Mindestens einer der großen Seen auf dem Saturnmond Titan besteht definitiv aus flüssigen Kohlenwasserstoffen. Damit ist Titan der einzige andere Himmelskörper unseres Sonnensystems neben der Erde, auf dessen Oberfläche Seen existieren.
Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: NASA/JPL.
Die Entdeckung stammt aus den Daten des Instruments VIMS (Visual and Infrared Mapping Instrument) an Bord von Cassini, das chemisch unterschiedliche Materialien anhand ihrer Reflektion von infrarotem Licht identifiziert. Vor Cassiniwurde angenommen, dass Titan große Ozeane aus Flüssigkeiten wie Methan und Ethan aufweist. Aber über 40 enge Vorbeiflüge der NASA-Sonde zeigten keinerlei große Ozeane. Statt dessen wurden Hunderte von dunklen, seeähnlichen Strukturen gesichtet. Bis jetzt war nicht sicher, ob diese Strukturen aus Flüssigkeit oder einfach nur aus dunklem, festem Material bestehen.
„Dies ist die erste Beobachtung, die hieb- und stichfest beweist, dass Titan einen echten Oberflächensee besitzt“, sagte Bob Brown von der Universität von Arizona, der Forschungsleiter des Instruments. Die Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe des Journals „Nature“ veröffentlicht. Zu behaupten, dass Erde und Titan die einzigen Himmelskörper sind, auf denen überhaupt Flüssigkeit existiert, wäre etwas gewagt, da die heiße Lava, die auf dem vulkanisch hoch aktiven Jupitermond Io häufig austritt und ganze Landstriche bedeckt, zumindest vorübergehend ebenfalls flüssig ist.
Die Titanatmosphäre besteht zu 95 Prozent aus Stickstoff und zu 5 Prozent aus Methan, das unter der Einwirkung des Sonnenlichts zum Teil aufgespalten wird, wobei Ethan und andere einfache Kohlenwasserstoffe entstehen. Diese reagieren weiter und formen feine Aerosol-Partikel, und zwar in solchen Mengen, dass sie wie ein dichter Nebel über Titan hängen und die Beobachtung der Oberfläche erheblich erschweren. Nur mit Radar und in wenigen schmalen Bereichen des Infrarotlichts können Instrumente bis auf die Oberfläche sehen. Im Dezember 2007 wurde bei einem Vorbeiflug die seeähnliche Struktur „Ontario Lacus“ in der Südpolregion von Titan mit VIMS analysiert. Die Struktur ist etwa 20.000 Quadratkilometer groß, etwas größer als der Ontariosee in Nordamerika, nach dem sie benannt wurde.
Das VIMS-Team identifizierte das Material, aus dem „Ontario Lacus“ besteht, nun anhand seiner Spektralsignatur sicher als Ethan. Es existiert in einer Lösung mit Methan, anderen Kohlenwasserstoffen und Stickstoff, quasi flüssiges Erdgas. Bei den Oberflächentemperaturen auf Titan kann Ethan aber nur in flüssiger und allenfalls noch gasförmiger Form existieren. Und wo ein See ist, sind andere sicher nicht weit – das VIMS-Team geht davon aus, dass es bald auch andere seeähnliche Strukturen als aus Ethan bestehend identifizieren kann. Die Wissenschaftler schlossen ferner die Existenz von Wassereis, Ammoniak, Ammoniakhydraten und Kohlendioxid im „Ontario Lacus“ aus.
Darüber hinaus hat schon die europäische Landesonde Huygens im Jahre 2005 Bilder mit überwältigenden Anzeichen von Verdunstung, Regen und ausgetrockneten Fließkanälen zur Erde übertragen. Wo die Erde einen hydrologischen Kreislauf basierend auf Wasser besitzt, hat Titan also einen Methan-Kreislauf. Die parallel durchgeführten Beobachtungen des „Ontario Lacus“ mit anderen Instrumenten zeigen übrigens einen breiten dunklen Strand rings um den See und Riffe im flachen Ethan, was nahelegt, dass dieser südpolare See derzeit im Begriff ist, durch Verdunstung zu verlanden.
„Während der nächsten paar Jahre wird die Seenplatte innerhalb von Titans nördlichem Polarkreis aus der dortigen, derzeitigen Polarnacht mehr und mehr in den Einfluss des Sonnenlichts kommen“, sagte Larry Soderblom, ein interdisziplinärer Wissenschaftler vom US Geological Survey. „Dann wird VIMS reichlich Gelegenheit bekommen, die jahreszeitlichen Veränderungen von Titans Seen zu beobachten.“