Aufnahmen Raumsonde Cassini zeigen, dass die Oberfläche des Saturnmondes Enceladus mit einer bis zu hundert Meter dicken Schicht aus Pulverschnee bedeckt ist. Da aber nach den Berechnungen der Wissenschaftler pro Jahr weniger als ein tausendstel Millimeter Schnee auf dessen Oberfläche fällt, muss der Schneefall schon seit Jahrmillionen anhalten.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: EPSC-DPS 2011.
Seit dem 30. Juni 2004 befindet sich die Raumsonde Cassini in einer Umlaufbahn um den Saturn, den zweitgrößten Planeten unseres Sonnensystems. Die 12 wissenschaftlichen Instrumente an Bord der Raumsonde liefern seitdem regelmäßig Daten und hochaufgelöste Bilder von der Planetenatmosphäre, dem Ringsystem und den vielfältigen Monden des Saturn, welche sowohl die interessierte Öffentlichkeit als auch die Fachwelt begeistern.
Die Ziele dieser Mission sind vielschichtig und oftmals miteinander verknüpft. Neben der Erforschung der atmosphärischen Bedingungen auf dem Saturn und seinem größten Mond, dem etwa 5.150 Kilometer durchmessenden Titan werden auch das Ringsystem des Planeten, die Magnetosphäre und die weiteren Monde des Saturn regelmäßig von den verschiedenen Instrumenten abgebildet und analysiert. Eines dieser Untersuchungsobjekte ist der Mond Enceladus. Im Rahmen eines nahen Vorbeifluges an dem Mond konnten die an der Mission beteiligten Wissenschaftler am 14. Juli 2005 die Existenz einer extrem dünnen Atmosphäre um diesen Himmelskörper nachweisen. Mit einem mittleren Durchmesser von lediglich 504 Kilometern verfügt der sechstgrößte Mond des Saturn aber über eine viel zu geringe Masse, um die Gaspartikel über einen längeren Zeitraum in seinem Gravitationsfeld festzuhalten. Die Gashülle müsste eigentlich bereits nach einer relativ kurzen Zeit in den Weltraum entweichen.
Die Tatsache, dass die Dichte der beobachteten Atmosphäre mit zunehmender Höhe stark abnimmt, wurde als ein Indiz dafür interpretiert, dass eine Quelle direkt auf der Oberfläche des Eismondes für deren Existenz verantwortlich sein muss. Hierfür, so die Wissenschaftler im Jahr 2005, käme unter anderem ein geothermaler Hotspot in Frage, welcher durch vulkanische Aktivität gespeist wird. Aufgrund von Messdaten, welche mit verschiedenen Magnetometern, Spektrometern und einem Gerät zur Staubanalyse gewonnen werden konnten, wurde dieser Hotspot im Bereich der Südpolregion von Enceladus vermutet.
Am 27. November 2005 gelang den Wissenschaftlern der Cassini-Mission dann schließlich auch tatsächlich dessen direkter Nachweis. Auf den an diesem Tag im Gegenlicht angefertigten Enceladus-Aufnahmen der ISS-Kamera, einem der Instrumente an Bord von Cassini, waren eine Vielzahl von feinen Jets erkennbar, welche von der Südpolregion ausgingen und sich bis zu etwa 490 Kilometern über dessen Oberfläche erstreckten. Als Ausgangspunkt für diese feinen Strahlen aus Wasserdampf und Eispartikeln konnten bei späteren dichten Vorbeiflügen an Enceladus vier nahezu parallel verlaufende Einschnitte in der Mondoberfläche ausgemacht werden, welche sich direkt über dem Südpol befinden (Raumfahrer.net berichtete). Die „Tigerstreifen“, so die Bezeichnung dieser Formationen, erstrecken sich über eine Länge von jeweils 130 Kilometern und erreichen eine Breite von bis zu zwei Kilometern. Die von der Mondoberfläche ausgehende Jets sind die hauptsächlichen Materiallieferanten für den E-Ring des Saturn und werden durch einen Salzwasserozean gespeist, welcher sich unter der Oberfläche des Mondes befindet (Raumfahrer.net berichtete).
„Als wir mit den Instrumenten von Cassini entdeckten, dass Enceladus gegenwärtig Wolken aus Eispartikeln und Wasserdampf ausstößt, hat dies die Planetenforschung revolutioniert“, so Dr. Paul Schenk vom Lunar and Planetary Institute in Houston/USA, einer der an der aktuellen Studie beteiligten Wissenschaftler. „Anfang dieses Jahres konnten wir darüber berichten, dass sich ein Teil des ausgestoßenen Materials auf den Oberflächen anderer Saturnmonde niederschlägt. Und jetzt haben wir zwei Beweisketten aufgedeckt, welche belegen, dass die ausgestoßenen Eispartikel sich auch in einer dicken Schicht auf der Oberfläche von Enceladus selbst ablagern.“
Bereits seit der Entdeckung der Eisgeysire wurde spekuliert, dass ein Teil der Eispartikel wieder auf die Oberfläche von Enceladus zurückfallen könnte. Anschließend erstellte Modelle der Flugbahnen des von den Geysiren ausgestoßene Materials zeigten, dass die Eispartikel hauptsächlich in zwei Gebieten niedergehen müssten, welche sich auf entgegengesetzten Seiten des Mondes befinden. Hierdurch sollten bestimmte, unverwechselbare Muster auf der Oberfläche des Mondes entstehen. In den anderen Bereichen sollte sich dagegen deutlich weniger Eisschnee ablagern. Bei der Erstellung der Modelle wurden sowohl die Gravitation des Mondes als auch die Anziehungskraft des ungleich massereicheren Saturns berücksichtigt.
Diese theoretischen Modelle konnten jetzt durch Aufnahmen bestätigt werden, welche die Oberfläche des Mondes in Farbe wiedergeben. Auf den Farbbildern sind Regionen erkennbar, welche sich durch ihre leicht bläuliche Farbe deutlich von der eher grau erscheinenden Umgebung abheben. Die fast perfekte Übereinstimmung der berechneten Ablagerungsorte mit den farblich auffälligen Regionen wird als ein Beweis dafür interpretiert, dass sich in diesen Gebieten die von den Geysiren ausgestoßenen Wassereispartikel als eine Art Pulverschnee abgelagert haben.
Durch diesen Erfolg ermuntert suchten die Forscher nach weiteren Hinweisen. Dazu wurden die Bilder analysiert, welche eines der farblich veränderten Gebiete in der höchsten zur Verfügung stehenden Auflösung wiedergeben. Bei diesen Aufnahmen wurden Auflösungen von 12 Metern pro Pixel erreicht.
Auf den Bildern zeigten sich ungewöhnlich ebene Gebiete, welche von wellenförmigen Strukturen durchzogen sind und geologisch ältere Geländeabschnitte und Krater überdecken. An den Hängen von verschiedenen in diesen Regionen gelegenen Canyons zeigen sich zudem auffällige topologische Formationen, sogenannte Abbruchkanten, in der Geländestruktur. Entsprechende Strukturen bilden sich, wenn sehr feines Material auf einen Hang niedergeht.
Diese wellenförmigen Gebiete und die Veränderungen an den Canyons werden als Ablagerungen von extrem feinen Eispartikeln interpretiert, welche sich auf einer soliden Eisschicht abgesetzt haben. Als Quelle für die feinen Eispartikel, so die Wissenschaftler, kommen lediglich die Geysire der Südpolregion von Enceladus in Frage. Die Schicht aus Eispartikeln erreicht dabei in der untersuchten Region eine mittlere Stärke von etwa 100 Metern. Die Dicke der Schicht aus Eispartikeln lässt sich hierbei durch die Bedeckung der Krater errechnen, von denen teilweise nur noch die oberen Ränder sichtbar sind. Durch Kratermodelle lässt sich die ursprüngliche Tiefe dieser Impaktstrukturen berechnen.
Auch in drei weiteren Regionen konnten Strukturen ausgemacht werden, welche ebenfalls Hinweise auf vergleichbare Ablagerungen zeigen. Allerdings haben die von diesen Gebieten verfügbaren Bilder eine geringere Auflösung, so dass noch keine Aussagen über die Dicke der dortigen Ablagerungen möglich sind. Trotzdem lassen sich aus den bisher gewonnenen Erkenntnissen erste Rückschlüsse ziehen, welche unter anderen auch einen Einfluss auf die Kenntnis über die Aktivitätsdauer der Südpolgeysire haben könnten.
Laut den Messungen mit verschiedenen Instrumenten der Raumsonde Cassini liegt der gegenwärtige Wasserausstoß der Geysire bei etwa 200 Kilogramm pro Sekunde. Abzüglich der Wassereiskristalle, welche nicht wieder auf die Oberfläche von Enceladus zurückfallen, ergibt sich daraus, dass die Schicht aus Eispartikeln pro Jahr im Bereich der beobachteten 100-Meter-Ablagerung um weniger als ein tausendstel Millimeter anwächst. Daraus ergibt sich wiederum, dass der „Schneefall“ bereits seit mehreren zehn Millionen Jahren, eventuell sogar seit 100 Millionen Jahren andauern muss. Die Beobachtung legt somit nahe, dass Enceladus über eine langlebige Wärmequelle verfügt, welche das Wasser unter seiner Eiskruste flüssig hält und die Eisvulkane antreibt, so die Ansicht des Wissenschaftler-Teams.
Allerdings ergeben sich dabei verschiedene Unsicherheitsfaktoren. Zum einen ist die Bestimmung der Stärken der Eisablagerungen an den unterschiedlichen Ablagerungsorten noch nicht vollständig abgeschlossen. Hierfür sind weitere hochauflösende Bilder der betreffenden Oberflächenbereiche erforderlich. Zum anderen – und dies ist die entscheidende Frage im Bezug auf die Dauer der Aktivität der Plumes und damit der Existenz eines Reservoirs an flüssigem Wasser unter der Oberfläche von Enceladus – trifft dieses Modell einer unter Umständen seit 100 Millionen Jahren anhaltenden Aktivität der Plumes nur dann zu, wenn sich die Aktivitätsrate – sprich die Menge der ausgestoßenen Wassereiskristalle – in diesem Zeitraum nicht signifikant verändert hat.
Für die Bestimmung der Aktivitätsrate der Plumes während der letzten Jahrmillionen und der daraus resultierenden Dicke der abgelagerten Eisschichten auf der Oberfläche von Enceladus sind weitere möglichst hoch aufgelöste Aufnahmen der betreffenden Bereiche erforderlich. Auf diesen Aufnahmen ließen sich eventuell einzelne Sichten der Ablagerungen erkennen, die bei der Bestimmung der jährlichen Schneefallrate hilfreich wären.
Gelegenheiten für entsprechende Aufnahmen ergeben sich bei den noch anstehenden Vorbeiflügen der Raumsonde Cassini an Enceladus. Bisher wurden aufgrund der gegebenen Beleuchtungsverhältnisse fast ausschließlich die Bereiche um den Südpol abgebildet. Diese Region wird allerdings gegenwärtig nicht mehr vom Sonnenlicht erreicht, so dass sich die Wissenschaftler auf die fotografische Dokumentation der restlichen Oberfläche konzentrieren können.
Die hier kurz vorgestellten Ergebnisse der Analysen von Dr. Paul Schenk und seinen Kollegen wurden in dieser Woche auf dem EPSC-DPS Joint Meeting 2011, einem in Nantes/Frankreich abgehaltenen Wissenschaftskongress, präsentiert.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der Europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/ Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission für das Direktorat für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC.
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