SOFIA – Das fliegende Auge

Das deutsch-amerikanische Gemeinschaftsprojekt wird ab 2005 mit Hilfe eines flugzeuggestützten Infrarotteleskops die lange und erfolgreiche Geschichte dieser Teleskoptypen fortsetzen.

Ein Beitrag von Michael Stein.

Das Kuiper Airborne Observatory (KAO), bis 1995 eingesetzter erfolgreicher Vorgänger von SOFIA, während eines Einsatzfluges. Bei diesem Flugzeug war die Teleskopöffnung im Rumpf vor den Flügeln angebracht (dunkles Rechteck). (Foto: NASA)

Voraussichtlich ab 2005 wird sich nach fast zehnjähriger Pause wieder ein Infrarotteleskop an Bord eines Flugzeuges in die Luft erheben: SOFIA (= Stratospheric Observatory For Infrared Astronomy). Nachdem schon die ersten flugzeuggestützten Infrarotteleskope mit weitaus bescheideneren Mitteln als für SOFIA vorgesehen eine Vielzahl wissenschaftlicher Entdeckungen ermöglicht haben, sind die Erwartungen an das deutsch-amerikanische Gemeinschaftsprojekt hoch. Mindestens zwanzig Jahre lang sollen durchschnittlich drei bis vier Beobachtungsflüge pro Woche stattfinden.

Teleskope an Bord von Flugzeugen – ein Anachronismus?
Im Zeitalter satellitengestützter Weltraumteleskope erscheint es vielleicht zunächst etwas unverständlich, warum ausgerechnet ein Flugzeug ein geeigneter und sinnvoller Standort für ein Teleskop sein soll. Erdgebundene Teleskope machen mit Hilfe computerkorrigierter Spiegelsysteme mittlerweile früher nicht für möglich gehaltene Aufnahmen und können dabei gigantische Spiegel einsetzen, um auch noch kleinste Lichtmengen zu sammeln. Allerdings sind solche Teleskope für die Beobachtung infraroter Strahlung nicht geeignet, da der Wasserdampf in den unteren Schichten der Erdatmosphäre so gut wie sämtliche infrarote Strahlung aus dem Weltraum absorbiert.

Satellitengestützte Infrarotteleskope haben dieses Problem natürlich nicht. Gegenüber SOFIA haben sie darüber hinaus den großen Vorteil, dass sie bei deutlich niedrigeren Temperaturen (nur relativ knapp über dem absoluten Nullpunkt von etwa -271° C) arbeiten, wodurch das „thermische Hintergrundrauschen“ sehr gering ist und deshalb auch die Beobachtung sehr schwacher infraroter Quellen innerhalb und außerhalb unseres Sonnensystems möglich wird.

Und doch hat ein Infrarotteleskop wie SOFIA seine Berechtigung. Dem Nachteil der relativ aufwendigen Technik, die zur Absorption der Triebwerks- und Luftvibrationen erforderlich ist, stehen gleich mehrere Vorteile gegenüber. So können satellitengestützte Infrarotteleskope – die einzige wirkliche Alternative zu Teleskopen wie SOFIA – aus Kostengründen nur mit deutlich kleineren Spiegeln ausgestattet werden als es bei SOFIA der Fall ist. Auch die Flexibilität eines flugzeuggestützten Teleskops, das beim Auftreten interessanter kosmischer Ereignisse jeden beliebigen Punkt des Nachthimmels (egal ob auf der Nord- oder Südhalbkugel) schnell ins Visier nehmen kann, ist bei Weltraumteleskopen meistens aufgrund feststehender Erdumlaufbahnen so nicht gegeben. Ein weiterer Vorteil von SOFIA ist die Möglichkeit, mit ständig wechselnden Mess- und Beobachtungsinstrumenten zu arbeiten: Der Teleskopspiegel selbst ist natürlich eine fixe Größe, aber an das Teleskop können die verschiedensten Instrumente zur Auswertung der von SOFIA aufgefangenen Strahlung angeschlossen werden. Dadurch ist während der auf 20 Jahre angelegten Lebensdauer des Teleskops auch eine ständige Verbesserung der Leistungsfähigkeit möglich, während Weltraumteleskope (von Hubble einmal abgesehen) ihre gesamte Lebensdauer über mit dem Satz von Instrumenten und Kameras arbeiten müssen, der ihnen beim Start des Teleskops mit auf den Weg gegeben wurde.

Zu guter Letzt ist natürlich SOFIA viel wartungsfreundlicher als jedes Weltraumteleskop. Sollte hier einmal eine Komponente versagen, so kann sie jederzeit ausgetauscht werden, was bei Satelliten entweder überhaupt nicht oder aber nur mit exorbitantem Aufwand möglich ist. Es gibt also gute Gründe, die langjährige und erfolgreiche Geschichte der flugzeuggestützten Infrarotteleskope fortzusetzen.

Die Vorgänger von SOFIA

Beim LJO ist auf dieser Aufnahme gut das Teleskop zu sehen, das an Stelle eines Kabinenfensters eingebaut worden ist. (Foto: NASA)

In den 1960er Jahren kam der niederländisch-amerikanische Astronom Gerard Kuiper (der Namensgeber des Kuiper-Gürtels und ein Wegbereiter der modernen Planetenwissenschaften) auf die Idee, an Bord eines Forschungsflugzeugs der NASA, das bis dahin nur für Studien der Erdatmosphäre und -ionosphäre genutzt worden war, ein Infrarotteleskop zu installieren. Obwohl das Flugzeug für diesen Zweck ursprünglich nicht vorgesehen war und die installierten Teleskope deshalb nur durch die Flugzeugfenster Aufnahmen machen konnten, gelangen bald interessante wissenschaftliche Entdeckungen: so wurde durch diese ersten flugzeuggestützten Infrarotteleskope Wassereis in den Saturnringen entdeckt wie auch festgestellt, dass die dichte Wolkendecke der Venus, anders als bis dahin angenommen, nicht aus Wasserdampf besteht. Galileo (so der Name dieses ersten Flugzeugs mit einem Infrarotteleskop an Bord) wurde im Jahr 1973 tragischerweise bei einem Zusammenstoß mit einem anderen Flugzeug zerstört, doch bereits vorher wurde aufgrund der erzielten Erfolge ein zweites Flugzeug mit einem Teleskop ausgestattet.

Diesmal war es ein kleiner Lear-Jet, bei dem im Jahr 1967 ein Kabinenfenster herausgenommen und damit einem 30 cm-Teleskop eine ungehinderte Beobachtungsmöglichkeit Richtung Himmel gegeben wurde. Die Arbeitsbedingungen für die Astronomen an Bord des Lear Jet Observatory (LJO) waren äußerst primitiv: Da der Lear-Jet über keine Kabine mit Druckausgleich verfügte, mussten während des Flugs voluminöse Atemmasken getragen werden, die Temperaturen an Bord schwankten stark und der Beobachter musste auf dem Boden sitzen. Dennoch gelangen mit diesem Flugzeug aufsehenerregende Erfolge: So entdeckten die Astronomen, dass Jupiter und Saturn mehr Energie abstrahlen, als sie von der Sonne erhalten (was bedeutet, dass sie über interne Energiequellen verfügen müssen), und sie beobachteten erstmals das Innere interstellarer Wolken, die im sichtbaren Licht nicht zu durchdringen waren.

Das Kuiper Airborne Observatory (KAO), bis 1995 eingesetzter erfolgreicher Vorgänger von SOFIA, während eines Einsatzfluges. Bei diesem Flugzeug war die Teleskopöffnung im Rumpf vor den Flügeln angebracht (dunkles Rechteck). (Foto: NASA)

Der nächste Schritt war dann im Jahr 1974 die Indienststellung des Kuiper Airborne Observatory (KAO) durch die NASA. In eine umgebaute Zivilversion des Militärtransporters C-141 Starlifter wurde vor dem linken Flügel ein Loch geschnitten, durch das ein 91,5 cm-Teleskop den Sternenhimmel beobachtete. Das Teleskop wurde während der Starts und Landungen durch ein Rolltor geschützt, das erst nach Erreichen der Betriebshöhe geöffnet wurde. Gegenüber dem LJO stellte dies natürlich einen enormen Fortschritt dar, denn das neue Teleskop konnte aufgrund der ungleich größeren Spiegelfläche auch entsprechend mehr Infrarotstrahlung sammeln und gleichzeitig eine größere Auflösung erzielen. Gleichwohl waren die Arbeitsbedingungen immer noch nicht optimal zu nennen, da das Flugzeug, anders als reine Zivilmaschinen, nur eine rudimentäre thermale Isolierung der Kabine gegenüber den extrem niedrigen Außentemperaturen in großer Höhe bot. Außerdem waren die Triebwerke der C-141 laut und vibrierten stark, was die Beobachtungen erschwerte. Und dennoch war auch diesmal die wissenschaftliche Ausbeute während der rund 20jährigen Betriebszeit bis zum Jahr 1995 mehr als reichlich. Zur langen Liste, die an dieser Stelle aufzuzählen wäre, gehört beispielsweise die Entdeckung der Uranusringe und einer dünnen Methanatmosphäre auf Pluto, die Bestätigung der schon vorher geäußerten Vermutung, dass Kometen teilweise aus Wasser bestehen, sowie die Gewinnung von Daten über die Verteilung von Wasser und organischen Molekülen im interstellaren Raum.

Das Flugzeug
Im Vergleich zu ihren Vorgängern wird SOFIA geradezu luxuriös ausgestattet sein. Bei der Maschine – eine 1977 unter der Flagge von Pan Am in Dienst gestellte Boeing 747 SP – handelt es sich um eine verkürzte Version des berühmten „Jumbo Jets“. Sie hat nicht nur den Vorteil, dass sie von Beginn an als Passagierflugzeug konzipiert gewesen ist und deswegen den Wissenschaftlern und übrigen Passagieren ein komfortables Arbeitsumfeld bietet, wichtiger noch ist ihre Auslegung als Langstreckenflugzeug. Während dies früher vor allem wichtig war, um weite Strecken ohne Zwischenstopp zurücklegen zu können, bedeutet dies für den zukünftigen Einsatz des Flugzeugs, dass es lange in der Luft bleiben kann – so sind pro Einsatz durchschnittliche Betriebszeiten von über sechs Stunden geplant, in denen das Flugzeug oberhalb der Mindesteinsatzhöhe von rund 12 km fliegt und das Teleskop aktiv ist.

Schematische Darstellung des rückwärtigen Teils von SOFIA. Deutlich ist hier die Achse zu sehen, die vom Teleskop aus durch das Druckschott in den Passagierraum führt und durch deren Inneres die vom Teleskop eingefangene Strahlung zu den Messinstrumenten gelangt. (Grafik: DLR)

In den Rumpf der Boeing 747 wird für das Teleskop hinter den Flügeln auf der linken Seite ein Loch in den Rumpf geschnitten, durch das später einmal das Infrarotteleskop himmelwärts blicken wird. Das Teleskop wird bei Start und Landung sowie am Boden durch ein Rolltor geschützt, das erst nach Erreichen der Einsatzhöhe geöffnet wird. Der Passagierraum ist durch ein Druckschott von dem Teleskop getrennt und bietet den üblicherweise zehn bis 15 Wissenschaftlern und Teleskopoperateuren während der Einsätze komfortable Arbeitsbedingungen. Im vorderen Bereich der Maschine ist zudem Platz für Journalisten, Lehrer und andere Gäste vorgesehen, die auf den Flügen von SOFIA mitgenommen und dabei über dieses Projekt informiert werden können.

SOFIA wird auf dem Flugplatz Mofett Field des NASA-eigenen Ames Research Center in Kalifornien stationiert sein, allerdings wird es, wie bereits erwähnt, auch immer wieder längere Einsätze in der südlichen Hemisphäre fliegen. Zurzeit wird das Flugzeug auf den Einbau des Teleskops vorbereitet, das Anfang September in den USA eingetroffen ist. Nach Aufnahme des planmäßigen Betriebs Anfang 2005 hoffen die Wissenschaftler, SOFIA mindestens 20 Jahre lang nutzen zu können.

Das Teleskop
Das Herzstück von SOFIA ist natürlich das in drei Achsen beweglich gelagerte Teleskop. Das in Deutschland gebaute Spiegelteleskop ist ein so genanntes Cassegrain-Teleskop mit Nasmyth-Fokus. Es ist in eine Trägerstruktur eingebettet, die eine hantelartige Form aufweist, wobei das eine Ende der „Hantel“ den aus kohlefaserverstärktem Kunststoff bestehenden Rahmen für das Teleskop bildet und an das andere Ende die Messinstrumente angeschlossen werden können. Durch die Achse der gesamten Vorrichtung wird die von dem Teleskop gesammelte infrarote und sichtbare Strahlung zu den Messinstrumenten geführt. Sie durchquert das Druckschott, welches das Teleskop von der Passagierkabine trennt, so dass der Austausch von Messinstrumenten bequem im Arbeitsbereich der Wissenschaftler und Teleskopoperateure erfolgen kann.

Der in Deutschland hergestellte Hauptspiegel von SOFIA beim abschließenden Polieren. Die gut erkennbare wabenförmige Struktur des Spiegels ermöglicht ein deutlich geringeres Gewicht, als es bei massiver Bauweise der Fall gewesen wäre. (Foto: DLR)

Um Vibrationen so weit wie möglich zu minimieren, sind aufwendige Vorkehrungen getroffen worden. Zum einen wird die aus zwei Teilen bestehende Rolltür immer nur so weit geöffnet, wie es für die Arbeit des Teleskops unbedingt notwendig ist. Darüber hinaus ist der hintere Teil der Rolltür aerodynamisch so geformt, dass im Inneren der Bucht, die das eigentliche Teleskop beherbergt, möglichst wenig Turbulenzen entstehen – keine leichte Aufgabe, wie jeder Autofahrer weiß, der einmal bei Tempo 150 auf der Autobahn die Seitenfenster geöffnet hat (wobei es hier um doch etwas andere Geschwindigkeiten geht: immerhin um die 0,8fache Schallgeschwindigkeit). Weiterhin besitzt die von MAN hergestellte Trägerstruktur des Teleskops computergesteuerte Ausgleichssysteme, die Turbulenzen bis zu einem gewissen Maß vollautomatisch kompensieren können. Um die Ausrichtung des Teleskops nicht durch Triebwerksvibrationen zu beeinträchtigen, ist die zentrale Achse des Gesamtsystems (der „Hantel“) durch 12 luftgefüllte Dämpfer vom Rest der Flugzeugstruktur getrennt. In der Summe können die hier beschriebenen Systeme das Teleskop erstaunlich weit von den durch Flugzeugtriebwerken und Luftturbulenzen hervorgerufenen Beeinträchtigungen abkoppeln.

Das solchermaßen gebettete Teleskop besteht aus dem 2,5 m durchmessenden Hauptspiegel aus Zerodur, einem gegen temperaturbedingte Verformungen extrem unempfindlichen Material. Diese Eigenschaft ist wichtig, da das Teleskop nicht in einem klimatisierten Umfeld betrieben wird und deswegen auch keine konstante Betriebstemperatur gewährleistet werden kann (üblicherweise liegt sie bei etwa -40° bis -60° C). Um Gewicht zu sparen, ist der Hauptspiegel des Teleskops nicht massiv, sondern weist eine wabenförmige Struktur auf. Er sammelt und fokussiert die einfallende Infrarotstrahlung und reflektiert sie zu einem ihm gegenüber angebrachten, rund 35 cm im Querschnitt messenden Sekundärspiegel. Von diesem Spiegel wird die Strahlung noch einmal fokussiert und reflektiert und trifft dann auf zwei Tertiärspiegel. Die Aufgabe dieser Spiegel ist nun jedoch nicht mehr eine weitere Fokussierung der gesammelten Strahlung, sondern alleine die Ablenkung der aufgefangenen infraroten und sichtbaren Strahlung, so dass sie das Teleskop seitlich in Richtung der Messinstrumente verlassen kann. Der vordere, für sichtbares Licht durchlässige Spiegel ist dabei für die Umleitung der infraroten Strahlung (mit Wellenlängen von 0,3 bis 1.600 Mikrometer) zuständig, während die sichtbare Strahlung durch den hinteren Spiegel um 90° abgelenkt wird.

Die Instrumente zur Auswertung der vom Teleskop gesammelten infraroten Strahlung können während der gesamten Betriebsdauer immer wieder durch neuere, leistungsfähigere Detektoren ersetzt werden, so dass die Leistungsfähigkeit des gesamten Systems ständig verbessert werden kann. Für den Anfang ist ein Satz von zehn Instrumenten bestimmt worden, wobei zwei Instrumente (die Spektrometer GREAT und FIFI LS) aus Deutschland kommen.

Ausblick
Die Messlatte für SOFIA liegt angesichts der Erfolge der SOFIA-Vorgänger hoch, aber aufgrund der exzellenten Ausstattung dieses zur Zeit noch im Bau befindlichen Flugzeugteleskops können die Projektwissenschaftler der Mission die vor ihnen liegende Herausforderung guten Mutes annehmen. Wir werden in den nächsten Jahren sicherlich regelmäßig von neuen Erkenntnissen berichten können, die mit diesem neuesten Vertreter flugzeuggestützter Teleskope gewonnen worden sind. Erst Teleskope vom Schlage des geplanten Hubble-Nachfolgers James Webb Space Telescope werden die Leistungsfähigkeit von SOFIA in jeder Beziehung übertreffen können – das allerdings zu deutlich höheren Kosten.

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