Diese Frage stellt sich eine Reihe von Forschern nach der Beobachtung weit entfernter Gaswolken.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: Rachel Courtland, New Scientist.
Nicht umsonst werden die Naturkonstanten für konstant gehalten: Die Grundfesten der Physik sollten an allen Stellen des Universums zu allen Zeiten die gleichen gewesen sein und heute noch sein. Jetzt ergaben Messungen von Radiostrahlung einer weit entfernten Gaswolke einen Hinweis, dass einige fundamentale Grundwerte vielleicht doch nicht so fix sind, und verstärken Überlegungen, dass es an der Zeit sein könnte, das Standardmodell der Elementarteilchenphysik radikal zu überdenken.
Der Anstoß kommt von einer rund 2,9 Milliarden Lichtjahre weit entfernten Gaswolke, die von Radiowellen eines hinter ihr liegenden supermassiven Schwarzen Loches (PKS 1413+135) durchdrungen wird. Hydroxyl-Radikale (.OH) in der Gaswolke absorbieren Radiostrahlung bestimmter Wellenlängen und strahlen sie auf anderen Frequenzen wieder ab. Dies führt zu einer so genannten Konjugation bei der aus der entsprechenden Himmelsgegend kommenden beobachtbaren Radiostrahlung: Eine Senke im Spektrum kennzeichnet den Bereich der absorbierten Strahlung, eine Spitze den der von der Gaswolke gewissermaßen verstärkten Bereich.
Senke und Spitze haben im konkreten Fall dieselbe Form, was für ein und dieselbe Quelle, die besagte Gaswolke, spricht. Allerdings ist der frequenzmäßige Abstand von Senke und Spitze nicht genau so groß, wie es bei einer durch Hydroxyl-Radikale verursachten Konjugation zu erwarten wäre, fand Nissim Kanekar vom indischen nationalen Zentrum für Radioastrophysik in Pune mit Kollegen heraus.
Der frequenzmäßige Abstand ist abhängig von drei Naturkonstanten: Dem Masseverhältnis zwischen Proton und Elektron, einer Kennzahl für die Reaktion eines Protons auf ein Magnetfeld und der Feinstrukturkonstante Alpha, auch Sommerfeldkonstante genannt. Laut Kanekar ist die festgestellte Abstandsdifferenz ein Indiz dafür, dass eine oder mehrere der Konstanten im Gebiet der Gaswolke früher möglicherweise einen anderen Wert hatten.
Wenn sich dies tatsächlich so verhält, sind die daraus resultierenden Unterschiede zahlenmässig zwar nur sehr gering. Ist die Abstandsdifferenz z. B. allein Folge einer ehemals anderen Feinstrukturkonstante, würde dies bedeuten, dass ebendiese Konstante vor 3 Milliarden Jahren rund 0,00031 Prozent kleiner war. Aber selbst derart geringe Unterschiede würden eine neue, grundlegendere Theorie zur Teilchenphysik erforderlich machen, glaubt Michael Murphy von der Technischen Universität Swiburne im australischen Melbourne.
Auch andere Messungen, die Murphy mit Kollegen vornahm, gaben einen Hinweis auf ein früher kleineres Alpha. Untersucht worden war das sichtbare Licht von einem weit entfernten Quasar beim Durchgang durch in der Sichtlinie liegende Gaswolken, wobei man sich nicht sicher war, ob alles registrierte Licht aus derselben Himmelsgegend kam – was aber entscheidend ist für die Bewertung des Beobachteten.
Zur Zeit sei die Beobachtung von Radiowellen eine vielversprechende Methode für den sicheren Nachweis einer Veränderlichkeit der Feinstrukturkonstanten, ist Jeffrey Newmann von der US-amerikanischen Universität Pittsburgh in Pennsylvania überzeugt. Allerdings handle es sich zunächst um nicht mehr als erste Hinweise.
Die von Kanekar und seiner Arbeitsgruppe vermutete Abstandsdifferenz könnte einfach Folge einer Art Lichtverschmutzung durch Licht von anderen Gasansammlungen sein. Um dies auszuschließen, beobachtet man seit Mai 2010 mit dem Radioteleskop im puertorikanischen Arecibo.