Schwefelhaltige Sedimente im Marskrater Becquerel

Heute veröffentlichte Aufnahmen der Raumsonde Mars Express zeigen den Becquerel-Krater auf dem Mars. Ein im Inneren dieses Kraters gelegener Zentralberg besteht aus schwefelhaltigen Sedimentschichten und zeugt von der bewegten Klimageschichte unseres Nachbarplaneten.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, DLR, ESA.

NASA, MGS, MOLA Science Team, FU Berlin
Eine topografische Übersichtskarte des Becquerel-Kraters. Der mehrfach durch die HRSC-Kamera abgebildete Bereich ist umrahmt.
(Bild: NASA, MGS, MOLA Science Team, FU Berlin)

Bereits seit dem Dezember 2003 befindet sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Mars und liefert den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern seitdem regelmäßig eine Vielzahl an Daten über die Atmosphäre und die Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten, durch deren Auswertung sich für die Planetenforscher wertvolle Einblicke in dessen Entwicklungsgeschichte ergeben.

Dabei überflog der Marsorbiter auch mehrmals den Becquerel-Krater und bildete diesen mit der High Resolution Stereo Camera (kurz „HRSC“), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord der Raumsonde ab. Vier dieser Überflugaufnahmen, welche bereits vor mehreren Jahren während der Orbits 3253_1 (22. Juli 2006), 5332, 5350 und 5368 (26. Februar, 2. und 7. März 2008) angefertigt wurden, wurden jetzt von den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern zu einem Bildmosaik zusammengefügt, welches in seiner finalen Fassung Strukturen von bis zu etwa 17 Metern Größe erkennen lässt.

Der Becquerel-Krater befindet sich in der nördlich des Marsäquators gelegenen Region Arabia Terra, welche eine Übergangszone zwischen dem Marshochland und der weite Teile der nördlichen Marshemisphäre umfassenden nördlichen Tiefebene bildet. Der Krater verfügt über einen Durchmesser von etwa 167 Kilometern und über eine Tiefe von bis zu 3.500 Metern. In seinem Inneren befindet sich ein weiterer, nochmals etwa 500 Meter tiefer reichender Krater. Unmittelbar südlich von diesem erhebt sich ein fast 1.000 Meter hoher Zentralberg, welcher sich aus mehreren hundert, jeweils nur wenige Meter dicken schwefelhaltigen Sedimentschichten zusammensetzt. Diese geschichteten Sedimentgesteine zeugen von der bewegten Klimageschichte unseres Nachbarplaneten.

Benannt wurde der Krater nach dem französischen Physiker Antoine Henri Becquerel (1852-1908), welcher im Jahr 1903 gemeinsam mit dem Ehepaar Marie und Pierre Curie für die Entdeckung der Radioaktivität mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde und nach dem die physikalische Einheit für die radioaktive Aktivität benannt ist.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine Nadir-Farbansicht des Becquerel-Kraters. Norden befindet sich rechts im Bild. Besonders im südlichen Bereich des Kraters haben sich dunkle Materialablagerungen konzentriert, bei denen es sich sehr wahrscheinlich um Vulkanasche handelt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Auf dem Boden des Becquerel-Kraters befinden sich ungewöhnliche Sedimentstrukturen. Hierbei handelt es sich um geschichtete, helle Ablagerungen, welche sich im südlichen Bereich des Kraters zu einem fast 1.000 Meter hoher Berg auftürmen, der über sanft geneigte Hänge und eine flache Kuppe verfügt. Ganz ähnliche Ablagerungen konnten von den Planetenforschern auch im Inneren des Gale-Krater nachgewiesen werden, wo am 6. August 2012 der von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Marsrover Curiosity gelandet ist. Nähere Untersuchungen führten zu dem Ergebnis, dass die hellen Ablagerungen in dieser Region aus sulfathaltigen Gesteinen bestehen, welche zum Teil Wasser enthalten. Bei den Sulfaten handelt es sich um Salze oder Ester der Schwefelsäure. Auf der Erde bilden sich Sulfate bei der Verdunstung von Wasser.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein perspektivischer Blick aus der südlichen Richtung auf den am oberen Bildrand gelegenen Becquerel-Krater.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die in der Region Arabia Terra relativ häufig anzutreffenden Sulfate lassen vermuten, dass vor etwa 3,5 bis 3,8 Milliarden Jahren ein einstmals großräumig aktiver Prozess für deren Entstehung verantwortlich war. Es wird angenommen, dass sich diese Sedimente durch ein Zusammenspiel von austretendem Grundwasser in tief liegenden Gebieten – zum Beispiel auf dem Grund von Einschlagskratern – und von Wind transportiertem Staub – möglicherweise in Kombination mit Ascheablagerungen – gebildet haben. Die deutlich erkennbare Abfolge der einzelnen Schichten wird auf jahreszeitlich bedingte Klimaschwankungen oder allgemeine Veränderungen des Marsklimas über größere Zeiträume hinweg zurückgeführt, welche zum Beispiel durch periodisch auftretende Schwankungen in der Ausrichtung der Rotationsachse des Mars ausgelöst werden können.

Diese und andere Theorien werden in der Fachwelt gegenwärtig immer noch intensiv diskutiert. Für eine abschließende Antwort fehlen derzeit immer noch wirklich stichhaltige Argumente und nähere wissenschaftliche Messergebnisse, welche direkt von der Marsoberfläche aus gesammelt werden müssen. In diesem Zusammenhang, so die Erwartung der Planetologen, wird auch der Marsrover Curiosity durch seine Untersuchung des Gale-Kraters wichtige Erkenntnisse liefern.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein perspektivischer Blick auf das Innere des Becquerel-Krater.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Auf den am heutigen Tag veröffentlichten Aufnahmen der Raumsonde Mars Express ist die Schichtung innerhalb des hellen Sedimentberges gut erkennbar. Vermutlich war einst der gesamte Boden des Becquerel-Kraters von diesen Sedimenten bedeckt. Sulfathaltige Gesteine sind relativ anfällig für Verwitterung, so dass im Laufe von möglicherweise mehr als drei Milliarden Jahren ein Großteil der geschichteten Sedimentablagerungen aufgrund der erosiven Kräfte von Wind und Wasser abgetragen wurde und ein abgeschliffener, an seinem Gipfel abgerundeter Berg zurückblieb.

Die dunklen Flächen in den Bildern, welche sich speziell im südlichen Bereich des Kraters konzentrieren, zeigen Oberflächenbereiche, welche von einer Schicht aus basaltischen Sanden und vulkanischer Asche bedeckt sind. Vergleichbare Ablagerungen bilden auf dem Mars vielerorts imposante Dünenfelder (Raumfahrer.net berichtete). Die Lage und Ausrichtung dieser dunklen Oberflächenbereiche gibt Aufschlüsse über die einstmals und gegenwärtig dominierenden Windrichtungen in diesem Bereich der Marsoberfläche.

Die weiter oben gezeigte Nadir-Farbansicht des Becquerel-Kraters wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- beziehungsweise rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die perspektivischen Schrägansichten wurden aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Das weiter unten zu sehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal der Kamera abgeleitet. Des Weiteren konnten die für die Bildauswertung zuständigen Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wurde, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Durch die Betrachtung mit einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.

Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit mehreren industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
Die hier gezeigten Aufnahmen des Becquerel-Kraters finden Sie auch auf der entsprechenden Internetseite der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.

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