DSI bleibt bereit für den Betrieb von SOFIA über den 30. September 2022 hinaus. Eine Information der Universität Stuttgart, Deutsches SOFIA Institut.
Quelle: Universität Stuttgart.
3. Mai 2022 – Am Donnerstag den 28. April 2022 hat die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR zusammen mit der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA bekannt gegeben, dass sie den Betrieb der gemeinsam betriebenen fliegenden Sternwarte SOFIA (Stratosphären Observatorium Für Infrarot Astronomie) zum 30. September 2022 einstellen wollen.
Das Deutsche SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart nimmt die Ankündigung zur Kenntnis, distanziert sich jedoch von der Begründung für diese Entscheidung, die mit kritische Bemerkungen zu SOFIA im Decadal Survey Report „Pathways to Discovery in Astronomy and Astrophysics for the 2020s“ begründet wird. Der Decadal Report wurde am 4. November 2021 von der US-amerikanischen National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine herausgegebenen und enthält Empfehlungen für künftige Projekte und Richtungen der US-amerikanischen Weltraumforschung.
Kritik an der Entscheidung von NASA & dem DLR
Die sachliche Kritik des DSI betrifft die folgenden Punkte:
- Der Decadal Survey ist von seiner Anlage und Aufgabe nicht darauf angelegt, gegenwärtig laufende Projekte zu beurteilen, sondern soll vielmehr die wissenschaftlichen Potentiale künftiger Vorhaben einschätzen, was ein deutlich anderer Prozess ist. Die Akademie ist von NASA gebeten worden, im Decadal Survey Report dennoch zu SOFIA Stellung zu beziehen.
- Die Beurteilung durch den Decadal Survey beruht auf zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung bereits seit zwei Jahren veralteten Informationen.
- NASA hat auf Grund des Decadal Survey den für März dieses Jahres (2022) vorbereiteten und vom NASA eigenen Astrophysics Advisory Committee ausdrücklich empfohlenen „Senior Review“ kurzfristig abgesagt. Ein Senior Review wäre als Standardverfahren für solche Projekte in der Lage gewesen, SOFIA aktuell und in wissenschaftlich angemessener Weise zu beurteilen.
- Für den Decadal Survey wurden dagegen keine eigenen aktuellen Informationen erhoben, sondern es wurde auf vorhandenes Material Stand 2019 zurückgegriffen.
- NASA hat im September 2015 die vorgesehene 20-jährige Betriebsdauer von SOFIA ohne weitere Konsultation mit dem Partner einseitig auf eine 5-jährige Primär-Betriebsdauer verkürzt und spricht daher seit Juni 2019 nur noch von einer 3-jährigen „Extended Mission“. Eine solche Ansicht entspricht weder den Absprachen noch dem Verständnis der SOFIA Nutzergemeinschaft.
Auch wenn die im Decadal Survey an SOFIA geäußerte Kritik mit dem Wissenstand von 2019 sicher angemessen war, weist das DSI auf folgende Punkte hin:
- Die neue US-amerikanische wissenschaftliche Leitung von SOFIA hat in sehr proaktiver und dynamischer Art und Weise innerhalb kürzester Zeit auf alle im Jahre 2019 im Rahmen eines internen NASA Reviews geäußerten Kritikpunkte reagiert. SOFIA’s Publikationsrate ist inzwischen doppelt so hoch wie vor drei Jahren, die Beobachtungseffizienz und die Einsatzbereitschaft des Observatoriums sind signifikant angestiegen und die Zahl der Publikationen pro Beobachtungsstunde liegt bei einem angemessenen Wert, wenn man die erforderliche hohe technische Komplexität des fern-infraroten Wellenbereichs berücksichtigt.
- Der Im März veröffentlichte aktuelle SOFIA Statusbericht „Future & Prospects“ zeigt, dass SOFIA inzwischen auch auf US-amerikanischer Seite eine erfolgreiche Mission ist und steht im starken Widerspruch zu den Bewertungen im Decadal Survey.
- Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von deutschen Instituten sind überproportional erfolgreich bei der Nutzung von SOFIA und der damit verbundenen wissenschaftlichen Ausbeute. Auch die hohe Nachfrage nach den beiden von Deutschland beigestellten wissenschaftlichen Instrumenten sowie die im Vergleich sehr große Zahl von Doktorarbeiten weisen darauf hin, dass SOFIA insbesondere aus deutscher Perspektive eine sehr erfolgreiche Mission ist.
- Die deutsche astronomische Gemeinschaft steht daher zu Recht uneingeschränkt hinter SOFIA. Diese Unterstützung zeigt sich nicht nur in dem vom Rat deutscher Sternwarten (RdS) herausgegebene Denkschrift „Perspektiven der Astrophysik in Deutschland 2017-2030“, in dem bereits 2016 die Fortführung und Weiterentwicklung von SOFIA ausdrücklich empfohlen wurde. Die Unterstützung wurde Anfang 2022 nun nochmals in einem Schreiben des RdS an das DLR bekräftigt, in dem die Raumfahrtagentur aufgefordert wurde, NASA gegenüber die Interessen der deutschen astronomische Gemeinschaft zu vertreten und sich insbesondere für eine aktuelle wissenschaftliche Bewertung im Rahmen des ursprünglich geplanten Senior Reviews einzusetzen.
- Die „German SOFIA Science Working Group“ (GSSWG), das wissenschaftliche Beratungsgremium der DLR-Raumfahrtagentur für SOFIA hat darauf hingewiesen, dass ein vorzeitiges Ende von SOFIA aus seiner Sicht einen nicht vertretbaren Verlust bereits investierter finanzieller Mittel und des über die vergangenen Jahrzehnte aufgebauten Know-Hows bedeuten würde.
DSI bleib in Betriebsbereitschaft
Wie geht es nun weiter? „Das letzte Wort über die Weiterfinanzierung des Projektes hat auf US-amerikanischer Seite der Kongress, der seinen Haushaltsvorschlag für das Jahr 2023 voraussichtlich erst im Juli vorlegen wird“, so Alfred Krabbe, Leiter des DSI, das auf deutscher Seite den Betrieb von SOFIA koordiniert. „In der Vergangenheit hat der Kongress SOFIA stets unterstützt“. Seine Hoffnung auf wenigstens ein weiteres Betriebsjahr stützt Krabbe vor allem auf die hohen Investitionskosten auf US-Seite, die sich nach bislang acht Jahren Betriebszeit noch nicht amortisiert haben. Außerdem gibt er zu bedenken, dass SOFIA gegenwärtig und für die nächsten 10 – 15 Jahre das weltweit einzige Observatorium ist, dass den ferninfraroten Wellenlängenbereich des elektromagnetischen Spektrums abdecken kann (derzeit bis 612 µm). Das gerade in Betrieb gegangene James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) und SOFIA ergänzen sich in idealer Weise. Für JWST ist bei der Wellenlänge von 27 µm Schluss; dort beginnt jedoch SOFIA erst richtig. „Das JWST kann SOFIA keineswegs ersetzen“, betont Krabbe.
Auch in der US-Community regen sich Widerstände gegen das vorzeitige Betriebsende von SOFIA. Am 3. Mai wird es ein NASA Townhall meeting geben, bei dem die amerikanischen Pläne zur Beendigung der SOFIA-Projektes diskutiert werden sollen. Die nachhaltigen negativen Folgen eines überstürzten Endes der SOFIA Mission könnten dort ebenfalls zur Sprache kommen. Auch das astrophysikalische Beratungsgremium der NASA (APAC) hat in einem Schreiben vom 18. April dieses Jahres (2022) die NASA bereits von einem vorschnellen Ende der SOFIA Mission abgeraten und die Durchführung des Beobachtungszyklus 2023 gefordert.
Das DSI wartet zunächst die Entscheidung des US-Kongresses ab und bleibt daher bis auf weiteres bereit, mit seinem Team den Betrieb von SOFIA und des deutschen Teleskops auch über den 30. September 2022 hinaus zu gewährleisten.
Über SOFIA:
SOFIA, das Stratosphären Observatorium Für Infrarot Astronomie, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR; Förderkennzeichen 50OK0901, 50OK1301, 50OK1701 und FKZ 50 OK 2002 und der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Es wird auf Veranlassung des DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart durchgeführt. Der wissenschaftliche Betrieb wird auf deutscher Seite vom Deutschen SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart koordiniert, auf amerikanischer Seite von der Universities Space Research Association (USRA). Die Entwicklung der deutschen Instrumente ist finanziert mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des DLR.
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