Die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti berichtete am 18. Oktober 2011, dass nach Informationen der untersuchenden Staatsanwaltschaft fahrlässiges Verhalten von Beschäftigten in Russlands Raumfahrtindustrie zu den Verlusten des ISS-Versorgers Progress-M 12M und des Kommunikationssatelliten Ekspress-AM 4 geführt hat.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: RIAN, Raumfahrer.net, Roskosmos.
Progress-M 12M, nach NASA-Notation Progress 44, war am 24. August 2011 in Baikonur auf einer Sojus-U-Rakete gestartet worden und hätte nach Abtrennung von der Trägerrakete die Internationale Raumstation (ISS) anfliegen sollen. Weil jedoch die letzte, Block I genannte Raketenstufe vorzeitig abschaltete, erreichte das Versorgungsschiff nicht die nötige Flughöhe und Geschwindigkeit, so dass es über russischem Staatsgebiet wieder in die Erdatmosphäre eintrat und dabei zerstört wurde.
Vorher hatte man Ekspress-AM 4 auf einer Proton-M-Rakete mit Breeze-M-Oberstufe am 18. August 2011 in Baikonur gestartet. Die sogenannte Orbitaleinheit aus Oberstufe und aufgesetztem Satelliten erreichte zwar zunächst die geplante Parkbahn, wegen eines Fehlers in der Oberstufe konnte letztere jedoch nicht alle vorgesehenen Brennphasen ausführen und setzte den Satelliten in einer ungeeigneten Bahn aus, die für den ursprünglich geplanten kommerziellen Einsatz des Satelliten durch GKPS nicht taugt.
Laut Marina Gridnewa, Sprecherin des Büros der russischen Generalstaatsanwaltschaft, sind beide Vorfälle Folge von Fahrlässigkeiten mit verschiedenen Kontrollaufgaben betrauter Beschäftigter von staatlichen Unternehmen, die unter Aufsicht der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos arbeiten. Ebenso ursächlich ist nach Gridnewa auch das Fehlen geeigneter Kontrollen durch die Entscheidungsträger bei Roskosmos.
Die in den Sand gesetzten Herstellungskosten für die Raumfahrzeuge werden auf eine Summe zwischen 650 und 700 Millionen Rubel bzw. zwischen 21 und 22 Millionen Dollar geschätzt, schreibt RIA Novosti.
Express-AM 4 wurde zu einem Totalverlust, weil in einer Software zur Steuerung der Oberstufe ein Parameter nicht den richtigen Wert zugewiesen bekommen hatte. Progress-M 12M ging verloren, weil eine Treibstoffleitung der Trägerrakete nicht ausreichend durchlässig war.
Die Unfälle lösten erneut schwerwiegende Bedenken gegenüber der Leistungsfähigkeit der russischen Raumfahrindustrie aus. Seitens der zuständigen Regierungsstellen in Russland wurden verschärfte Kontrollen bei Produktion und Betrieb russischer Raumfahrzeuge angeordnet.
Eine strafrechtliche Verfolgung möglicher Unterlassungssünden Beschäftigter in Russlands Raumfahrtindustrie, die zu einer erheblichen Schädigung dieses Industriezweigs führten, ist laut Marina Gridnewa beabsichtigt. Die russische Generalstaatsanwaltschaft verlangt, dass die für den Verlust der Ekspress- und Progress-Raumfahrzeuge Verantwortlichen gemaßregelt und mit Bußgeldern belegt werden.