischen der Sonnenatmosphäre und der inneren Heliosphäre stellt Metis her. Der Koronograph macht den Bereich um die Sonne herum, der bis zu zwei Millionen Kilometer ins All reicht, sichtbar. So lässt sich beobachten, wie sich die Sonnenwindteilchen ganz am Anfang ihrer langen Reise durchs Sonnensystem verhalten.
Wie alle Instrumente, die an Bord von Solar Orbiter zur Sonne blicken, verbergen sich auch diese hinter einem robusten Schutzschild, der das Innere der Sonde vor der Strahlung und Hitze von der Sonne schützt. Nur durch kleine „Gucklöcher“, deren Türen während der Beobachtungsphasen geöffnet werden, können die Instrumente herauslugen. Am sonnennächsten Punkt ihrer Flugbahn erreicht der Hitzeschild Temperaturen von bis zu 500 Grad Celsius.
Der Flug in Richtung Sonne gelingt nur durch mehrfache Vorbeiflüge an der Erde und der Venus. Auf diese Weise nimmt die Sonde Schwung auf und wird auf eine stark elliptische Umlaufbahn katapultiert. Den Schub aus diesen Begegnungen nutzt das Raumschiff zudem, um schrittweise die Ebene, in der die Planeten um die Sonne kreisen, zu verlassen. Gegen Ende der auf zunächst sieben Jahre angesetzten Mission steht die Umlaufbahn von Solar Orbiter in einem Winkel von 24 Grad zu dieser Ebene. Sollte danach eine weitere Verlängerung der Mission möglich sein, werden sogar 33 Grad erreicht.
„Bisher haben alle Sonnenmissionen ihr Forschungsobjekt innerhalb der Bahnebene der Erde beobachtet – und der Sonne sozusagen auf den Bauch geschaut“, erklärt MPS-Wissenschaftler Prof. Dr. Hardi Peter, leitendes Mitglied des SPICE-Teams. Von der Perspektive, die sich erdgebundenen Sonnenteleskopen bietet, unterscheidet sich dies prinzipiell nicht. Erst Solar Orbiter gelingt der Perspektivwechsel und mit ihm ein Blick auf die höheren Breiten unseres Sterns. Dort in den Polregionen strömt der Sonnenwind beständig mit besonders hoher Geschwindigkeit ins All. Zudem gelten diese Bereiche als Schlüssel zum Verständnis des solaren Magnetfeldes.
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