Eine internationale Gruppe von Astronomen hat im All eine Röntgenquelle ausgemacht, bei der es sich möglicherweise um das kleinste bisher bekannte schwarze Loch handelt. Zu dieser Entdeckung verhalf ihnen das Röntgenobservatorium Rossi X-ray Timing Explorer (RXTE), das seit Ende 1995 um die Erde kreist.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: NASA.
RXTE, ein Forschungssatellit der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur (NASA), fand eine spezifische Röntgenstrahlensignatur, die, weil sie bei einem EKG aufgezeichneten Signalen ähnelt, auch Herzschlag genannt wird. Die Wissenschaftler betrachten sie als deutlichen Hinweis auf ein schwarzes Loch, da solch eine Signatur bisher ausschließlich bei schwarzen Löchern beobachtet werden konnte.
Das Objekt mit der fluktuierenden Röntgenquelle wird wegen seiner astronomischen Koordinaten am Himmel als IGR J17091-3624 bezeichnet. Man geht davon aus, dass es sich um ein sogenanntes Binärsystem handelt, bei dem sich ein gewöhnlicher Stern und ein schwarzes Loch gegenseitig umkreisen. Im Falle von IGR J17091-3624 schätzt man die Größe des schwarzen Lochs auf etwa drei Sonnenmassen, was der theoretischen Untergrenze für die Masse eines schwarzen Lochs sehr nahe kommt.
Vom Stern strömt Gas in Richtung des schwarzen Lochs und bildet eine Art Scheibe um das Loch herum. Material, das sich innerhalb der Scheibe bewegt, wird durch Reibung soweit aufgeheizt, dass es schließlich auch Röntgenstrahlung aussendet. Wiederkehrende Intensitätsschwankungen der emittierten Röntgenstrahlung repräsentieren bestimmte Prozesse, die innerhalb der Gasscheibe ablaufen. Allgemein wird angenommen, dass dabei in der Nähe des sogenannten Ereignishorizonts, hinter dem nicht einmal Lichtquanten der Schwerkraft des schwarzen Lochs entkommen können, die dynamischsten Prozesse stattfinden.
IGR J17091-3624 machte durch einen Strahlungsausbruch im Jahre 2003 auf sich aufmerksam. Ein Studium archivierter Daten verschiedener vorhergehender Missionen von Forschungssatelliten brachte zu Tage, dass das Binärsystem alle paar Jahre ein Aktivitätshoch erlebt. Der jüngste Strahlungsausbruch begann im Februar 2011 und hält an. Die Entfernung des Binärsystems von unserem Sonnensystem konnte noch nicht besonders genau bestimmt werden. Das in Richtung des Sternbilds Skorpion liegende System befindet sich in einem Abstand zu uns zwischen 16.000 und 65.000 Lichtjahren.
Rekordhalter in Sachen schwankender Intensität ausgesandter Röntgenstrahlung ist GRS 1915+105, ein anderes Binärsystem mit schwarzem Loch. An ihm einzigartig ist, dass es mehr als zwölf verschiedene ausgeprägte Signaturen erkennen lässt, die typischerweise für Zeiträume zischen Sekunden und Stunden sichtbar bleiben.
Die Signaturen von GRS 1915+105 führt man auf Verdichtungserscheinungen in und Auswürfe von einer instabilen Scheibe zurück. Bei IGR J17091 wurden ähnliche Signaturen unlängst ebenfalls festgestellt.
Im Falle von GRS 1915 sorgen starke Magnetfelder für einen Materialausstoß in zwei gegenüberliegenden sogenannten Jets. Das ausgestoßene Material bewegt sich mit rund 98 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Dabei korrespondiert die Herzschlag-Signatur mit dem Auftreten der Jets.
Von RXTE pro Herzschlag beobachte Veränderungen im Röntgenspektrum sprechen dafür, dass in den innersten Regionen der Scheibe um das schwarze Loch von GRS 1915 immer wieder derartig starke Strahlung auftritt, dass Material aus der Scheibe hinausgestoßen wird (disk wind). Das wiederum hat eine Störung des Materialnachschubs für das schwarze Loch zur Folge, so dass Jets nach ihrer Ausbildung schnell zusammenbrechen. Zu diesem Zeitpunkt des Ablaufs wird dann am wenigsten Röntgenstrahlung ausgesendet. Am inneren Rand wird das Material in der Scheibe danach schließlich extrem heiß und hell, bevor es in das Loch stürzt, und der Zyklus beginnt von vorne. Bei GRS 1915+105 dauert ein solcher Zyklus 40 Sekunden.
Bei IGR J17091 wurden noch keine jetartigen Partikelströme gefunden, die Herzschlag-Signatur des Objekts spricht jedoch dafür, dass dort ähnliche Prozesse wie in GRS 1915 ablaufen. Eine um den Faktor 20 schwächere Signatur tritt in einem um den Faktor 8 häufigeren Zyklus alle fünf Sekunden auf.
Die Masse des schwarzen Lochs von GRS 1915 beträgt rund 14 Sonnenmassen. Es ist eines der größten, das beim Kollaps eines einzelnen Sterns entstanden ist. Nach dem Vergleich von Daten zu GRS 1915 mit Daten zu IGR J17091, die RXTE in einem Zeitraum von sechs Monaten gesammelt hatte, sind die beteiligten Wissenschaftler, unter anderem vom italienischen Observatorium Brera, der Universität Amsterdam in den Niederlanden und dem NASA-Zentrum für Weltraumflug im US-amerikanischen Greenbelt, davon überzeugt, dass sich in IGR J17091 ein außerordentlich kleines schwarzes Loch befindet.
In einem umfangreicheren Programm zur vergleichenden Untersuchung der beiden Binärsysteme markieren die neugewonnenen Erkenntnisse einen gelungenen Start. Bis zur Aufnahme der Studien stellte sich GRS 1915 als Einzelfall dar. Von intensiver Arbeit mit Daten der US-Weltraumobservatorien Swift und RXTE sowie dem europäischen Weltraumobservatorium XMM-Newton erwartet man eine deutliche Ausdehnung des Wissens über schwarze Löcher als Quellen stark schwankender Röntgenstrahlung und der Vorgänge, die an ihren Rändern ablaufen.