Shenzhou 7

Chinas dritter bemannter Raumflug war ein weiteres Novum für das Reich der Mitte: neben der ersten Drei-Mann-Besatzung führe man auch den ersten chinesischen Weltraumausstieg durch.

Ein Beitrag von Daniel Maurat und Günther Glatzel. Quelle: China Manned Space Engineering Office.

Vorgeschichte

Schon kurz nach der Landung von Shenzhou 6 im Jahr 2005 war schnell klar, dass die nächste Mission einen Weltraumausstieg durchgeführt werden sollte. Auch war das Startdatum schnell festgelegt: da Peking im August 2008 die Olympischen Sommerspiele ausrichten sollte und so die Augen der ganzen Welt auf China gerichtet wären. Man begann also schnell damit, die Raumkapsel zu bauen. Eine Besonderheit der Kapsel war, dass sie, im Gegensatz zu ihren Vorgängern, kein autonom betreibbares Orbitalmodul verfügte. Ab dieser Mission sollte das Lageregelungssystem und die Solarpaneele weggelassen werden. Hinzugefügt wurde aber eine Luke, durch die das Orbitalmodul zu einer Schleuse wurde, durch die man in den Weltraum aussteigen konnte. Im September 2007 war die Kapsel fertiggestellt und wurde im Laufe der nächsten Monate ausgiebig getestet.

Training für den Außenbordeinsatz im Tauchbecken des Pekinger Ausbildungszentrums. (Bild: China Manned Space Engineering Office)

Zu dieser Zeit wurden eine Reihe von Taikonauten für den Raumflug vorbereitet, Dazu wurde sogar im Trainingszentrum in Peking ein Tauchbecken, ähnlich denen in anderen Ausbildungszentren, etwa Houston, Moskau oder Köln, angelegt. In dieses wurde eine Attrappe des Orbitalmodules versenkt, an dem die Taikonauten üben konnten.

Mit Shenzhou 7 sollte eine weitere Nutzlast gestartet werden: der Satellit BanXing 1 (chin. für Begleitsatellit) wurde zunächst an der Front des Orbitalmoduls befestigt und sollte im Weltraum ausgesetzt werden. Danach sollten Raumschiff und Satellit einen Formationsflug durchführen, welcher als Test für ein Rendezvous-Manöver zwischen einem Shenzhou-Raumschiff und einer Raumstation zu sehen ist. Zudem sollte er Bilder vom Raumschiff im Erdorbit machen.

Ein weiteres Novum für China bei dieser Mission sollte die Benutzung eines Datenübertragungssatelliten sein. Dazu startete man im August den Relaissatelliten Tianlian 1 in einen geostationären Orbit. Dieser soll, gemeinsam mit anderen Satelliten, später auch zur Datenübertragung mit der chinesischen Raumstation Tiangong genutzt werden.

Startvorbereitungen

Die Besatzung von Shenzhou 7. Von links nach rechts: Jing Haipeng, Zhai Zhigang und Liu Boming. (Bild: China Manned Space Engineering Office)

Das Raumschiff wurde am 10 Juli 2008 nach Jiuquan gebracht und dort einer Reihe von Tests unterzogen. Am 6. August folger der Nutzlast die Trägerrakete, die Langer Marsch 2F. Ihre Einzelteile wurden zum VAB des Startgelände SLS 1 der Launch Area 4 des Weltraumbahnhofes Jiuquan gebracht. Am 6. September war die Betankung des Raumschiffes abgeschlossen, kam in ihre Nutzlastverkleidung und wurde zwölf Tage später, am 18 September, auf die Rakete montiert. Zwei Tage zuvor, am 16. September wurde die Crew des Fluges verkündet. Diese war:

  • Zhai Zhigang, Kommandant (sollte den Weltraumausstieg durchführen)
  • Liu Boming, Flugingenieur (assistierte Zhai beim Ausstieg und steig auch kurz aus)
  • Jing Haipeng, Pilot (blieb während des Weltraumausstiegs in der Landekapsel)

Es gab auch eine Backup-Besatzung, falls ein Mitglied der Stammbesatzung ausfallen sollte. Diese bestand aus den beiden Mitgliedern von Shenzhou 6, Nie Haisheng und Fei Julong, sowie aus Chen Quan als Kommandant.

Am 20. September 2008 wurde die fertig montierte Rakete aus dem VAB zu ihrem Startturm transportiert. Dort wurde die Rakete betankt und für den Start getestet.

Start von Shenzhou 7 am 25. September 2008 von Jiuquan. (Bild: China Manned Space Engineering Office)

Start (25. September)

Etwa drei Stunden vor dem Start am 25. September 2008 stieg die Besatzung in ihr Raumschiff ein. Während der Wartezeit bis zum Start überprüften sie immer wieder die verschiedenen Systeme des Raumschiffes. Etwa eine halbe Stunde vor dem Start wurde eine Reihe von Arbeitsplattformen zurückgefahren und an der Rakete waren nur noch Treibstoff-, Strom- und Datenleitungen. Diese wurden eine Minute vor dem Start zurückgefahren. Der Start erfolgte schließlich um 21:10.04 Uhr Ortszeit (15:10.04 MESZ). Der Start wurde dabei im Fernsehen übertragen. Nach 583 Sekunden Flug wurde das Raumschiff auf seine Umlaufbahn ausgesetzt und konnte mit seiner Mission beginnen.

Weltraumaktivitäten (Günther Glatzel, September 2008)

Tag 2 (26. September)

Während im chinesischen Fernsehen häufige Sondersendungen zu Themen der Raumfahrt ausgestrahlt und die Zuschauer über alltäglich erscheinende Fragen wie das Einnehmen von Mahlzeiten in der Schwerelosigkeit informiert werden, bereiten die Raumfahrer Zhai Zhigang, Liu Boming und Jing Haipeng den geplanten Ausstieg vor. Noch am Freitag wurde mit einer zweiminütigen Zündung der Orbitaltriebwerke des Raumschiffes aus dem leicht elliptischen Orbit ein weitgehend kreisförmiger gemacht. Gegenwärtig fliegt Shenzhou 7 in etwa 343 Kilometern Höhe bei einer Bahnneigung von 42 Grad. Durch diese Inklination ist es (fast) unmöglich, das Raumschiff von Deutschland aus zu sehen.

Den gesamten heutigen Tag über ist die Besatzung damit beschäftigt, die beiden Raumanzüge auszupacken, zu montieren und probeweise anzulegen. Was man auf der Erde wegen der Schwerelosigkeit nicht trainieren konnte, wird jetzt nachgeholt. Dabei sollen die Taikonauten auch ein Gefühl dafür bekommen, wie sich der Anzug in der Schwerelosigkeit anlegen lässt und wie er sich anfühlt. Für morgen früh, ab 10:30 Uhr MESZ, ist der mittlerweile nur noch mit 20 Minuten Dauer angegebene Ausstieg geplant.

Während der gesamten Mission werden Bahnverfolgung per Radar sowie Sprach-, Bild- und Datenkommunikation über Bodenstationen und sechs spezielle Schiffe vom Typ Yuanwang (dt. weiter Blick) sichergestellt. Außerdem befindet sich seit April der Relaissatellit Tianlian im Orbit.

Zahlen und Fakten zur laufenden Shenzhou-Mission

Das an sich für maximal 5 Tage lange Flüge entworfene Raumschiff besteht aus 3 zentralen Komponenten, dem Orbitalmodul, das als Schleuse für den geplanten Ausstieg dient, dem Wiedereintrittsmodul, in dem sich die Besatzung bei Start und Landung aufhält, und dem Antriebsmodul, das die raumflugtechnischen Anlagen enthält.

Die Wissenschaftler, Ingenieure und das an der Mission beteiligte Bodenpersonal sind 8 Systembereichen zugeordnet. Diese Bereiche sind zuständig für

  • die Taikonauten,
  • die Weltraumanwendungen,
  • das bemannte Raumfahrzeug,
  • die Startrakete,
  • die Startplattform,
  • die Fernsteuer- und Kommunikationsanlagen,
  • das Landesystem und
  • die Weltraumlabortechnik.

Der geplante Ausstieg soll 30 Minuten dauern, aber es wird fast 15 Stunden brauchen, den Raumanzug vorzubereiten und anzuziehen. Zum Programm der geplanten EVA gehört auch, eine auf der Erde 3 Kilo schwere Schmiermittelexperimentapparatur, die außen am Raumschiff montiert ist, ins Innere zu bringen.

30 verschiedene Pläne wurden für den Fall entwickelt, dass es bei der EVA zu einem Notfall kommen sollte.

Mit 80 verschiedenen Speisevarianten können sich die Raumfahrer während der Mission stärken. Beim vorausgegangenen Flug im Jahr 2005 gab es nur 50 Varianten zur Auswahl.

Tag 3 (27. September) (Ausstieg) Nachdem gestern die Raumanzüge montiert und getestet wurden, schlossen die Taikonauten Zhai Zhigang und Liu Boming heute gegen 7:30 Uhr MESZ im Schleusenmodul die Luke zum Rückkehrmodul, in dem Jing Haipeng allein verblieb. Nach Überprüfung der Dichtheit stiegen Zhai und Liu in ihre Raumanzüge. Der chinesische Anzug besitzt 10 verschiedene Lagen, um den Raumfahrer zu schützen und hat eine Masse von etwa 120 kg.

Gegen 9:30 Uhr MESZ begann das Ablassen der Luft aus dem Schleusenmodul. Es wurden Livebilder sowohl aus dem Schleusenmodul als auch aus der Rückkehrkapsel gezeigt. Die 85 cm große Luke soll gegen 10:30 Uhr MESZ geöffnet werden. Zhai soll danach etwa eine halbe Stunde außenbords arbeiten. Dabei soll er ein an der Außenseite befestigtes Experiment demontieren und in das Raumschiff mitnehmen. Liu verbleibt derweil im entkomprimierten Schleusenmodul, um im Notfall schnell eingreifen zu können. Er trägt im Unterschied zu Zhai einen bewährten Raumanzug russischer Bauart.

Vor den direkten Vorbereitungen des Ausstiegs wurde allen drei Taikonauten via Telemedizin eine gesunde physische Verfassung bescheinigt. Außerdem sicherte bzw. verstaute man alle losen Gegenstände im Schleusenmodul. Dieses wird komplett enthermetisiert. Flüssigkeiten, beispielsweise in offenen Speisebehältern, würden im luftleeren Raum sofort zu sieden beginnen.

Zhai Zhigang bei seiner EVA, aufgenommen von einer Kamera am Shenzhou-Raumschiff. In seiner Hand eine Flagge der Volksrepublik China. (Bild: CCTV)

Ablauf:

10:24 Uhr Gerade wurde im CCTV gesagt, dass der Druck im Anzug 40 kPa beträgt. Das sind etwa 40% des normalen Luftdrucks auf der Erde von 101,3 kPa. Der Raumfahrer atmet demnach ein Sauerstoff-Stickstoff-Gemisch mit jeweils etwa 50% Anteil. Der geringere Druck verbessert die Beweglichkeit des Anzuges. Zur Vorbereitung musste Zhai aber längere Zeit bereits dieses Gemisch atmen, um den zu viel im Blut gelösten Stickstoff aus dem Organismus zu bekommen. Andernfalls würde der Stickstoff Bläschen im Blut bilden, die Kapillaren verstopfen können, was eine lebensgefährliche Situation bedeutete.

10:32 Uhr Zhai Zhigang meldet, dass er in guter Verfassung ist. Wichtige Lebensfunktionen der Taikonauten werden am Boden überwacht. Dazu trägt der Raumfahrer eine Reihe spezieller Sensoren. Vor drei Minuten waren kurz die Herztöne eines Taikonauten zu hören.

10:34 Uhr Das Kommando erfolgt: „Luke öffnen!“

10:39 Uhr Die Luke ist offen. Mehrere kleine Gegenstände fliegen mit der entweichenden Restluft davon.

10:42 Uhr Die Luke ist arretiert. Zhai verlässt ganz langsam das Raumschiff. Der Raumanzug ist an seiner breitesten Stelle nur 2 cm schmaler als die Luke. Der 298. Ausstieg von Menschen ins All beginnt. Willkommen China!

10:46 Uhr Nach ein paar bedeutsamen Worten hat Zhai das Raumschiff verlassen, zwei Sicherungsleinen befestigt und hangelt sich an der Außenseite entlang. Danach geht die Bildverbindung kurzzeitig verloren. Anschließend schaut auch Liu aus der Luke und überreicht Zhai eine chinesische Flagge, die dieser mehrmals schwenkt.

10:56 Uhr Nach der Bergung eines kleinen Experimentes steigt Zhai zurück in das Raumschiff. Liu sorgt dabei dafür, dass die Versorgungsleitung nirgendwo eingeklemmt oder geknickt wird.

10:58 Uhr Zhai Zhigang ist zurück im Schiff.

10:59 Uhr Die Luke ist geschlossen. Der Ausstieg verlief erfolgreich. Er dauerte etwa 20 Minuten.

Als Zhai in der geöffneten Luke „stand“ sagte er sinngemäß, er fühle sich gut, er grüße alle Menschen in seinem Land und in der Welt, sein Land setze Vertrauen in ihn und er und sein Team würden die Mission erfolgreich abschließen.

Auffällig war noch, dass Zhai beim Öffnen der Luke mehrmals ansetzen musste. Offenbar war der Innendruck noch so hoch, dass man sich ordentlich abstützen musste, um die Luke richtig öffnen zu können.

Liu Boming schaute mindestens bis zur Hüfte aus der Luke heraus, so dass sicherlich auch sein Einsatz als EVA gerechnet werden wird.

Shenzhou 7, aufgenommen vom Subsatelliten Banxing 1 (Bild: China Manned Space Engineering Office)

Das Experiment, das Zhai demontierte und Liu übergab, ist ein Materialexperiment. Die untersuchten Stoffe (Graphitschmiere) wurden etwa 40 Stunden den Temperatur- und Strahlungsbedingungen des offenen Raumes unmittelbar ausgesetzt. Die Demontage gestaltete sich einfach, da die Platine offenbar mittels Schnellverschluss gesichert war.

Zur Live-Übertragung von Bildern vom Ausstieg waren zwei Kameras an der Außenseite des Raumschiffes in Betrieb. Die Funkverbindung zur Erde wurde über verschiedene Stationen sichergestellt.

Das Wiederbefüllen des Schleusenmoduls aus speziellen Druckgasflaschen geschah in mehreren Schritten: 40 kPa, 80 kPa, 101 kPa. Vor und nach jedem Schritt wurden Dichtheitsmessungen vorgenommen.

Das modifizierte Orbitalmodul besitzt im Unterschied zu dem Varianten bei Shenzhou 5 und 6 keine Solarpaneele, keine Lageregelungstriebwerke und keine Subsysteme für einen unabhängigen Flug. Stattdessen sind außen fünf Gasflaschen, zwei Kameras, Handläufe und ein Subsatellit angebracht. Und natürlich gibt es eine Luke.

Der Subsatellit Tianniann 1 hat eine Masse von 40 kg und soll nach der EVA freigesetzt werden. Mit seiner Kamera sollen Aufnahmen des im Raum befindlichen Shenzhou-Raumschiffes angefertigt werden.

Kurz nach dem Wiedereinstieg zeigte eine Außenkamera einen wunderschönen Sonnenuntergang.

Die Kapsel von Shenzhou 7 wieder auf der Erde. Zhai Zhigang wird gerade geholfen aus dem Raumschiff auszusteigen. (Bild: China Manned Space Engineering Office)

Landung (28. September) (Günther Glatzel, September 2008)

Nach dem Abtrennen der Ausstiegsschleuse, dem erfolgreichen Bremsmanöver und der Abtrennung der Techniksektion tauchte die Kapsel in die dichten Schichten der Erdatmosphäre ein und wurde durch sie gebremst. Die umgebende Luft wurde dabei zu einem etwa 2000 °C heißes Plasma. Kühlung wird erreicht, indem eine an der Unterseite der Kapsel angebrachten Schutzschicht schmilzt und verdampft.

Bei erheblich niedrigerer Geschwindigkeit und Höhe, etwa 10 Kilometer über dem Boden, öffneten sich dann nacheinander 3 immer größere Fallschirme, welche die weitere Abbremsung aus dem freien Fall übernahmen. Kurz vor dem Aufsetzen wurden schließlich automatisch mehrere Feststofftriebwerke gezündet, welche die Aufsetzgeschwindigkeit auf wenige Meter pro Sekunde verringerten. Zusätzlich wurde der Stoß durch Schockabsorber gemindert. Nach dem Aufsetzen, um 11:37 Uhr MESZ wurde die Verbindung zum großen Landefallschirm gelöst. Die drei Raumfahrer sind in guter Verfassung und verließen kurz vor 12:30 Uhr MESZ die auf der Seite liegende Landekapsel. Das Landegebiet wurde so gewählt, dass man in einer trockenen, menschenleeren Gegend niedergeht und auch die Gefahr der Kollision mit Strommasten oder Bäumen nicht besteht.

So ging nach 2 Tagen, 20 Stunden und 27 Minuten der dritte chinesische Raumflug erfolgreich zu Ende. Die weiteren Pläne sehen den Start eines Zielsatelliten, der als kurzzeitig bemannbare Mini-Raumstation dienen soll vor. Nach einer unbemannten Kopplung soll dann mit Shenzhou 10 die erste Besatzung einziehen. Diesem Unternehmen sollen bis 2015 mehrere weitere folgen. Allerdings kann man bei der Entwicklung neuer Technologien nicht genau sagen, ob und wann sich die Konzepte so umsetzen lassen.

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