Die Mission von SMART 1, Europas erster Mondsonde, geht ihrem Ende entgegen. Am 19. Juni hat die ESOC-Steuerzentrale in Darmstadt eine Reihe von Korrekturmanövern der Raumsonde eingeleitet. Sie bereiten den Aufschlag von SMART 1 auf der erdzugewandten Seite des Mondes am 3. September um 7:41 Uhr vor.
Ein Beitrag von Ingo Froeschmann. Quelle: ESA.
Noch funktioniert SMART 1 sehr gut. Aber die 82 kg Xenon-Treibstoff des Ionentriebwerks sind nahezu aufgebraucht, so dass die für einen weitergehenden Einsatz der Hightechsonde erforderlichen Bahnkorrekturen nicht mehr möglich sind. 100 Millionen Kilometer Flugstrecke hat Europas kleine Mondsonde bereits hinter sich gebracht.
Um der Wissenschaft dennoch einen letzten Dienst zu erweisen, leiteten die Flugingenieure am Europäischen Satellitenkontrollzentrum ESA/ESOC am 19. Juni eine Serie von Kurskorrekturen der Mondsonde ein. Dabei hoben sie den mondnächsten Punkt der Umlaufbahn ein letztes Mal um 90 Kilometer an. Das Verfahren war recht aufwändig: Jeweils im mondfernsten Punkt des elliptischen Orbits wurden die Düsen des Lagekontrollsystems gezündet. Nach 66 aufeinander folgenden Umläufen war die Zielhöhe erreicht, ursprünglich waren 74 geplant.
Für diese Manöver stand noch ein Restbestand von 5,8 Kilogramm Treibstoff des Lagekontrollsystems zur Verfügung. Ziel der am 2. Juli abgeschlossenen Aktion war es, den Zeitpunkt des Aufschlags von SMART 1 so zu verändern, dass die Raumsonde auf der erdzugewandten Seite des Mondes niedergeht. Derzeit analysieren die Flugbahnspezialisten die neue Bahn und werden diese, wenn nötig, noch einmal nachjustieren. Dafür sind weitere Korrekturzündungen am 25. August sowie am 1. und 2. September geplant.
Das Ende: Eine Mondstaubwolke
SMART 1 wird am frühen Morgen des 3. September auf der Mondoberfläche aufschlagen. Der Einschlag soll durch mehrere erdgebundene Großteleskope und die weltweite Gemeinde der Amateurastronomen in einer koordinierten Aktion beobachtet werden, wovon sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über die Zusammensetzung der Mondoberfläche erhoffen. „Zum anderen“, so der zuständige ESA-Projektwissenschaftler Bernard Foing, „konnten durch die Orbitanhebung einige Wochen Beobachtungszeit bei äußerst günstigen Beleuchtungsverhältnissen gewonnen werden.“
Dennoch nähert sich die Raumsonde rasant der Mondoberfläche. Das permanente Absinken wird den weiteren Betrieb ihrer Bordsysteme und Beobachtungsinstrumente in zunehmendem Maße beeinträchtigen. Das SMART-Team in der lunaren Steuerzentrale am ESOC in Darmstadt will jedoch alles tun, um die Mondsonde so lange wie möglich funktionstüchtig zu halten.
Ob die Beobachtung der beim Aufschlag hochgeschleuderten Materie tatsächlich in größerem Maße neue Erkenntnisse über die Beschaffenheit der Mondoberfläche bringen wird, bleibt abzuwarten. Zweifellos aber hat SMART 1 als Demonstrationsmission neuer Technologien der europäischen Raumfahrt zu vielen wertvollen Erkenntnissen und unschätzbaren Erfahrungen verholfen, von denen zukünftige Forschungsmissionen der ESA, wie der Solar Orbiter (Start 2015) und BepiColombo zum Merkur (Start 2013) mit Sicherheit profitieren werden. Insoweit ist es gerechtfertigt, die Mission von SMART 1 bereits vor ihrem spektakulären Ende als einen großen Erfolg zu bezeichnen.
Hintergrund von Europas erster Mondmission
Der Start der 367 kg schweren Hightech-Sonde SMART 1 erfolgte – zusammen mit zwei weiteren Satelliten – mit einer Ariane 5 am 27. September 2003 vom Europäischen Weltraumhafen Kourou in Französisch-Guyana. SMART 1 verkörpert den Prototyp des neuen ESA-Programms „Small Missions for Advanced Research and Technology“, bei dem es um die Erprobung innovativer Technologien für Wissenschaft, Forschung und deren Anwendung geht. Ziel des Programms ist es, neue Lösungen zu finden, um die Kosten für Weltraummissionen zu senken, der europäischen Industrie Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und die Spitzenposition der europäischen Raumfahrt in technischem Know-how zu verteidigen. Hauptaugenmerk wird daher auf die Miniaturisierung gelegt. So steht SMART auch für klein, kostengünstig und kompakt.
SMART 1 führt zehn Experimente mit, die der Erprobung neuer Geräte und Verfahren für künftige Missionen sowie der Erforschung des Mondes dienen. Hauptaufgabe ist der Test des neuartigen solar-elektrischen Antriebssystems für den interplanetaren Raum, besser bekannt als Ionenantrieb. Hierbei handelt es sich um eine Schlüsseltechnologie, durch die kommende ESA-Missionen erst ermöglicht werden.
SMART 1 geriet Ende Oktober 2003 in einen der stärksten Sonnenstürme. Das Bombardement der energiereichen Teilchen von der Sonne wirkte sich besonders auf die strahlungsempfindliche Elektronik aus. Es traten Probleme mit einem Sternensensor auf, der für die Lagesteuerung der Raumsonde unerlässlich ist. Es folgte ein extrem langer Flug durch den die Erde umgebenden gefährlichen Van-Allen-Strahlungsgürtel.
Das ESOC-Team hat alle Probleme hervorragend gemeistert. SMART 1 absolvierte den gut einjährigen Flug zum Mond mit Bravour. Im November 2004 wurde die Sonde von der Schwerkraft unseres natürlichen Trabanten in einen ersten Mondorbit gelenkt. Es folgten eineinhalb erfolgreiche Jahre, in denen eine Vielzahl wissenschaftlich interessanter Aufnahmen und Messdaten vom Erdmond übermittelt wurden.