Saturns Gravitation verursacht Enceladus´ Geysire

Wenn Sie an einem kalten Tag Ihre Hände reiben, wird Ihnen wärmer. Ein ähnlicher Prozess dürfte die Geysire von Enceladus antreiben, die kalten Wasserdampf von der Oberfläche des kleinen Saturnmonds bis in´s All hinaus schleudern.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: NASA/JPL.

Gleich zwei neue Studien in der Mai-Ausgabe von „Nature“ über den zweitfaszinierendsten Saturnmond befassen sich mit den „Tigerstreifen“, um die 120 Kilometer langen Eisspalten in Enceladus´ Südpolregion, und den von ihnen ausgehenden Geysiren. Der Mond selbst hat einen Durchmesser von nur ungefähr 500 Kilometern.
Gravitations-Gezeiten öffnen und schließen Eisspalten

NASA/JPL
Die von Cassini im Jahre 2005 entdeckten „Tigerstreifen“ an Enceladus´ Südpol (Falschfarbenaufnahme).
(Bild: NASA/JPL/Uni Köln)

Ein Team vom Goddard-Raumfahrtzentrum der NASA in Greenbelt unter der Leitung von Dr. Terry Hurford untersuchte den Einfluss der Saturn-Gravitation auf die Tigerstreifen. Jeder Umlauf von Enceladus um Saturn dauert 1,3 Erd-Tage – also wesentlich kürzer als ein Umlauf des Erdmonds um die Erde. Zu jedem Zeitpunkt während dieses Umlaufs erfährt Enceladus eine Gravitationstide. Damit gemeint ist eine Verformung des Mondes aufgrund der Tatsache, dass er ja nicht punktförmig ist, sondern eine räumliche Ausdehnung besitzt, und seine saturnnahen Partien somit stärker angezogen werden als die saturnfernen. Da Enceladus einen exzentrischen Orbit um Saturn beschreibt, wirkt die Schwerkraft höher und fällt die Gravitationstide stärker aus, wenn Enceladus dem Saturn nahe ist, und umgekehrt. Obwohl Enceladus gebunden um Saturn rotiert, ihm also immer die selbe Seite zuwendet, ändert sich zudem Saturns Position in Enceladus´ Himmel leicht, so dass sich auch die Position der Tide mit jedem Umlauf auf einer östlich-westlichen Achse hin und her bewegt. Diese zwei Effekte führen in Kombination zu wechselnden Spannungen in Enceladus´ eisiger Oberfläche.

Das Team entwickelte ein Computermodell, um zu berechnen, wie sich diese Spannungen auf die Tigerstreifen auswirken. „Wir haben herausgefunden, dass sich die meisten Tigerstreifen aufgrund ihrer Lage und Orientierung dann am weitesten öffnen, wenn sich Enceladus am weitesten von Saturn entfernt. Umgekehrt schließen sich die meisten Streifen dann am weitesten, wenn der Mond in maximale Nähe zu Saturn kommt“, sagte Hurford. „Verschiedene Streifen öffnen sich zu verschiedenen Zeiten während eines Umlaufs. Unter der Annahme, dass die Eruptionen dann stattfinden, wenn die Streifen weit offen stehen, können wir vorhersagen, welche Streifen wann eruptieren. Da sich die meisten Streifen im weitesten Abstand von Saturn auch maximal öffnen, erwarten wir die maximale Eruptionsaktivität natürlich zu diesem Zeitpunkt.“

Es war allerdings schwierig, das Modell aufgrund der vorliegenden Daten zu testen, wiederum wegen der Lage der Tigerstreifen. Cassini sah die Eruptionen am Horizont von Enceladus, also mehr oder weniger im 90-Grad-Winkel, im Gegenlicht der Sonne. Aus dieser Perspektive war kaum festzustellen, welche Eruption von welchem Tigerstreifen kam. Künftige Überflüge von Cassini aus günstigerer Perspektive könnten es erlauben, Eruptionen aus verschiedenen Streifen voneinander zu unterscheiden.

NASA/JPL/Space Science Institute
Künstlerische Darstellung der Reibung in den „Tigerstreifen“ und der daraus resultierenden Dampf- und Eisfahnen.
(Grafik: NASA/JPL/Space Science Institute)

Reibungswärme erzeugt Dampffahnen
Die zweite Studie in „Nature“ befasste sich mit den aus den „Tigerstreifen“ austretenden Geysiren. Die Bewegungen der Bruchlinien lassen die Ränder der Spalten gegeneinander reiben. Dabei wird genug Wärme frei, um etwas Eis in Fahnen aus Wasserdampf und Eiskristallen zu verwandeln, behaupten die Autoren der Studie.

Francis Nimmo, Dozent an der Universität von Kalifornien, und seine Co-Autoren berechneten die fragliche Wärmemenge und kamen zu dem Schluss, dass dies die wahrscheinlichste Erklärung für die Dampffahnen und andere Erscheinungen ist, die in der Südpolregion von Enceladus beobachtet wurden. Diese Region ist auch wärmer als die restliche Oberfläche, wie Cassini bereits vor einiger Zeit mit einem Instrument messen konnte.

„Wir nehmen an, dass die Tigerstreifen die Quelle der Fahnen sind, und versuchen vorauszusagen, wo die Tigerstreifen am wärmsten sind. Diese Voraussagen können bei zukünftigen Gelegenheiten getestet werden“, sagte Nimmo.

Angetrieben wird der gesamte Prozess, wie erwähnt, von dem exzentrischen Orbit des Mondes um Saturn, der ihn mal in die Nähe des Riesenplaneten bringt und dann wieder weiter weg, so dass die Schwerkraft periodisch schwankt. „In seinem Orbit um Saturn wird der Mond immer abwechselnd gestaucht und gestreckt, und diese Gezeitenkräfte verursachen wiederum ständige Reibung in den Spalten“, erklärte Nimmo.

Co-Autor Robert Pappalardo vom JPL der NASA weist darauf hin, dass dieser Mechanismus im Gegensatz zu anderen Thesen über die Dampffahnen kein flüssiges Wasser direkt unter der Oberfläche voraussetzt. „Die Wärme genügt, um das Eis sublimieren zu lassen, wie in einem Kometen – das Eis geht sofort in Dampf über, und dieser ins All austretende Dampf reißt Eispartikel mit sich“, sagte er.

Dennoch geht auch diese Studie davon aus, dass Enceladus über einen flüssigen Ozean unterhalb der Eiskruste verfügt. Denn dies erlaubt der Eiskruste überhaupt erst, sich genug zu verformen, um die nötige Bewegung in den Spalten zu erzeugen. Wenn das Eis bis auf das felsige Innere des Mondes gefroren wäre, würden die Gezeitenkräfte nicht genug Bewegung erzeugen, um Wärme freizusetzen, betonte Nimmo.

Dieser Reibungs- oder auch Scherungswärme-Mechanismus ist konsistent mit einer früheren Studie von Nimmo und Pappalardo, die vorschlug, dass sich vor einiger Zeit Enceladus´ Rotationsachse geändert hat mit dem Ergebnis, dass sein „heißer Fleck“ am Südpol zu liegen kam. In dieser Studie (Raumfahrer.net berichtete) begründeten die Forscher die Reorientierung von Enceladus mit der geringeren Dichte des Krusteneises in dieser wärmeren Region.
In ihrer neuen Studie schätzen sie die Dicke des Eises auf mindestens 5 Kilometer, wahrscheinlich aber eher mehrere Dutzend Kilometer. Die Hin-und-Her-Bewegung der Bruchlinien während einer Gezeitenperiode (also während eines Saturnumlaufs von Enceladus) schätzen sie auf einen halben Meter.

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