Fliegendes Observatorium führt lange Suche zu erfolgreichem Ende. Das Heliumhydrid-Ion, wie HeH+ mit vollem Namen heißt, stellte die Wissenschaft vor ein Dilemma: Aus Laboruntersuchungen ist es seit fast 100 Jahren bekannt, aber im Weltall war es trotz aufwendiger Suche bisher nicht aufzufinden. Eine Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Quelle: DLR.
17. April 2019 – Das Ausblieben von Heliumhydrid-Ionen-Funden hatte die Folge, dass die damit verbundenen chemischen Modellrechnungen angezweifelt wurden. Doch einem internationalen Forscherteam unter der Leitung von Rolf Güsten vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie ist es nun geglückt, dieses Molekül in Richtung des Planetarischen Nebels NGC 7027 eindeutig nachzuweisen. Gelungen ist der Nachweis mit Hilfe des Ferninfrarot-Spektrometers GREAT an Bord der fliegenden Sternwarte SOFIA. SOFIA (Stratosphären Observatorium für Infrarot-Astronomie) ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. Die Ergebnisse werden in der Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature“ vom 18. April 2019 veröffentlicht.
„Im vergangenen Jahrzehnt setzte man große Hoffnungen in die Weltraumobservatorien ‚Spitzer‘ (NASA, gestartet 2003) und ‚Herschel‘ (ESA, gestartet 2009), aber keines der Teleskope war in der Lage, dieses Molekül zu detektieren. Mit SOFIA haben wir den Nachweis erbracht, dass dieses Molekül sich tatsächlich in Planetarischen Nebeln bilden kann. Derzeit gibt es kein anderes Teleskop, welches in diesen Wellenlängen beobachten kann. Das macht diese Beobachtungsplattform noch für viele Jahre einzigartig“, sagte Anke Pagels-Kerp, Abteilungsleiterin Extraterrestrik im DLR Raumfahrtmanagement in Bonn.
In den späten 1970er Jahren deuteten astrochemische Modelle auf die Möglichkeit hin, dass HeH+ in nachweisbarer Häufigkeit in astrophysikalischen Nebeln innerhalb unserer Milchstraße vorhanden sein könnte. Es wurde angenommen, dass es vielleicht am leichtesten in sogenannten Planetarischen Nebeln gefunden werden könnte, die von sonnenähnlichen Sternen in der letzten Phase ihres Lebenszyklus ausgestoßen werden. Die energiereiche Strahlung, die dabei vom Zentralstern erzeugt wird, treibt Ionisationsfronten in die ausgestoßene Hülle. Genau dort soll sich nach den Modellrechnungen das HeH+-Molekül ausbilden. Doch trotz seiner unbestrittenen Bedeutung für die Geschichte des frühen Universums gelang es für lange Zeit nicht, das HeH+-Molekül im interstellaren Raum aufzufinden. Durch Laboruntersuchungen ist es seit 1925 bekannt, während die gezielte Suche im Weltall während der vergangenen Jahrzehnte erfolglos blieb.
Das Molekül strahlt am stärksten in einer Spektrallinie bei einer charakteristischen Wellenlänge von 0,149 mm (entsprechend einer Frequenz von 2,01 Terahertz). Die Erdatmosphäre ist in diesem Wellenlängenbereich komplett undurchlässig für alle bodengebundenen Observatorien, so dass die Suche entweder aus dem Weltraum oder mit hochfliegenden Observatorien wie SOFIA erfolgen muss. In einer Flughöhe von 13 bis 14 Kilometern operiert SOFIA oberhalb der absorbierenden Schichten der unteren Atmosphäre.
„SOFIA bietet die einzigartige Möglichkeit, jederzeit neueste Technologien einzusetzen. Mit der aktuellen Weiterentwicklung des deutschen Instruments GREAT wurde dieser Nachweis von Helium-Hydrid nun ermöglicht. Dies unterstreicht die Wichtigkeit und Chance, auch in Zukunft neue Instrumente für SOFIA zu entwickeln“, erläutert Heinz Hammes, SOFIA-Projektleiter im DLR Raumfahrtmanagement.
Nach dem Urknall: Die Chemie unseres Universums beginnt
Die herausragende Bedeutung des HeH+-Moleküls ergibt sich aus seiner Rolle bei der Entstehung des Universums: Ungefähr 300 000 Jahre nach dem Urknall erfolgte der Beginn aller Chemie. Die Temperatur im noch jungen Universum war zu diesem Zeitpunkt bereits unter einen Wert von zirka 3700 Grad Celsius gefallen. Die im Urknall entstandenen Elemente wie Wasserstoff, Helium, Deuterium und Spuren von Lithium waren zunächst aufgrund der hohen Temperaturen ionisiert. Sie rekombinierten sich im abkühlenden Universum wieder mit freien Elektronen, um so die ersten neutralen Atome zu erzeugen. Zunächst erfolgte dies bei Helium. Zu diesem Zeitpunkt war der Wasserstoff selbst noch ionisiert und lag in der Form von freien Protonen oder Wasserstoffkernen vor. Mit ihnen verbanden sich die Heliumatome zum Heliumhydrid-Ion HeH+, das so zu einer der wohl ersten molekularen Verbindungen im Universum wurde. Mit fortschreitender Rekombination reagierte das HeH+ mit den nun vorhandenen neutralen Wasserstoffatomen und bildete so einen Pfad zur Entstehung von molekularem Wasserstoff und damit dem chemischen Beginn unseres Universums.
„Mit den jüngsten Fortschritten in der Terahertz-Technologie ist es nun möglich, hochauflösende Spektroskopie bei den erforderlichen ferninfraroten Wellenlängen durchzuführen“, erklärte Rolf Güsten, Erstautor der Veröffentlichung. Als Ergebnis von Messungen mit dem GREAT-Spektrometer an Bord der fliegenden Sternwarte SOFIA kann das Team nun den eindeutigen Nachweis des HeH+-Moleküls in Richtung der Hülle des Planetarischen Nebels NGC 7027 bekannt geben.
SOFIA
Das Stratosphären Observatorium für Infrarot Astronomie, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Es wird vom DLR Raumfahrtmanagement mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart durchgeführt. Der wissenschaftliche Betrieb wird auf deutscher Seite vom Deutschen SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart koordiniert, auf amerikanischer Seite von der Universities Space Research Association (USRA). Die Entwicklung der deutschen Instrumente ist finanziert mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des DLR.
GREAT
Der „German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies“ ist ein hochauflösendes Spektrometer für astronomische Beobachtungen bei fern-infraroten Wellenlängen zwischen 0,06 und 0,6 mm. Damit operiert GREAT in einem Spektralbereich, der wegen der Absorption der Erdatmosphäre von bodengebundenen Observatorien aus nicht zugänglich ist. Der modulare Aufbau des Instruments ermöglicht den kurzfristigen Einbau neuartiger Technologie. Mit dem GREAT-Empfänger an Bord des Flugzeugobservatoriums SOFIA sind seit 2011 mehr als 150 erfolgreiche Forschungsflüge durchgeführt worden. GREAT ist eine gemeinsame Entwicklung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn und KOSMA/Universität zu Köln, in Kooperation mit dem DLR-Institut für Optische Sensorsysteme in Berlin.
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