Die US-amerikanische Luft- und Raumfahrtagentur NASA hat eine rigorose Prüfung, genannt Key Decision Point C, bezüglich der Entwicklungskosten und der Entwicklungsdauer ihres neuen Schwerlastträgers, dem Space Launch System, abgeschlossen. Bei ihr wurde auch ein neuer Termin für den Erstflug bestimmt. Gleichzeitig macht die Entwicklung von allen Komponenten des SLS weiter Fortschritte. So wurden etwa bereits die ersten Bauteile gefertigt, die tatsächlich bei dem Erstflug des SLS zum Einsatz kommen werden.
Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: NASA, Florida Today.
Am 27. August gaben NASA-Offizielle bekannt, dass sie eine rigorose Prüfung des SLS, des neuen Schwerlastträgers der NASA, abgeschlossen haben. Diese Prüfung wird auch als „Key Decision Point C“ bezeichnet. Einen solchen Meilenstein in der Entwicklung eines neuen Trägersystems hatte die NASA zuletzt in der Entwicklung des Space Shuttles erreicht. Experten sollten im Rahmen von Key Decision Point C die Entwicklungskosten und den Entwicklungszeitraum bis zu dem Erstflug von SLS bestimmen. Das nun vorliegende Ergebnis lautet, dass die Entwicklungskosten von Februar 2014 bis zum Erstflug des SLS 7,02 Milliarden Dollar betragen werden. Dieser Erstflug, auch EM-1 genannt, sollte ursprünglich im Dezember 2017 steigen. Jetzt soll er nicht später als im November 2018 stattfinden. Zwar möchte man weiterhin auf einen früheren Termin hinarbeiten, es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass das SLS vor 2018 starten kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass mit dem vorhandenen Budget dieser neue Zeitplan eingehalten werden kann, beträgt nun 70 %.
„Nach einer genauen Überprüfung können wir heute bestätigen, dass wir ein Budget und einen Zeitplan haben, die uns auf Kurs halten, um Menschen in den 2030ern zum Mars schicken- und wir stehen hinter dieser Verpflichtung“, meinte Robert Lightfoot, der die Überprüfung beaufsichtigte. Der nächste Schritt in der Entwicklung des SLS ist ein Critical Design Review (CDR) der Rakete, eine rigorose Überprüfung des Designs. Es existieren bereits CDRs der Hauptstufe und der Feststoffbooster, nun soll das der gesamten Rakete folgen.
Bereits im Juni warnte das Government Accountability Office (GAO), eine Organisation ähnlich dem Bundesrechnungshof, dass mit dem derzeitigen Budget der Termin für den Erstflug nicht eingehalten werden kann. Für einen Erstflug 2017 würden laut ihrem Bericht dem Budget für die Entwicklung des SLS 400 Millionen Dollar pro Jahr fehlen. Die Obama-Administration weigert sich jedoch, sich für eine Budgeterhöhung einer Rakete einzusetzen, mit der eine weitaus umfassendere bemannte Erkundung des Weltalls als je zuvor möglich ist. Neben bemannten Flügen sind auch große robotische Missionen vorgesehen, die eine äußerst umfangreiche Erkundung selbst der äußeren Planeten des Sonnensystems ermöglichen, weil die Nutzlastkapazität des SLS höher als die aller derzeitig verwendeten Träger ist. Beispielsweise wäre eine kombinierte Lander-Orbiter Mission zu dem Jupitermond Europa oder sogar eine Uranus-Sonde denkbar. Noch fehlt das Geld für solche Expeditionen, jedoch ist zu erwarten, dass spätestens 2018 durch das Ende der Entwicklung des SLS und von Commercial Crew nicht unbeträchtliche Geldmengen freiwerden, die dafür genutzt werden könnten.
Auch wurde im Zuge von Key Decision Point C festgehalten, dass bereits erste Komponenten gefertigt wurden, die tatsächlich bei dem SLS-Erstflug zum Einsatz kommen sollen. Es handelt sich dabei um Ringe, die mithilfe von Rührreibschweißen in der Michoud Assembly Facility (MAF) in New Orleans gefertigt wurden. Diese Ringe werden in der Hauptstufe des SLS verwendet. Sie dient dazu, in zwei großen Tanks den flüssigen Treibstoff aufzubewahren. In diesen Tanks kommen die Ringe nun zum Einsatz: Sie dienen dazu, den zylinderförmigen Teil des Tanks mit dem kuppelförmigen Tankdom zu verbinden. Neben der Verbindung verleihen sie den Tanks auch zusätzliche Stabilität.
Zehn der besagten Zylinder der Tanks wurden ebenfalls bereits gefertigt. Dafür wurden Platten aus Aluminium gewölbt und an den Enden miteinander verschweißt. Diese Zylinder sollen jedoch noch nicht bei dem Erstflug zum Einsatz kommen, sie dienen nur zu Qualifikationszwecken, wie etwa einer Testversion des LH2 (flüssiger Wasserstoff)-Tanks.
Dafür sollen in dem Vertical Assembly Center des MAF, eine gewaltige Maschine zur Fertigung des LH2-Tanks, die Ringe, Dome und Zylinder alle miteinander verbunden werden. Tests der Tanks werden vermutlich nächstes Jahr beginnen, Tests der gesamten Hauptstufe, die auch eine Testzündung der vier RS-25 Triebwerke beinhalten werden, sind gegenwärtig für Ende 2016/Anfang 2017 auf dem B-2 Teststand des Stennis Space Centers in Mississippi geplant.
Diese Tests werden hauptsächlich strukturelle Tests sein, bei denen die Tanks mit Treibstoff befüllt und dann unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt werden, die bei dem Flug des SLS zu erwarten sind, ausgesetzt werden. Doch nicht nur die gewaltige Hauptstufe, sondern auch die beiden Feststoffbooster, die an ihr seitlich angebracht sind, werden während des Fluges enorme strukturelle Belastungen erfahren. Deshalb wurde Anfang August erneut (es gab bereits im Mai erste Tests) die obere Verkleidung der Booster getestet. Strukturelle Tests an ihr sind aus dem Grund so wichtig, dass die obere Verkleidung mit der Hauptstufe verbunden ist. Deshalb wird an ihr der immense Schub der Feststoffbooster auf die Hauptstufe übertragen. Aus diesem Grund stellt die obere Verkleidung ein kritisches, strukturell stark beanspruchtes Teil dar. Sie befindet sich über dem mit Feststoff gefüllten Motor und enthält die Avionik der Booster, die für den Einsatz am SLS verbessert wurde. Die Tests liefen derart ab, dass man verschieden starke Kräfte auf das Objekt ausübte und so verschiedene Flugszenarien simulierte. MarsDas CDR der Booster wurde ebenfalls Anfang August abgeschlossen, nun bereitet die Herstellerfirma ATK eine erste Testzündung des neuen 5-Segmente Boosters am Ende dieses Jahres vor, genannt QM-1 für Qualification Motor 1.
Eine solche Zündung eines einzelnen Feststoffbooster wird bereits enormen Lärm verursachen, ist jedoch kein Vergleich zu dem Geräuschpegel bei dem Start des gesamten SLS. Die Schallwellen während des Starts könnten sogar derart energiereich sein, dass sie das SLS beschädigen. Um das zu verhindern, erforscht die NASA in dem Marschall Space Flight Center Technologien, um den Schallpegel während dem Start des SLS zu senken. Für diese Tests werden vier voll funktionstüchtige Flüssigkeits- und zwei Feststofftriebwerke eines 1:20 Modell des SLS gezündet, wie bei dem realen Träger. Das Modell kann in verschiedenen Höhen angebracht werden um herauszufinden, wie stark die Geräuschbelastung bei verschiedenen Abständen zur Startrampe ist. An dieser simulierten Startrampe ist ein System angebracht, welches Wasser zur Unterdrückung von Schallwellen verprüht. Durch die Analyse der Daten, die während dieser Tests gesammelt werden, kann das Design des Sound Suppression Systems auf der realen Startrampe verbessert werden.
Die Testzündung am 28. August –insgesamt die 34. – diente dazu, den Geräuschpegel des SLS zu bestimmen, wenn es sich etwa 50 m über der Startplattform befindet. Die Tests mit dem Modell sind fast abgeschlossen, sie begannen im Januar und sollen im Herbst enden. Die zuständigen Ingenieure sind mit den erreichten Ergebnissen zufrieden.
Das SLS soll künftig als neue Schwerlastrakete der NASA dienen. Seine Technik basiert auf dem außer Dienst gestellten Space Shuttle. Unter anderem will man auf ihr das Orion- bzw. MPCV-Raumschiff zu verschiedenen Zielen jenseits niedriger Erdumlaufbahnen (low earth orbits, LEOs) starten. Derzeit ist geplant, nicht später als 2018 mit der Mission EM-1 den Erstflug durchzuführen. Dabei soll ein unbemanntes MPCV mit einem europäischen Servicemodul am Mond vorbei fliegen. 2021 soll ein ähnlicher Flug bemannt stattfinden, und es wird darüber nachgedacht, bei diesem Flug einen zuvor eingefangenen Asteroiden anzufliegen und zu untersuchen. Spätere Flüge sollen verschiedene Ziele anfliegen, um bemannte Marsflüge in den 2030er Jahren vorzubereiten. Diese Vorgehensweise nennt die NASA „Flexible Path“. Der Erstflug der Orion MPCV-Kapsel soll noch dieses Jahr stattfinden. Eine Rakete vom Typ Delta-IV-Heavy soll bei der Mission EFT-1 die unbemannte Raumkapsel bis auf einen Abstand von rund 5.500 km von der Erde schicken.
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