Shenzhou 8 startet mit SIMBOX ins All

Heute um 22.58 Uhr MEZ startete von Jiuquan aus eine Langer Marsch 2F-Rakete mit der Shenzhou 8-Raumkapsel in den Weltraum. Ziel ist die erste Kopplung des chinesischen Weltraumprogramms mit der Raumstation Tiangong 1. Erstmals mit an Bord ist die deutsch-chinesische Experimentieranlage SIMBOX.

Erstellt von Daniel Maurat & Ian Benecken & Simon Plasger. Quelle: CCTV, DLR, raumfahrer.net, Uni Hohenheim, Astrium.

Start von Tiangong 1. (Video)
Start von Tiangong 1. (Video)

In den Tagen vor dem Start erfolgten die letzten Vorbereitungen an der deutsch-chinesischen SIMBOX, einer Sammlung von Experimenten. Dazu sagte Dr. Markus Braun vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gegenüber Raumfahrer.net, dass die Arbeiten nach einem genauen Zeitplan abliefen. So schauten sich Mitarbeiter von EADS Astrium alle 40 Experimenteinheiten der Flughardware sehr genau an, bevor diese in die SIMBOX-Anlage eingebaut werden durften. Beispielsweise wurde getestet, ob alle Pumpen und LED-Beleuchtungspaneele funktionstüchtig sowie alle Kammern sauber und wasserdicht geschlossen waren. Der gesamte Zusammenbau der Experimenteinheiten erfolgte gemäß einem „Final-Assembly-Procedure“ genannten Plan. Alle diese Prozeduren wurden präzise gemeinsam vom DLR und ihrem chinesischen Partner, der GESSA (General Establishment of Space Science and Application) abgestimmt und festgelegt.

Fünf Stunden vor dem Start wurde SIMBOX von Vertretern von DLR und Astrium an die chinesische Bodencrew, die verantwortlich für das „Launch-Processing“ war, übergeben, welche den geschlossen Inkubator anschließend in das startbereite Shenzhou-8-Raumschiff auf der Startrampe einbaute. Das DLR/Astrium-Team durfte nicht auf die Startrampe, da der gesamte Komplex ein militärisches Sperrgebiet darstellt.

Sobald SIMBOX an Bord installiert war (ca. 4,5 Stunden vor Start), wurden die Experimente extern mit Strom versorgt. Erst ca. 45 min vor Start wurde die Experimentierbox über das Versorgungssystem des Shenzhou-Raumschiffes versorgt. Davor bestand während des Transports von der Integrationshalle und den Labors für etwa 2,5 Stunden keine Stromversorgung.

Der Start erfolgte um 22:58 Uhr MEZ von der Startrampe 1 des Startbereiches 4 des Jiuquan Satellite Launch Center in der nordwestchinesischen autonomen Region Innere Mongolei in der Wüste Gobi. Nach 130 Sekunden waren die vier Booster ausgebrannt und wurden von der Rakete gelöst, wobei bei T+100 Sekunden schon der voll funktionsfähige Startrettungsturm abgetrennt wurde. 130 Sekunden nach dem Start folgte die Erststufe, die restliche Nutzlastverkleidung 208 Sekunden nach dem Start. Die Zweitstufe war nach 462 Sekunden Flug ausgebrannt, wobei die Verniertriebwerke noch bis T+583 Sekunden betrieben wurden. Danach wurde die Nutzlast ausgetrennt.

Der Start von Shenzhou 8 aus etwa
1.000 Metern Entfernung
(Bild: Dr. Markus Braun)

Die eingesetzte Rakete vom Typ Langer Marsch 2F ist die Hauptstütze des bemannten chinesischen Weltraumprogramms. Seit ihrem Erstflug im Jahr 1999 absolvierte sie neun Starts, wobei der bisher letzte am 29. September 2011 die erste chinesische Raumstation, Tiangong 1, ins All transportierte. Die Langer Marsch 2F basiert dabei auf der wenig erfolgreichen Langer Marsch 2E, wurde aber im Gegensatz zu ihr stark modifiziert, vor allem die Zweitstufe, die für die Shenzhou-Raumschiffe verstärkt wurde. Auch wurden die startkritischen Systeme, so etwa die Subsysteme der Triebwerke, redundant ausgelegt. Die größte Veränderung war eine neue Nutzlastverkleidung, die stark der der russischen Sojus-FG-Rakete bei bemannten Starts ähnelt.

Die gestartete Nutzlast ist das unbemannte Raumschiff Shenzhou 8. Die Shenzhou-Raumschiffe sind vergrößerte und modernisierte Versionen des russischen Sojus-Raumschiffes, das schon seit 1967 alle russischen Kosmonauten in den Weltraum bringt. Erstmalig ist die Shenzhou 8 mit einem Kopplungsstutzen ausgerüstet, der dem russischen androgynen APAS 89-Kopplungsstutzen ähnelt, der auch im amerikanischen Space Shuttle genutzt wurde. Im Gegensatz zum Original wurde das chinesische Produkt vergrößert, damit größere Elemente die Luke passieren können. Die Mission von Shenzhou 8 besteht darin, an die vor einem Monat gestartete chinesische Raumstation Tiangong 1 zu koppeln. Es wird der erste Versuch Chinas sein, zwei Raumschiffe miteinander zu koppeln. Dafür nutzt man auch ein eigenes Laserentfernungssystem, das in vom Prinzip her auch im europäischen ATV verwendet wird. Die Kopplung erfolgt ähnlich wie bei den russischen Systemen Sojus und Progress. Dieser Flug ist gleichzeitig auch eine Testmission für die nächsten zwei Flüge zur Raumstation, nämlich Shenzhou 9 und Shenzhou 10. Diese beiden Flüge werden bemannt sein.

Die Raumstation Tiangong 1 (links) mit anfliegendem Shenzhou-Raumschiff (rechts).
(Bild: China Manned Space Engineering Office)
Die Raumstation Tiangong 1 (links) mit anfliegendem
Shenzhou-Raumschiff (rechts).
(Bild: China Manned Space Engineering Office)

Das Ziel der Mission ist die chinesische Raumstation Tiangong 1. Sie ist eine umgebaute Version des Shenzhou-Raumschiffes. Man modifizierte das Service-Modul von Shenzhou für einen längeren Aufenthalt im Orbit und baute ein neues Orbitalmodul darauf. Die Raumstation an sich ist 9 m lang, hat einen Durchmesser von maximal 2,8 m und wiegt voll betankt und beladen 8,4 Tonnen. Am Service-Modul ist ein Paar von Solarzellen befestigt, welche etwas größer ist als das von Shenzhou. Das Orbitalmodul ist im Volumen in etwa vergleichbar mit dem ISS-Modul Rasswjet. Genauso wie Shenzhou besitzt es einen androgynen Kopplungsadapter, der dem APAS 89 ähnelt.

37 Minuten nach dem Start nahm die SIMBOX ihren Betrieb auf und sendete erste Telemetrie-Daten zum Boden. Von nun an werden am Tag mindestens 5 Übertragungszeiten von jeweils 15 Minuten Dauer für die Übertragung von wichtigen Informationen der Experimentierbox. Diese Daten sind wichtig für die sich am Boden befindende Kontrollbox. Eine detaillierte wissenschaftliche Auswertung der Experimente kann jedoch erst nach erfolgreicher Landung und Bergung erfolgen.

Zwei Tage nach dem Start, am Mittwoch, dem 2. November Mitteleuropäischer Zeit, wird voraussichtlich, nach derzeitigem Kenntnisstand von Raumfahrer.net, die Kopplung von Shenzhou 8 mit der chinesischen Raumstation Tiangong 1 erfolgen. Davor sind aber fünf verschieden lange Orbitmanöver nötig, um die Umlaufbahnen von Raumstation und Raumschiff aneinander anzugleichen. Der exakte Zeitpunkt der Kopplung wird abhängig von dem Erfolg des Missionsverlaufs der ersten zwei Tage sein. Nach dem erfolgreichen Ankoppeln wird Shenzhou 8 12 Tage mit Tiangong 1 verbunden bleiben. Danach wird Shenzhou 8 abkoppeln und ein Wiederankopplungsmanöver durchführen und zwei weitere Tage an der Station angekoppelt bleiben. Schließlich wird Shenzhou 8 ein letztes Mal von der Station abkoppeln und kurz danach voraussichtlich ca. 300 km entfernt von Peking via Fallschirm landen.

SIMBOX bei den Startvorbereitungen
(Bild: DLR/EADS Astrium)
SIMBOX bei den Startvorbereitungen
(Bild: DLR/EADS Astrium)

SIMBOX ist eine Kooperation zwischen dem DLR und der chinesischen Raumfahrtagentur für bemannte Flüge (CMSEO). Die 34,6 kg schwere Box mit 37 Litern Volumen beherbergt 40 Experimentierkistchen, deren Größe jeweils der einer Zigarettenschachtel entspricht. Insgesamt 17 Experimente aus verschiedenen Bereichen der Biologie sollen das Wissen über das Verhalten von Zellen in der Schwerelosigkeit erweitern. Auch werden unter anderem Schnecken und Algen in einem geschlossenen Ökosystem untersucht. Mehr Informationen zu den wissenschaftlichen Zielen von SIMBOX finden Sie in unserem detaillierten Bericht

Vielen Dank für die ausführlichen Infos an Dr. Markus Braun vom DLR und Florian Kohn von der Universität Hohenheim.

Raumcon:

Verwandte Webseiten

  • Blog der Universität Hohenheim zum Thema SIMBOX und Shenzou 8

Weitere Bilder finden Sie in unserer Mediengalerie

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