Wissenschaftler suchen weiterhin die Ursache der Geysire auf dem Saturnmond Enceladus. Neue Messungen und Beobachtungen stützen die These, dass es unter dem Südpol ein Reservoir von flüssigem Wasser gibt.
Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: NASA/JPL.
Die Geysire auf Enceladus steigen als weithin sichtbare Fahne aus Wasserdampf und Eispartikeln von der Oberfläche des Mondes auf und entkommen seiner Anziehungskraft. Enceladus ist klein, Größenordnung 500 Kilometer, und verfügt über entsprechend wenig Gravitation, aber dennnoch bedeutet die Tatsache, dass es die Partikel so weit hinaus trägt, dass in Enceladus´ Tiefe doch beachtliche Kräfte wirken müssen. Woher diese Kräfte stammen, was da vor sich geht, ist immer noch rätselhaft. Die Raumsonde Cassini, deren Kameras die Geysire vor einigen Jahren entdeckten und die sich mittlerweile in ihrer erweiterten Mission „Equinox“ befindet, sammelt neue Daten und sucht nach Hinweisen.
Im Zentrum des Interesses steht die Frage, ob die Jets, die die Partikel ins All blasen, aus unterirdischen Reservoirs von flüssigem Wasser stammen. Wie so oft in der Planetenforschung ist flüssiges Wasser immer besonders interessant, weil Enceladus dann theoretisch alle Zutaten für eine bewohnbare Umgebung auf sich versammelt hätte. Es gibt allerdings Thesen zu den Jets, die ohne flüssiges Wasser auskommen. Nur peinlich genaue Detektivarbeit der Cassini-Wissenschaftler kann Hinweise liefern, welche These die richtige ist.
So suchte ein neueres Modell die Jets mit der Möglichkeit zu erklären, dass es sich dabei um heftige Ausbrüche von frischem Eis handeln könnte, das durch Gezeitenkräfte des Saturns immer dann an die Oberfläche gefördert wird, wenn Enceladus näher an Saturn kreist und sich folglich Spalten an Enceladus´ Südpol weiter öffnen als zu anderen Zeiten.
Neue Befunde, die in der Dezemberausgabe von „Nature“ beschrieben werden, deuten aber eher in eine andere Richtung. Denn wenn Enceladus weiter weg ist vom Saturn, müssten sich dieser These nach die Spalten weiter schließen und die Jets sich folglich reduzieren oder ganz verschwinden. „Unsere Beobachtungen stimmen nicht mit dem vorhergesagten Verhalten der Spalten aufgrund von Gezeitenkräften überein“, sagte die JPL-Wissenschaftlerin Candice Hansen vom UVIS-Team. Stattdessen stützen laut Hansen die neuen Erkenntnisse tatsächlich mindestens eine These, der zufolge die Jets aus einem Reservoir flüssigen Wassers in Enceladus stammen.
Hansen und ihr Team führten 2005 und 2007 Experimente durch, indem sie mit einem Cassini-Spektrometer Licht von Sternen untersuchten, die hinter der Geysir-Fahne passierten. Während dieser so genannten „stellaren Okkultation“ misst das Spektrometer die Dichte und den Wasserdampf-Anteil der Jets. Dadurch sollte die Vorhersage der erwähnten These überprüft werden, dass 2005 mehr Material aus offenen Spalten ausgestoßen worden sein müsste als 2007, da dann die Spalten weiter geschlossen gewesen seien.
Doch das Gegenteil war der Fall: Die Beobachtungen zeigten, dass die Fahne 2007 fast doppelt so dicht war wie 2005. Dies widerspricht also der These, dass Gezeitenkräfte für die Fahne verantwortlich seien. „Wir können diese These nicht ganz ausschließen wegen der verschiedenen Beobachtungsgeometrien der beiden Okkultationen, aber wir können sie definitiv nicht bestätigen“, sagte Hansen.
Hingegen würden die neuen Cassini-Beobachtungen ein mathematisches Modell unterstützen, das 2007 entwickelt wurde und die Spalten als Ventile betrachtet, die Wasserdampf von einer warmen, wahrscheinlich flüssigen Quelle an die Oberfläche ableiten – und zwar mit Überschallgeschwindigkeiten.
Die Autoren dieses Modells glauben, dass der stetig hohe Anteil von Eispartikeln in Enceladus´ Jets nur durch relativ hohe Temperaturen, dicht am Schmelzpunkt von Wassereis, erklärt werden kann. Sie denken an eine Quelle von flüssigem Wasser im Inneren von Enceladus, ähnlich dem Wostok-See unter der Antarktis auf der Erde. In Enceladus´ Fall würden die Eiskristalle aus dem Dampf kondensieren, der aus dieser Quelle durch Risse in der Eiskruste in den Weltraum austritt. Aufgrund der nicht vorhandenen Atmosphäre und dem damit einhergehenden „Druck Null“ an der Oberfläche kann sich auf Enceladus Wasserdampf schon bei wesentlich niedrigeren Temperaturen bilden, als wir es auf der Erde gewohnt sind – durch Sublimation sogar unmittelbar aus festem Eis.
Was genau die Jets verursacht und ihr Ausmaß bestimmt, ob es sich tatsächlich um flüssiges Wasser handelt, bleibt weiterhin unsicher. Aber mit weiteren Erkenntnissen ist zu rechnen. Denn seit dort die Existenz von flüssigem Wasser zumindest möglich scheint, ist Enceladus für Cassini zu einem Haupt-Untersuchungsziel aufgestiegen.