Aktuelle Aufnahmen der Raumsonde Cassini zeigen aus Methan bestehende Wolkenformationen, welche über einen mit Kohlenwasserstoffverbindungen gefüllten See auf der nördlichen Hemisphäre des Saturnmondes Titan hinwegziehen. Bei dieser Wetteraktivität, so die an der Datenauswertung beteiligten Wissenschaftler, könnte es sich um ein Anzeichen für den gegenwärtig auf dem Titan einsetzenden Sommer auf dessen Nordhemisphäre handeln.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, CICLOPS.
Bereits seit dem 1. Juli 2004 befindet sich die Raumsonde Cassini in einer Umlaufbahn um den Saturn. Neben dem Ringsystem dieses zweitgrößten Planeten unseres Sonnensystems erwecken dabei besonders die Atmosphäre des Saturn und der größte der bisher 62 bekannten Saturnmonde, der 5.150 Kilometer durchmessende Mond Titan, das Interesse der an dieser überaus erfolgreichen Mission beteiligten Wissenschaftler.
Der Titan verfügt über eine dichte Atmosphäre, welche sich zu 98,4 Prozent aus Stickstoff zusammensetzt. Neben dem Edelgas Argon und der Kohlenwasserstoffverbindung Methan konnten in der Vergangenheit zudem mehr als ein Dutzend organischer Verbindungen wie zum Beispiel Ethan, Propan und Cyanwasserstoff nachgewiesen werden. Titans Atmosphäre erhebt sich rund zehnmal höher in den Weltraum als die Erdatmosphäre. Die Troposphäre des Mondes reicht zum Beispiel bis in eine Höhe von etwa 50 Kilometern.
Ein Flüssigkeitskreislauf auf dem Titan
In den letzten Jahren durchgeführte Studien haben zu dem Resultat geführt, dass auf dem Titan ein regelrechter Flüssigkeitskreislauf stattfindet, welcher im Gegensatz zu dem vergleichbaren Kreislauf auf der Erde allerdings nicht auf Wasser basiert. Bei Oberflächentemperaturen von rund minus 180 Grad Celsius regnen Methan und Ethan aus der Titanatmosphäre ab, welche sich anschließend auf der Oberfläche in ausgedehnten Abflusssystemen sammeln, von wo aus diese flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen zu verschiedenen Seen transportiert werden.
Somit hat sich der Titan neben der Erde als der einzige bekannte Ort innerhalb unseres Sonnensystems herauskristallisiert, an dem auch in der Gegenwart ein Flüssigkeitskreislauf stattfindet. Aus den daran beteiligten Kohlenwasserstoffen könnten sich unter bestimmten Bedingungen auch komplexere organische Verbindungen bilden, welche als die „Grundbausteine des Lebens“ angesehen werden. Unter den Exobiologen gilt der Titan daher als einer der derzeit aussichtsreichsten Kandidaten für den Nachweis von extraterrestrischen Lebensformen.
Wolken in der Titan-Atmosphäre
Ebenfalls im Fokus der Wissenschaftler steht seit dem Sommer 2004 das Wettergeschehen auf dem Titan. Aufgrund der hohen Exzentrizität der Umlaufbahn des Saturn um die Sonne, welche einen Wert von 0,05648 erreicht, treten auf dem Saturn – vergleichbar mit der Erde – markante Jahreszeiten und damit einhergehende Veränderungen in der ‚Großwetterlage‘ auf. Da der Planet – und somit auch der ihn umkreisende Mond Titan – für einen kompletten Umlauf um die Sonne knapp 30 Jahre benötigt, dauern diese vier Jahreszeiten jeweils rund 7,5 Jahre an.
Bei ihren kontinuierlich durchgeführten Beobachtungen konnten die an der Cassini-Mission beteiligten Wissenschaftler bisher zum Beispiel regelmäßig Wolken im Bereich der südlichen Titan-Hemisphäre registrieren. Dort ‚regierte‘ dabei zuerst der Spätsommer, welcher mittlerweile allerdings in den Herbst übergegangen ist. Über der nördlichen Titan-Hemisphäre, wo bisher Frühling herrschte, war der Himmel dagegen weitgehendst frei von solchen Wolken. Allerdings haben die Wissenschaftler Klimamodelle über die zu erwartende Entwicklung erstellt.
Diese Modelle besagen, das die Kohlenwasserstoffverbindungen, welche die auf der nördlichen Titanhemisphäre gelegenen Seen füllen, durch den mit dem Jahreszeitenwechsel einhergehenden minimalen Temperaturanstieg von wenigen Grad im Laufe der Zeit ‚verdunsten‘ werden. Das so freigesetzte Gas sollte über der Nordhemisphäre zuerst Wolken bilden und schließlich über der langsam ‚abkühlenden‘ Südhälfte des Titan in Form von Regen niedergehen. Tatsächlich konnte ein vergleichbares Phänomen bereits im Jahr 2010 registriert werden (Raumfahrer.net berichtete). Seitdem, so die Wissenschaftler, wurden in der Atmosphäre des Titan jedoch nur noch eine verhältnismäßig geringe Anzahl von weiteren Wolken beobachtet.
Dies hat sich jedoch kürzlich geändert. Im Rahmen des Titan-Vorbeifluges „T-103“ bildete die „Narrow Angle Camera“ (kurz „NAC“) – die Telekamera des ISS-Kameraexperiments, einem der 12 wissenschaftlichen Instrumente an Bord von Cassini – zwischen dem 20. und dem 22. Juli 2014 auch mehrfach die nördliche Titanhemisphäre ab.
Methan-Wolken über dem Ligeia Mare
Unter anderem richtete sich die NAC dabei auch auf die Umgebung des Ligeia Mare. Hierbei handelt es sich mit einer Ausdehnung von etwa 500 Kilometern um einen der größeren Methanseen auf dem Titan, welcher sich bei 79 Grad nördlicher Breite und 248 Grad westlicher Länge befindet. Während der Beobachtungen konnte die Kamera deutliche erkennbare Formationen von Methan-Wolken registrieren. Die Auswertung der entsprechenden Aufnahmen ergab, dass sich diese Wolken mit Geschwindigkeiten von etwa drei bis 4,5 Metern pro Sekunde bewegen. Diese Wolken, so die beteiligten Wissenschaftler, könnten den Beginn des Sommers auf der nördlichen Titanhemisphäre signalisieren.
„Wir sind gespannt, ob diese Wolken den Beginn des Sommers anzeigen oder ob es sich dabei um einen Einzelfall handelt“, so Elisabeth Turtle vom Applied Physics Laboratory an der Johns Hopkins University (JHU/APL) in Laurel im US-Bundesstaat Maryland, eine der assoziierten Mitarbeiterinnen des Cassini Imaging Central Laboratory for Operations (kurz „CICLOPS“), welches die Aktivitäten der ISS-Kamera plant und koordiniert. Eine weitere offene Frage stellt die Beziehung der beobachteten Wolkenformationen zu dem Ligeia Mare dar. Hat die ISS-Kamera die Wolken dort nur zufällig abgebildet oder haben diese sich wirklich an dieser Stelle gebildet?
Die Beobachtung der jahreszeitlich bedingten Veränderungen sowohl in der Atmosphäre als auch direkt auf der Oberfläche des Titan wird auch zukünftig eines der primären Ziele der Cassini-Mission darstellen. Der Großteil der derzeit mehr als 400 bekannten Seen auf der Titanoberfläche konzentriert sich in dessen Nordpolregion. Die Äquatorregion und die südliche Hemisphäre sich dagegen zumindestens gegenwärtig eher ‚trockenes Land‘. Durch das erwartete ‚Verdunsten‘ eines Großteils der nördlichen Seen, des Transports der dabei freigesetzten Gase und deren anschließenden ‚Abregnens‘ über der Südhemisphäre dürften sich dann auch dort neue Kohlenwasserstoffseen bilden.
Die nächste Möglichkeit für eine eingehende Untersuchung des Titan bietet sich bereits am 21. August 2014. An diesem Tag wird die Raumsonde Cassini den Titan um 10:09 MESZ im Rahmen eines gesteuerten Vorbeifluges erneut passieren und aus einer Überflughöhe von 964 Kilometern mit verschiedenen Instrumenten untersuchen (Raumfahrer.net berichtete).
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn und seine Monde noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.
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