Um das RS-25 Haupttriebwerk des Space Launch Systems zu testen, der neuen Schwerlastträgerrakete der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur NASA, werden Testzündungen in einem Zentrum der Agentur durchgeführt. Ein anderes bedeutendes Element des Antriebs, der Feststoffbooster, hat einen solchen Brennversuch bereits hinter sich und wird nun analysiert.
Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: NASA, NSF, OrbitalATK. Vertont von Peter Rittinger.
Als das Space Shuttle noch flog, konnte man in der Nähe des Stennis Space Centers (SSC) der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur NASA von Zeit zu Zeit eine beeindruckende Erscheinung beobachten: Große Dampfwolken hingen tief über dem Gelände des Zentrums und regneten nach ein paar Minuten wieder ab. Die Ursache dafür lag darin, dass hier immer wieder ein Raketenantrieb zu Testzwecken gezündet wurde: Das Haupttriebwerk des Space Shuttles, das SSME. Dieses verbrannte flüssigen Wasserstoff und flüssigen Sauerstoff, wobei Wasser entstand, das aufgrund der hohen Temperatur als Dampf verdampft ist. Wegen den enormen Mengen an verbrannten Treibstoff entstanden so regelrechte Dampfwolken. Als jedoch das Space Shuttle-Programm 2011 eingestellt wurde, kehrte für fast fünf Jahre Ruhe im SSC ein.
Das aber ändert sich nun. Denn die NASA arbeitet mit Hochdruck daran, eine neue, große Rakete zu entwickeln, mit der Astronauten nicht mehr nur in erdnahe Umlaufbahnen (LEO), sondern in die Tiefen des Alls fliegen sollen: Das Space Launch System (SLS). Diese Rakete wird von dem selben Triebwerk angetrieben wie das Space Shuttle, dem SSME, das nun RS-25 heißt. Für den neuen Einsatzzweck mussten zahlreiche Modifikationen an dem Triebwerk durchgeführt werden, die größtenteils die Kontrolleinheit betrafen, das Computergehirn, das die einzelnen Funktionen des Triebwerks steuert. Um diesen Controller zu erproben, wird das RS-25 jetzt erneut im SSC gezündet. Eine erste Testzündung erfolgte am 9. Januar, danach musste jedoch das Hochdruck-Wassersystem des Zentrums renoviert werden, das mit tausenden Litern Wasser die Kühlung des Teststands garantiert. Am 28. Mai konnte dann erneut ein RS-25 erfolgreich gezündet werden. Dieser Test dauerte 450 Sekunden und fand auf dem A-1 Teststand statt. Sechs weitere Testzündungen stehen mit diesem Triebwerk (Nummer 0525) an, zehn mit einem anderen (Nummer 0528). Es wird also diesen Sommer noch oft Dampf über dem SSC aufsteigen.
Insgesamt verfügt die NASA über 15 RS-25 Triebwerke für das SLS. Diese wurden von dem Space Shuttle-Programm übernommen, fast jedes kann eine reiche Fluggeschichte nachweisen. Um dieses Kontingent um ein 16. Triebwerk zu erweitern, hat die Herstellerfirma Aerojet Rocketdyne inzwischen ein neues RS-25 zusammengebaut. Dieses trägt die Nummer 2063, es ist das erste neu zusammengebaute RS-25 seit dem 14. September 2010. Die Einzelteile von ihm sind jedoch nicht neu, sondern übriggebliebene Ersatzteile. So sind etwa die vier Turbopumpen, die den Treibstoff in die Brennkammer befördern, schon an dem Space Shuttle in den Weltraum geflogen. 2063 wird bei Exploration Mission 2 (EM-2) zum Einsatz kommen, dem zweiten Flug des SLS, der für 2021 geplant ist. Da selbst mit diesem zusätzlichen Triebwerk die NASA nur genügend RS-25 für die ersten vier SLS-Flüge hat (die Triebwerke werden nicht erneut verwendet), plant die Behörde den Bau von komplett neuen RS-25. Zu diesen neuen Triebwerken laufen bei der Herstellerfirma Aerojet Rocketdyne derzeit vorbereitende Studien.
Ein anderes wichtiges Antriebselement des SLS wurde bereits im März testgezündet: Der 5-Segmente Feststoffbooster. Zwei von diesen sollen bei der fertigen Rakete seitlich an der Hauptstufe angebracht werden, in der der Treibstoff für die RS-25 Triebwerke aufbewahrt wird. Vorläufige Daten haben gezeigt, dass der Test namens QM-1 (Qualification Motor 1) erfolgreich verlaufen ist, doch für eine vollständige Analyse musste der Motor auseinandergebaut werden. Nachdem die einzelnen Segmente voneinander getrennt und sorgfältig inspiziert wurden, kann die Herstellerfirma OrbitalATK das vorläufige Ergebnis bestätigen: QM-1 war ein voller Erfolg. Die Düse und die Isolierung haben sich wie geplant verhalten, die ballistischen Parameter haben die Erwartungen erfüllt und die Schubvektorsteuerung hat zusammen mit den elektronischen Systemen den Booster wie gewünscht gesteuert. Dieses Ergebnis ist vor Allem vor dem Hintergrund ein Erfolg, dass das Design des Boosters zuvor stark geändert wurde: Die chemische Formel der Isolierung des Motors wurde modifiziert, die heiße Gase davon abhält, das Gehäuse und andere wichtige Komponenten zu zerstören. Zuvor wurden Lücken zwischen der Isolierung und dem festen Treibstoff gefunden. Nun hat bereits die Fertigung der ersten Segmente für die zweite Testzündung des Boosters stattgefunden: QM-2 Anfang 2016.
Die weiteren Highlights der SLS-Entwicklungsarbeiten im diesem Jahr werden neben den besagten Testzündungen des RS-25 Arbeiten an der Hauptstufe des SLS, integrierte Tests der Avioniksysteme, Vorbereitungen auf die nächste Testzündung des 5-Segmente Feststoffboosters und das Critical Design Review der gesamten Rakete sein, eine rigorose Designprüfung.
Das Space Launch System ist der neue Schwerlastträger der NASA. Er basiert zu großen Teilen auf dem 2011 außer Dienst gestellten Space Shuttle: So werden die Hauptstufe aus dem External Tank des Shuttles, die 5-Segmente Booster aus den SRBs und die RS-25 Triebwerke aus den SSMEs entwickelt. Es wird drei Varianten des SLS geben: Die Block I Version wird lediglich eine leicht modifizierte Version der DCSS (Delta Cyrogenic Second Stage) als Oberstufe haben. Mit ihr soll der Erstflug EM-1 erfolgen. Block IB wird über die wesentlich stärkere EUS (Exploration Upper Stage)-Oberstufe verfügen. Bei Block II handelt es sich um die stärkste Variante des SLS, seine Oberstufe wird ebenfalls die EUS sein; die Feststoffbooster werden durch verbesserte Booster ersetzt, ihr Konzept ist jedoch noch nicht festgelegt, obwohl bereits verschiedene Vorschläge zu neuen Flüssig- oder Feststoffboostern existieren. Der Erstflug des SLS ist nicht später als im November 2018 mit der Mission EM-1 (Exploration Mission 1) geplant, bei der das neue NASA-Raumschiff Orion noch unbemannt zum Mond fliegen wird. Weitere SLS-Missionen sollen bemannte Marsflüge in den 2030ern vorbereiten, jedoch hat der US-Kongress immer noch keine dieser Missionen bewilligt, obwohl er als Unterstützer des SLS gilt.
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