Die kürzlich auf Aufnahmen der HiRISE-Kamera, einem der Instrumente an Bord des Marsorbiters Mars Reconnaissance Orbiter (MRO), entdeckten Strukturen auf der Marsoberfläche sind allerdings nicht mit den auf der Erde lebenden Schnecken verwandt. Vielmehr handelt es sich hierbei um geologische Strukturen, welche sich in der Vergangenheit infolge vulkanischer Aktivitäten gebildet haben.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Arizona State University, Science.
Die Oberfläche des Mars ist an vielen Stellen von Strukturen bedeckt, welche sich anscheinend unter der direkten Einwirkung von Wasser gebildet haben. Die prominentesten Beispiele hierfür sind diverse Talsysteme, welche sich von dem auf der Südhemisphäre des Mars gelegenen Hochland bis in die nördliche Tiefebene unseres Nachbarplaneten erstrecken.
Diese Talsysteme entstanden, als sich bereits vor mehreren Milliarden Jahren große Mengen an Wasser ihren Weg über die Oberfläche des Mars bahnten. Aber anscheinend entstanden nicht alle dieser Täler infolge einer direkten Wassereinwirkung.
Neben dem Einfluss von Wasser spielte in der Vergangenheit auch der früher auf dem Mars auftretende Vulkanismus eine wesentliche Rolle in der Ausbildung der in der Gegenwart zu beobachtenden Oberflächenstrukturen.
Wissenschaftler der Arizona State University in Tempe/USA konnten jetzt die Entstehungsgeschichte des „Athabasca Valles“ entschlüsseln – eines etwa 270 Kilometer langen Talsystems im südwestlichen Bereich der Elysium-Vulkanregion.
Dieses Talsystem ist von Fließspuren durchzogen, welches an seinem Ende in deutlich erkennbare Platten mit jeweils mehreren Metern Kantenlänge zerbrochen ist. Diese Strukturen erinnern an die Frostpolygone, welche bereits im Jahr 2008 durch den Marslander Phoenix in der Nordpolregion des Mars nachgewiesen werden konnten. Hierbei handelt es sich um mehreckige und leicht aufgewölbte Strukturen mit einem Durchmesser von jeweils etwa zwei bis drei Metern, welche von flachen, relativ zum Zentrum gesehen etwa 20 bis 50 Zentimeter tiefen Gräben begrenzt sind. Auch auf der Erde sind solche polygonale Muster im Bereich der arktischen Permafrostböden bekannt.
Neue Aufnahmen der HiRISE-Kamera an Bord des von der US-amerikanischen Weltraumbehörde betriebenen Marsorbiters Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) zeigen allerdings Oberflächendetails im Gebiet des Athabasca Valles, welche nicht mit dem Bild einer Formung durch aktive Wassereinflüsse oder einer durch Permafrost geprägten Gestaltung der Oberfläche zu vereinbaren sind. Die Planetenforscher Andrew Ryan und Philip Christensen von der Arizona State University konnten im Gebiet des Athabasca Valles insgesamt 269 spiralförmige Strukturen mit jeweils mehreren Metern Durchmesser nachweisen, welche die polygonale Plattenstruktur des Marsbodens überlagern.
Vergleichbare Strukturen sind sowohl in der Polarregion des Mars als auch auf der Erde unbekannt. Von daher ist es unwahrscheinlich, dass sich der Boden des Athabasca Valles unter den üblichen Bedingungen gebildet hat, welche unter Permafrost-Bedingungen auftreten. Ryan und Christensen bieten allerdings eine alternative Erklärung für die Entstehung dieser Strukturen an, denn ein entsprechender Bildungsprozess ist auch auf der Erde bekannt.
Ähnliche Strukturen treten nämlich auch im Bereich der Inselkette Hawaii auf, so dass die Wissenschaftler in ihrer kürzlich in der Fachzeitschrift Science publizierten Studie einen vulkanischen Ursprung der Marsregion Athabasca Valles vermuten. Erkaltende Lavaströme bildeten demzufolge eine dünne, plastische Kruste auf ihrer Oberfläche aus, welche anschließend in eine Vielzahl mehreckiger Platten zerbrach.
Einhergehend mit dem Fortschreiten der Abkühlung zog sich das so entstandene Basaltgestein noch weiter zusammen, was ein Zerbrechen der Platten in diverse kleinere Einzelstücke zur Folge hatte. Aus der unter dem erstarrten Gestein liegenden, noch immer flüssigen Lava entweichendes Gas hob die Platten in deren Zentrum an und ließ sie zugleich an ihren Rändern absinken. Diese Anhebung lässt sich laut Ryan und Christensen bei den Strukturen im Athabasca Valles deutlich erkennen.
Zusätzlich entdeckten die beiden Wissenschaftler, dass einige der Polygone in Spiralen „aufgewickelt“ sind, welche an gewaltige Schneckenhäuser erinnern und Abmessungen zwischen fünf und 30 Metern erreichen. Auch diese Strukturen sind den Wissenschaftlern von der Erde bekannt und können sich auf zwei Wegen bilden.
Fließt Lava zwischen mehreren gerade auseinander brechenden Teilen der neu erstarrten Kruste, so kann diese einzelne Bruchstücke der bereits erkalteten Lava von den Kanten der Kruste ablösen. Da der Lavafluss in der Mitte des Stromes schneller erfolgt als am Rand, werden die losgelösten Bruchstücke in einem Wirbel zu Spiralen geformt. Sobald die Lava schließlich erstarrt, wird die so gebildete Spirale konserviert und ergibt das heute erkennbare Bild.
Bei einem solchen Prozess bilden sich relativ kleine Spiralen mit einem geringen Durchmesser. Größere Spiralen entstehen dagegen, wenn Magma aus temporär freigelegten Spalten zwischen den einzelnen Plattenrissen austritt. Dort kann austretende zähflüssige Lava an der Planetenoberfläche langsam rotieren und dabei zu größeren Spiralen erstarren.
Aufgrund der neuen Studie muss davon ausgegangen werden, dass sich die Region des Athabasca Valles nicht durch Wassereinflüsse sondern vielmehr durch vulkanische Aktivitäten geformt hat. Aufgrund der Häufigkeit der in diesem Gebiet gezählten Impaktkrater schätzen die Planetologen, dass sich das Gebiet vor rund 200 Millionen Jahren geformt hat und dass es sich hierbei somit um eines der jüngsten auf dem Mars durch vulkanische Aktivitäten geformten Gebiete handelt.
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