SLS: Modifizieren, Bauen, Testen

Die Arbeiten an der Infrastruktur für die neue Schwerlastrakete der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur NASA, genannt Space Launch System (SLS), machen stetig Fortschritte. Zu dieser Infrastruktur zählt der Leichter „Pegasus“, der momentan modifiziert wird, um die Hauptstufe des SLS zu befördern. Auch hat die Konstruktion eines Teststandes für einen Treibstofftank begonnen. Unterdessen gehen Aerodynamiktests an dem SLS selbst in die nächste Runde.

Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: NASA, NSF.

NASA
Pegasus zu Shuttle-Zeiten.
(Bild: NASA)

Seit 2002 beförderte er den External Tank (ET) des Space Shuttles: Der Leichter „Pegasus“. Nachdem sie in der Michoud Assembly Facility (MAF) im US-Bundesstaat New Orleans hergestellt wurden, wurden die orangefarbenen Tanks auf Pegasus verladen. Der Leichter wurde daraufhin mithilfe eines NASA-Schiffes durch den Golf von Mexiko zum Kennedy Space Center (KSC) gezogen, in dem der ET auf den Start ins All mit dem Space Shuttle vorbereitet wurde.

Doch seit 2011, dem letzten Flug des Space Shuttles mit der Mission STS-135, wurde es ruhig um den Leichter. Seine letzte Aufgabe war es, die Haupttriebwerke des Space Shuttles vom KSC zum Stennis Space Center im Bundesstaat Mississippi zu befördern, in dem sie für den Einsatz in der Hauptstufe des Space Launch System (SLS) modifiziert werden, der neuen Schwerlastrakete der NASA. Doch Pegasus wird –wie viele andere Elemente aus dem Space Shuttle-Programm- weiterverwendet werden, und zwar zum Transport der gewaltigen Hauptstufe des SLS. Ende 2016 soll die erste Hauptstufe innerhalb des Leichters zu dem B-2 Teststand des Stennis Space Center transportiert werden, der gerade für Tests der Hauptstufe modifiziert wird. Auch alle Hauptstufen, die tatsächlich bei SLS-Flügen zum Einsatz kommen sollen, sollen mithilfe von Pegasus von der MAF zum KSC gebracht werden, in dem sie vorbereitet und mit anderen Elementen des SLS verbunden wird.

NASA/MAF
Das Zentralsegment von Pegasus wird konstruiert.
(Bild: NASA/MAF)

Für diesen Zweck müssen jedoch zahlreiche Modifikationen an dem Leichter erfolgen. Zum einen ist Pegasus in der jetzigen Form zu kurz für die über 60 Meter lange Hauptstufe. Deshalb wird momentan in einer Werft der Firma Conrad Shipyard in Amelia, Louisiana, ein neues, etwa 50 Meter langes Zentralsegment gebaut. Es soll ein nur 35 Meter langes Segment ersetzen, dies soll voraussichtlich noch diesen Herbst geschehen. Danach wird Pegasus etwa 95 Meter lang sein. Auch muss der Leichter für das höhere Gewicht der Hauptstufe des SLS im Verhältnis zum External Tank des Space Shuttles zertifiziert werden. Alle Arbeiten werden –mit Unterstützung von dem Ingenieurkorps der US-Armee- von Conrad Shipyards ausgeführt, die Firma hatte dafür am 14. Mai von der NASA einen Vertrag über 8,5 Millionen Dollar erhalten. Bis jetzt gibt es keine Verzögerungen bei den Arbeiten, der Abschluss von ihnen ist für Anfang 2015 geplant.

SpaceX
Eine Testversion der Falcon 9 landet auf ihrem Schubstrahl.
(Bild: SpaceX)

Auch ein anderer Leichter entsteht momentan bei Conrad Shipyards. Dieser wurde jedoch nicht von der NASA, sondern von dem privaten Raumfahrt-unternehmen SpaceX in Auftrag gegeben. Mit diesem Leichter hat SpaceX spektakuläre Pläne: Sie planen, auf diesem Schiff eine zurückkehrende Erststufe ihrer Falcon 9 -Trägerrakete zu landen. Diese Erststufe soll einmal ausschließlich mit dem Schubstrahl ihrer Merlin-Haupttriebwerke im Flug wenden und zu einer Landestelle zurückkehren, nachdem sie gestartet ist und von der restlichen Rakete abgetrennt wurde. Bei dieser Landestelle angekommen bremst sie ebenfalls mithilfe der Triebwerke ab, landet dann und kann für den nächsten Flug noch einmal verwendet werden. Dadurch erhofft sich SpaceX, Startkosten zu sparen. Dieser Leichter soll nun als vorläufige, schwimmende Landeplattform dienen. Der Gründer von SpaceX, Elon Musk, gab bekannt, dass bereits beim nächsten Flug der Falcon 9, eine Versorgungsmission zur Internationalen Raumstation, eine Landung auf der schwimmenden Plattform angestrebt wird. Sie wird 50×90 m messen und mit einem Peilsender zum zielgenaueren Anflug der Erststufe ausgestattet sein.

NASA
So soll der Teststand für den LH2-Tank einmal aussehen…
(Bild: NASA)

Doch nun zurück zu Pegasus. Nachdem die Modifikationen abgeschlossen sind, wird der Leichter im nächsten Jahr bereits seinen ersten Auftrag haben: Versuchsexemplare der Tanks der Hauptstufe des SLS sollen von der MAF zu dem Marshall Space Flight Center (MSFC) in Huntsville, Alabama, verschifft werden. Im Moment werden die Gerätschaften in der MAF, mit denen die Tanks gefertigt werden sollen, ausführlich erprobt und validiert. Zu diesen zählt das gewaltige Vertical Assembly Center (VAC), das die Tanks der Hauptstufe zusammenschweißt. Es wurde erst vor anderthalb Monaten eröffnet. Die Tests an diesen Tanks, die 2015 stattfinden sollen, sollen prüfen, ob die Tanks den strukturellen Belastungen während des Fluges standhalten können. Für solche Belastungstests braucht es freilich nicht nur die entsprechenden Tanks, sondern auch Teststände, die groß genug sind, um die großen Tanks testen zu können.

NASA/MSFC
… und so schaut er momentan aus.
(Bild: NASA/MSFC)

Zwei solcher Teststände werden gegenwärtig am MSFC errichtet: Ein größerer für den LH2 (flüssiger Wasserstoff)-Tank des SLS und ein kleinerer für Tests des LOX (flüssiger Sauerstoff)-Tankes und weiterer kleinerer Strukturen der Hauptstufe. Bei dem Teststand für den LH2-Tank wurden nun am 17. Oktober Trägerstangen eingebettet und Beton gegossen, um das Fundament zu stabilisieren. Das markiert einen wichtigen Schritt in den Konstruktionsarbeiten dieses Teststandes. Er wird mit der kryptischen Nummer 4693 bezeichnet und steht genau dort, wo bereits das F-1 Triebwerk der Mondrakete Saturn V getestet wurde. Wenn 4693 fertig ist, wird er über 65 Meter hoch aufragen und 2.150 Tonnen schwer sein. Der Teststand besteht aus zwei Türmen, zwischen denen vertikal der LH2-Tank befestigt wird. Dieser wird für die Tests mit flüssigem Stickstoff befüllt und dann mithilfe von hydraulischen Kolben Belastungen ausgesetzt, wie sie auch bei einem realen Flug des SLS zu erwarten sind. Beide Teststände werden für 45,3 Millionen Dollar von der Firma Brasfield & Gorrie in Birmingham, Alabama, gebaut.

NASA
Ein Modell des SLS wird auf einen Test im Windtunnel vorbereitet.
(Bild: NASA)

Aber natürlich muss nicht nur das Verhalten der Treibstofftanks des SLS während des Fluges simuliert werden. Eine ebenfalls wichtige Rolle spielt die Aerodynamik der Rakete. Zum Glück benötigen Tests für diese keine gewaltigen Teststände, die erst neu errichtet werden müssen, sie können in bereits existierenden Einrichtungen stattfinden. So werden etwa seit 2012 im Langley Research Center der NASA Windtunneltests des SLS durchgeführt. Bei diesen wird ein Modell des SLS im Windkanal verschieden hohen Wind-geschwindigkeiten ausgesetzt, um einen Flug zu simulieren. So kann die Aerodynamik der Rakete getestet werden. Dank ihrer geringen Komplexität können diese Tests bereits seit Mitte 2012 stattfinden. Auch konnte man bereits die Aerodynamik der größeren Block-IB Version des SLS testen, die wohl nicht vor 2020 zum Einsatz kommen wird.

NASA
Das Modell des SLS während der Boostertrennung.
(Bild: NASA/David C. Bowman)

Nun gehen die Aerodynamiktests an der anfänglichen Version des SLS in die nächste Runde. Ingenieure am Langley Research Center haben eine neue Konfiguration des SLS getestet: Die Flugphase der Boostertrennung. In diesem Moment des SLS-Fluges werden die beiden ausgebrannten Feststoffbooster mithilfe von 16 kleinen Feststoffmotoren, genannt Separation Motors, von der Hauptstufe der Rakete weggedrückt. Dabei handelt es sich um eine äußerst kritische Situation: Die Booster dürfen unter keinen Umständen die Hauptstufe berühren. Um das zu verhindern, hat die NASA mithilfe von Windtunneltests zahlreiche Daten zu der Aerodynamik des SLS während der Boostertrennung gesammelt.

NASA/David C. Bowman
Der Ingenieur Bryan Falman begutachtet das Modell.
(Bild: NASA/David C. Bowman)

Diese Tests waren um einiges aufwändiger als die bisherigen: Anders als bei vorherigen Durchläufen musste nun nicht nur die Aerodynamik eines Elementes des SLS getestet werden, nämlich der gesamten Rakete, sondern die Aerodynamik von gleich dreien: Den beiden Boostern und dem restlichen SLS. Die Modelle dieser Komponenten mussten in drei Dimensionen millimetergenau angeordnet werden, um verwert-bare Daten zu erhalten. Auch haben die Ingenieure Luft unter hohem Druck aus den Miniatur-Separation Motors herausgepumpt, was den Test noch komplexer gestaltete. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass der Aufbau dieser etwa zehn Meter langen Testkonfiguration vier Wochen dauerte. Insgesamt 800 Testläufe wurden in dem Unitary Wind Tunnel des Langley Research Center durchgeführt, die maximalen Windgeschwindigkeiten erreichten dabei fast Mach 4.

Neben diesen Windtunneltests soll dieses Jahr noch eine Testzündung des Haupttriebwerks des SLS stattfinden, dem RS-25. Da die Treibstoffleitungen des Teststands verschmutzt waren, entstand eine geringe Verzögerung, seit dem 24. Oktober ist das Triebwerk wieder auf dem Teststand. Außerdem soll das Critical Design Review (CDR), eine rigorose Designprüfung, der gesamten Rakete abgeschlossen werden. Anfang nächsten Jahres soll dann nach langer Verschiebung wegen Rissen im festen Treibstoff ein Feststoffbooster testgezündet werden, wie er beim SLS zum Einsatz kommen soll. Auch soll die Hauptnutzlast des SLS dieses Jahr seinen Erstflug haben: Das Raumschiff Orion.

NASA
Das SLS während des Fluges- Illustration
(Bild: NASA)

Das Space Launch System ist der neue Schwerlastträger der NASA. Er basiert zu großen Teilen auf dem 2011 außer Dienst gestellten Space Shuttle: So werden die Hauptstufe aus dem External Tank des Shuttles, die 5-Segmente Booster aus den SRBs und die RS-25 Triebwerke aus den SSMEs entwickelt. Es wird drei Varianten des SLS geben: Die Block I Version wird lediglich eine leicht modifizierte Version der DCSS (Delta Cyrogenic Second Stage) als Oberstufe haben. Mit ihr soll der Erstflug des SLS, EM-1, erfolgen. Block IA wird über die wesentlich stärkere EUS (Exploration Upper Stage)-Oberstufe verfügen. Bei Block II handelt es sich um die stärkste Variante des SLS, seine Oberstufe wird die EUS sein; die Feststoffbooster werden durch verbesserte Booster ersetzt, ihr Konzept ist jedoch noch nicht festgelegt, obwohl bereits verschiedene Vorschläge zu neuen Flüssig- oder Feststoffboostern existieren. Der Erstflug von SLS Block IA ist nicht vor 2020, der von SLS Block II nicht vor 2030 zu erwarten, weil der Kongress –obwohl er als Befürworter des SLS gilt- sich weigert, das Etat der NASA zu erhöhen, um so auch ein höheres Budget für das SLS und Orion zu ermöglichen. Mit dem SLS sind nicht nur Raumsondenmissionen zu den äußeren Planeten des Sonnensystems und ihren Monden möglich, sondern auch bemannte Flüge zu Asteroiden oder sogar zum Mars.

Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum:

Nach oben scrollen