Die europäische Raumsonde Venus Express wurde erfolgreich auf ihre Flugbahn zur Venus gebracht – Ankunft im kommenden April. Damit ist der riskanteste Teil der Mission glücklich überstanden.
Ein Beitrag von Michael Stein und Axel Orth. Quelle: ESA.
Exakt um 04:33 Uhr und 34 Sekunden hob die Sojus-Trägerrakete von der Startplattform Nr. 6 der so genannten Site 31 des russischen Weltraumbahnhofs in Baikonur (Kasachstan) ab – und genau diese Sekunde musste es auch sein, damit die exakt berechnete Reiseroute für die neueste interplanetare Raumsonde der ESA erreicht werden konnte. Ursprünglich hätte der Start dieser Mission bereits am 26. Oktober stattfinden sollen, doch wenige Tage vorher wurde loses Isoliermaterial im Inneren der Nutzlastverkleidung gefunden, so dass die bereits montierte Nutzlastverkleidung wieder entfernt und die Raumsonde von den Verunreinigungen befreit werden musste.
Nach diesen unvorhergesehenen Schwierigkeiten lief heute Morgen dann aber alles problemlos ab. Eineinhalb Stunden vor dem Start war die Betankung der Trägerrakete abgeschlossen, zehn Minuten vor „T 0“ – wie der Startzeitpunkt auch genannt wird – schaltete die Raumsonde auf interne Stromversorgung um, und 45 Sekunden folgte dann das Umschalten der Trägerrakete auf autonome Stromversorgung. Knapp zwei Minuten nach dem Start wurden die vier auffälligen Booster-Raketen der ersten Stufe abgetrennt, nach 04:14 Minuten erfolgte die Absprengung der Nutzlastverkleidung und bei T+14:00 Minuten hatte die Fregat-Oberstufe das Ende ihrer ersten Brennphase erreicht. Von da an trieb die Oberstufe gemeinsam mit Venus Express in 190 Kilometern Höhe um die Erde, bevor das Fregat-Triebwerk 01:22 Stunden nach dem Start an einem genau berechneten Punkt des Parkorbits erneut zündete und die Raumsonde endgültig auf ihren Weg zur Venus schoss. Eine Stunde und 36,5 Minuten nach dem Start trennten sich schließlich die Oberstufe und die Raumsonde voneinander; dieser Vorgang markierte das Ende der Startphase.
In Symmetrie zum Mars, den die ESA-Raumsonde Mars Express bereits seit Dezember 2003 umkreist, erhält nun also auch unser anderer Nachbarplanet seinen europäischen Satelliten. Passenderweise sind die beiden „Express“-Raumsonden auch weitgehend baugleich, um Kosten und Zeit einzusparen (allerdings waren bei Venus Express einige Anpassungen erforderlich, damit die Raumsonde die hohe Energiedichte im Umfeld der Venus verkraftet – immerhin ist die solare Strahlung hier vier Mal so hoch wie beim Mars!). Als Dritter im Bunde soll sich in einigen Jahren noch BepiColombo dazu gesellen, eine Mission zum Merkur.
Mit leistungsfähigen Parabolantennen von ESA und NASA in Australien konnte dann rund zwei Stunden nach dem Start ein erstes Signal von Venus Express aufgefangen werden. Um 06:49 Uhr (MEZ) hatten sich die beiden Solarpaneele der Raumsonde planmäßig entfaltet und produzieren nun die für den Betrieb notwendige Energie. In den ersten drei Tagen der Mission verläuft die gesamte Kommunikation mit Venus Express noch über die ungerichtete Niedriggewinn-Antenne des zukünftigen Venus-Orbiters, danach erfolgt die Umschaltung auf die Hauptantenne des Raumfahrzeugs. Ersten Überprüfungen zufolge scheinen alle Venus Express-Systeme den unsanften Start gut überstanden zu haben, doch endgültig wird man dies erst nach eingehenden Tests aller Komponenten und wissenschaftlichen Instrumente in einigen Wochen sagen können.
Nach Abschluss aller Überprüfungen wird die rund fünfmonatige Reise zur Venus reichlich unspektakulär verlaufen. Eventuell steht im Januar eine Kurskorrektur an, was jedoch davon abhängt, wie akkurat der heutige Start verlaufen ist. In der übrigen Zeit wird meistens nur einmal täglich Kontakt mit Venus Express aufgenommen, bevor es beim Eintritt in eine Venus-Umlaufbahn wieder spannend wird. (Der Funkkontakt mit dem Orbiter wird routinemäßig übrigens mit der brandneuen 35 Meter-Antenne der ESA in Cebreros (Spanien) abgewickelt werden.) Am 11. April 2006 wird das Haupttriebwerk der Raumsonde für 53 Minuten zünden und die Raumsonde in einen zunächst stark elliptischen Orbit um Venus bringen. Anschließend erfolgen verschiedene Korrekturen der Umlaufbahn, bis am 7. Mai schließlich der endgültige Beobachtungsorbit erreicht sein soll. Auch diese Umlaufbahn wird stark exzentrisch sein und den Orbiter etwa alle fünfeinhalb (Erden-)Tage je einmal bis auf 250 Kilometer an die Planetenoberfläche heranbringen und im venusfernsten Punkt bis auf rund 220.000 Kilometer vom Planeten entfernen.
Venus Express wird vom Venus-Orbit aus vorrangig die turbulente Atmosphäre des Planeten studieren, die charakterisiert ist durch extrem hohe Temperaturen und Drücke, einen ausgeprägten Treibhauseffekt und eine bisher unerklärliche „Superrotation“, die die Atmosphäre in gerade einmal vier Tagen um den Planeten treibt – während der Planet selbst extrem langsam rotiert und auch noch in entgegen gesetzter Richtung wie die anderen Planeten.
Die Oberfläche des Planeten wird diesmal weniger im Blickpunkt stehen, aber Venus Express wird immerhin der erste Orbiter sein, der zu deren Erforschung so genannte „Sichtbarkeitsfenster“ nutzen soll, die jüngst im Infrarot-Wellenbereich entdeckt wurden.
Die 1.240 kg schwere Raumsonde wurde für die ESA von einem europäischen Industriekonsortium unter Führung von EADS Astrium und 25 Hauptkontraktoren in 14 Ländern entwickelt und gebaut. Die ESA-Chefs Jean-Jaques Dordain und David Southwood sowie Arianespace/Starsem-Chef Jean Yves Le Gall präsentierten sich nach dem Start in einer Pressekonferenz voller Stolz über den gelungenen Auftritt der europäischen Raumfahrt.
Raumfahrer.net wird in den nächsten Tagen eine eigene Sonderseite zur Mission Venus Express schalten, auf der Sie den weiteren Fortgang der Mission dann verfolgen können.