Mit Hilfe des FEEDBACK Programms der fliegenden Infrarot-Sternwarte SOFIA haben Forscher und Forscherinnen das erste hochauflösende Bild einer expandierenden Blase aus heißem Plasma und ionisiertem Gas erstellt, in der gerade Sterne geboren werden. Eine Information der Universität Stuttgart, Deutsches SOFIA Institut.
Quelle: Universität Stuttgart.
14. Juli 2021 – Das Team um Maitraiyee Tiwari von der University of Maryland (UMD) hat den Sternhaufen Westerlund 2, eine der hellsten und massivsten Sternentstehungsregionen in der Milchstraße analysiert. Ihre Untersuchungen zeigen, dass Westerlund 2 nur von einer einzigen sich ausdehnende Blase aus warmem Gas umgeben ist – statt von zweien, wie frühere Studien bislang vermuten ließen. Außerdem identifizierten sie den Ursprung dieser Blase sowie die Energie, die ihre Expansion antreibt. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Zeitschrift The Astrophysical Journal veröffentlicht.
„Wenn sich massereiche Sterne bilden, stoßen sie im Vergleich zu unserer Sonne viel größere Mengen von Protonen, Elektronen und Atomen schwerer Elemente aus“, sagt Maitraiyee Tiwari, die Erstautorin der Veröffentlichung. „Diese Ausstöße werden stellare Winde genannt und sind in Extremfällen in der Lage, Blasen in den umgebenden Wolken aus kaltem, dichtem Gas zu formen. Wir haben genau eine solche Blase beobachtet, die um den hellsten Sternhaufen in dieser Region der Galaxie zentriert ist, und konnten ihren Radius, ihre Masse und die Geschwindigkeit, mit der sie expandiert, messen.“
Das detaillierte Bild um Westerlund 2 erstellten Tiwari und ihr Team, indem sie die vom Haufen ausgesandte Strahlung über das gesamte elektromagnetische Spektrum – von hochenergetischer Röntgenstrahlung bis hin zu niederenergetischen Radiowellen – gemessen haben. Frühere Daten im Radio- und Submillimeter-Wellenlängenbereich zeigten weder die Blase noch wie sie sich in das umgebende Gas ausdehnt. Zu den wichtigsten Messungen dieser aktuellen Studie gehören die Ferninfrarot-Daten des ionisierten Kohlenstoffs bei einer Wellenlänge von 157 µm, die derzeit nur mit SOFIA beobachtet werden können.
Durch die Ausdehnungsbewegung der Blase wird die Wellenlänge dieser Linie leicht gedehnt oder gestaucht und führt zur sogenannten Rot- oder Blauverschiebung – je nachdem, ob sich die Quelle von der Erde weg oder auf sie zu bewegt. Aus der Verschiebung der Wellenlänge konnte Tiwari mit ihren Kollegen und Kolleginnen die Ausdehnungsbewegung der Blase ableiten. Kombiniert mit den Messungen aus dem restlichen elektromagnetischen Spektrum ergibt sie eine 3D-Ansicht des sich ausdehnenden Sternwinds um Westerlund 2.
Die Forschenden fanden zusätzlich Hinweise auf die Bildung neuer Sterne in der Hüllenregion dieser Blase. Die aktuelle Studie deutet auch darauf hin, dass die Blase bei ihrer Ausdehnung an einer Seite aufbrach, wodurch heißes Plasma freigesetzt wurde und die Ausdehnung der Hülle vor etwa einer Million Jahren verlangsamt wurde. Nach weiteren 200.000 bis 300.000 Jahren, entwickelte sich jedoch ein weiterer besonders heller Stern in Westerlund 2, ein sogenannter Wolf-Rayet Stern, dessen starke Winde die Ausdehnung der Westerlund-2-Schale wieder in Gang bringen.
„Wir haben gesehen, dass die Ausdehnung der Blase, die Westerlund 2 umgibt, durch die Winde eines anderen sehr massereichen Sterns wieder angekurbelt wurde, so dass der Prozess der Ausdehnung und der Sternentstehung wieder von vorne begonnen hat“, so Tiwari. „Wir gehen also davon aus, dass in dieser Hülle noch lange Zeit – wenn auch weniger massereiche – Sterne geboren werden.“
Diese Beobachtungen in Westerlund 2 wurden im Rahmen von SOFIAs FEEDBACK Programm durchgeführt, ein internationales Projekt unter der Leitung von Nicola Schneider von der Universität zu Köln und Alexander ‚Xander‘ Tielens von der University of Maryland, mit dem die Forschenden verstehen möchten, welche Prozesse die Sternentstehung hauptsächlich antreiben und regulieren und wie sie sich zwischen den verschiedenen Sternentstehungsgebieten unterscheiden. Dabei kommt upGREAT, eine der fortgeschrittenen Konfigurationen des German REceiver for Astronomy at Terahertz Frequencies des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie und der Universität zu Köln, zum Einsatz. „Die anderen Regionen, die wir mit FEEDBACK untersuchen, befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien, aber bisher haben wir überall die sich ausdehnenden Blasen gefunden“ so Schneider. „Und jetzt sind wir gespannt, ob sich dieses Phänomen in weiteren Quellen, die wir im Sommer von Französisch-Polynesien aus beobachten wollen, fortsetzt.“
Bernhard Schulz, SOFIA Science Mission Operations Deputy Director vom Deutschen SOFIA Institut, das an der Universität Stuttgart SOFIAs Betrieb auf deutscher Seite koordiniert, ergänzt: „Dieses Programm ist eine Langzeitstudie, die sich über mehrere Jahre erstreckt. Das SOFIA Team möchte damit den kommenden Generationen von Astronominnen und Astronomen möglichst umfangreiche und vollständig archivierbare Datensätze zur Verfügung stellen. Das ermöglicht weitere spektakuläre Erkenntnisse im Bereich der Sternentstehung durch zukünftige Datenanalysen, sowohl unter neuen Blickwinkeln, als auch zusammen mit Daten von neuen Observatorien, die heute noch nicht existieren.“
Originalveröffentlichung: SOFIA FEEDBACK Survey: Exploring the Dynamics of the Stellar Wind–Driven Shell of RCW 49, M. Tiwari et al., ApJ 914 117