Anfang November 2011 untersuchte der Rover Opportunity mit verschiedenen Instrumenten eine auffällige Struktur auf der Oberfläche des Mars. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass es sich hierbei um eine Ablagerung von Gips handelt. Dieses Sulfatmineral konnte sich nur unter dem Einfluss von Wasser herausbilden.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, Planetary Society, Malin Space Science Systems, Unmanned Spaceflight.
Nach dem Abschluss der Untersuchungen des Viktoria-Kraters, welcher sich auf der auf dem Mars gelegenen Hochebene „Meridiani Planum“ befindet, fassten die für die Opportunity-Mission verantwortlichen Mitarbeiter des Jet Propulsion Laboratory (JPL) den Entschluss, den Marsrover zu einem neuen Ziel zu manövrieren. Hierfür wählte die Missionsleitung den westlichen Rand des knapp 22 Kilometer durchmessenden und etwa 12 Kilometer vom Viktoria-Krater entfernt liegenden Endeavour-Krater aus. Auf dem Weg zu seinem neuen Ziel legte Opportunity in den vergangenen Jahren weitere über 20 Kilometer auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten zurück.
Nach einer Reisedauer von fast drei Jahren konnte der Rover sein Ziel schließlich am 9. August 2011, dem Sol 2.681 der Mission, erreichen (Raumfahrer.net berichtete). Opportunity befand sich jetzt direkt an der Südspitze des Cape York, einer mehrere hundert Meter langen und nur wenige Meter hohen Geländeerhebung, welche sich direkt am westlichen Rand des Endeavour-Kraters befindet.
Nach dem Abschluss erster Bodenanalysen in dieser Region (Raumfahrer.net berichtete) wurde die Fahrt am 1. September 2011, dem Sol 2.703 der Mission, fortgesetzt. Opportunity bewegte sich dabei zunächst im Rahmen mehrerer Etappen in die nördliche Richtung, wobei die Fahrt immer wieder kurz unterbrochen wurde, um verschiedene geologisch interessant erscheinende Bodenstrukturen näher zu untersuchen (Raumfahrer.net berichtete).
Die an der Mission beteiligten Wissenschaftler hielten auf den vom dem Rover übermittelten Aufnahmen der Marsoberfläche besonders nach geologischen Formationen Ausschau, welche bereits unmittelbar nach dem Erreichen des Odyssey-Kraters am Südrand des Cape York beobachtet werden konnten. Hierbei handelte es sich um feine, schmale Risse im Untergrund, welche an Venen erinnern. Hierbei, so eine erste Einschätzung, handelt es sich anscheinend um Frakturen im marsianischen Grundgestein, welche von zu diesem Zeitpunkt noch nicht näher bestimmten auffällig hellen Materialien ausgefüllt wurden.
Und tatsächlich stieß Opportunity auch im nordwestlichen Bereich des Cape York auf solche ungewöhnlich hell erscheinenden „Venen“. Diese wurden erstmals auf den Bildern identifiziert, welche der Rover nach seiner Fahrt am 29. Oktober, dem Sol 2.760 der Mission, aufnahm. Die noch fehlenden 3,7 Meter bis zu der als „Homestake“ bezeichneten Oberflächenformation konnten am 1. November erfolgreich überbrückt werden. Die Vene ragt leicht über das umgebende Material hinaus und scheint zudem etwas härter als dieses zu sein.
Bereits am darauf folgenden Tag wurde zuerst ein am Instrumentenarm des Rovers befindliches Mikroskop direkt über der „Vene“ platziert, um detaillierte Bilder zu erhalten. Anschließend erfolgte eine mehrstündige Messung des APXS-Spektrometers, um deren mineralogische Zusammensetzung zu bestimmen.
Das APXS-Spektrometer verfügt an seinem Kopfende über ein Ringstück, welches über eine Isotopenquelle, es handelt sich hierbei um das radioaktiv strahlende Isotop Curium-244, verfügt. Bei den Messungen wird dieses Kopfstück direkt auf dem zu untersuchenden Objekt aufgesetzt. Die Isotopenquelle sendet bei der anschließenden Messung eine Alphastrahlung in Form von Heliumkernen aus, welche aus zwei Protonen und zwei Neutronen bestehen. Sobald die Heliumkerne in dem zu untersuchenden Objekt auf andere Atomkerne treffen, werden diese dabei abhängig von der Atommasse der getroffenen Atome auf eine charakteristische Art und Weise gestreut und abgelenkt.
Misst man dabei den Winkel der erfolgten Ablenkung und die dabei auftretende Energie, so erhält man genaue Daten über die Masse der für die Ablenkung verantwortlichen Atomkerne und kann so auch die dafür verantwortlichen Elemente bestimmen. Aus der sich so ergebenden Zusammensetzung der verschiedenen Elemente kann wiederum auf das zugrunde liegende Mineral und daraus auf die Zusammensetzung der untersuchten Bodenformation geschlossen werden. Mit dieser Methode lassen sich speziell leichte Elemente wie Natrium, Magnesium und Schwefel identifizieren und ihre Mengenanteile in der untersuchten Gesteinsprobe bestimmen. Die APXS-Spektrometer der Mars Exploration Rover-Mission wurden am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz entwickelt.
Die Zeit bis zum 7. November wurden durch weitere APXS-Messungen und Mikroskopaufnahmen von Homestake bestimmt, wobei verschiedene Abschnitte dieser etwa ein bis zwei Zentimeter breiten und etwa 45 Zentimeter langen Struktur studiert wurden. Anschließend wurden verschiedene Oberflächenbereiche unmittelbar neben Homestake auf die gleiche Weise untersucht. Diese Messungen dienten dazu, um die direkt von Homestake gesammelten Daten in einen geologischen und geochemischen Kontext zu versetzen.
Zusätzlich wurde die mit verschiedenen Farbfiltern ausgestattete Panoramakamera dazu eingesetzt, um die „Vene“ abzubilden und dabei unter anderem auch Falschfarbenaufnahmen der Formation anzufertigen. Anhand dieser „False Color“-Bilder können die an der Mission beteiligten Wissenschaftler Unterschiede zwischen den vorhandenen Materialien besser sichtbar machen.
Mittlerweile ist die Auswertung der erst vor wenigen Wochen gesammelten Daten so weit fortgeschritten, dass erste Ergebnisse dieser Untersuchungen am vergangenen Mittwoch auf der jährlich in San Francisco/Kalifornien stattfindenden Herbstkonferenz der American Geophysical Union (AGU) vorgestellt werden konnten. Demzufolge belegt die Analyse mit dem APXS-Spektrometer die Anwesenheit relativ großer Mengen an Kalzium und Schwefel. Diese beiden Stoffe treten dabei in einem Verhältnis auf, welches sich am besten mit dem wasserhaltigen Mineral Calciumsulfat vereinbaren lässt.
Dieses Mineral kann sich nur durch die Einwirkung von flüssigem Wasser bilden und ablagern. In der Natur tritt es – abhängig von der in der Kristallstruktur eingebundenen Menge an Wasser – in unterschiedlichen Formen auf. Die Messungen des Marsrovers lassen die Wissenschaftler zu dem Schluss gelangen, dass es sich im Fall von Homestake um eine Ader aus Gips (chemische Formel CaSO4·2H2O) handelt. Die APXS-Messungen und die Mikroskopaufnahmen zeigen zudem, dass der Gips in nahezu reiner Form auftritt.
„Das zeigt uns eindeutig, dass hier einstmals Wasser durch Gesteinsspalten im Untergrund geflossen ist“, so Dr. Steve Squyres von der Cornell University, der leitende Wissenschaftler der Mars Exploration Rover-Mission. „Das Material tritt in einer nahezu reinen chemischen Ablagerung auf, welche dort entstanden ist, wo wir sie jetzt sehen. Das lässt sich weder über andere Gips-Ablagerungen sagen, die zuvor schon auf dem Mars entdeckt wurde, noch über andere Minerale, welche Opportunity entdeckt hat und die ebenfalls mit Wasser in Verbindung gebracht werden. Auf der Erde ist das nichts Seltenes, doch auf dem Mars lässt so ein Fund Geologen vor Freude von ihren Stühlen aufspringen.“
In der Vergangenheit konnten durch Orbitermessungen geringe Beimengungen von Gips im Marsboden nachgewiesen werden, welche speziell in einigen Dünengebieten rund um den Nordpol des Mars auftreten. Das Besondere an der jetzigen Entdeckung ist, dass derart reine Gipsablagerungen auf dem Mars bisher unbekannt waren. Die hohe Konzentration und die Art der erfolgten Ablagerung in Form der Venen ist zudem ein eindeutiger Hinweis darauf, dass das Material ursprünglich an diesem Ort entstand und nicht etwa durch Windverfrachtung von anderen Bereichen der Marsoberfläche zum Rand des Endeavour-Kraters transportiert wurde. Weitere Untersuchungen ähnlicher Ablagerungen ergeben somit prinzipiell die Gelegenheit, die Entstehungsgeschichte dieser Ablagerungen und somit auch den früher einmal vorherrschenden Wasserkreislauf in einen räumlichen und zeitlichen Kontext zu versetzen.
Die Wissenschaftler gehen derzeit davon aus, dass sich das im Bereich von Homestake nachgewiesene Calciumsulfat im Zusammenspiel mit wässrigen Lösungen bildete, welche einstmals im Marsuntergrund zirkulierten und dabei im Laufe der Zeit Calcium aus dem Gestein herauswuschen. Die mit den Mineralen angereicherte Wasserlösung drang dabei auch in Gesteinsspalten ein, wo sich die Minerale an den Rändern der Hohlräume absetzten. Das Calcium und der ebenfalls nachgewiesene Schwefel, so die Annahme, wurde eventuell durch vulkanische Aktivitäten in den Untergrund verbracht. Die Gips-Ablagerungen wurden in einem Bereich der Marsoberfläche entdeckt, in dem die sulfatreichen Sedimentgesteine des Meridiani Planum von den am Rand des Endeavour-Kraters befindlichen älteren Gesteinsformationen abgelöst werden, welche vulkanischen Ursprungs sind.
Im Laufe der letzten acht Jahre konnte der Marsrover Opportunity in der Meridiani-Ebene verschiedene Gesteinstypen untersuchen, welche unter anderem aus Eisen- und Magnesiumsulfaten bestehen und deren Entstehung ebenfalls mit Wasser in Verbindung gebracht wird. Diese Ablagerungen deuteten allerdings immer darauf hin, dass das zugrunde liegende Wasser über einen relativ hohen Säuregehalt verfügte. Die in einem hohen Maß konzentrierten Calciumsulfat-Ablagerungen könnten sich dagegen in einer eher ph-neutralen Umgebung gebildet haben, so Benton Clark vom Space Science Institute in Boulder im US-Bundesstaat Colorado. Zugleich ist der Fund der bisher eindeutigste Beweis für das frühere Vorhandensein von fließendem Wasser im Bereich des Meridiani Planum, welchen Opportunity bisher erbringen konnte.
Nach dem Abschluss der Untersuchungen von Homestake setzte Opportunity seine Fahrt am 12. November 2011, dem Sol 2.773 der Mission, fort und bewegte sich weiter in die nordöstliche Richtung, um einen geeigneten Platz für sein vorgesehenes „Winterquartier“ während des anstehenden Marswinters zu erreichen. Der Rover soll die nächsten Monate bis zum Ende des Winters an einem nach Norden geneigten Hang verbringen, da so gewährleistet werden kann, dass dem ausschließlich mit Solarenergie betriebene Rover auch während der kommenden etwa fünf Monate genügend Energie zu Verfügung steht (Raumfahrer.net berichtete).
Als mögliche Winterquartiere konnte das für die Steuerung des Rovers zuständige Marsrover-Driverteam mittlerweile zwei potentielle Kandidaten ausmachen, welche seit dem 22. November näher untersucht werden. Der erste mögliche Überwinterungsort – Turkey Haven – wurde bis zum 29. November untersucht, wobei neben den verschiedenen Kameras erneut das Mikroskop und das APXS-Spektrometer eingesetzt wurden, um einzelne Ziele auf der Oberfläche einer kurzen Analyse zu unterziehen und dabei einen ersten Eindruck über deren wissenschaftliche Relevanz zu erlangen. Seit dem 4. Dezember wird eine zweite Region – die formelle Bezeichnung lautet „Saddleback“ – auf die gleiche Weise untersucht.
Anhand der wissenschaftlichen Daten, welche an diesen beiden nur etwa 15 Meter voneinander entfernt gelegenen Stellen gesammelt werden, wollen die an der Mission beteiligten Wissenschaftler das endgültige Winterquartier festlegen. Beide Regionen verfügen über Hänge, welche um bis zu 20 Grad in Richtung Sonne geneigt sind und die somit auch bei einer tief über dem Horizont stehenden Sonne eine optimale Bestrahlung der Solarzellen des Rovers für die Energieversorgung gewährleisten.
Einen Überblick über die Entwicklung der Energiewerte von Opportunity während der letzten Wochen gibt die folgende Auflistung. Der Tau-Wert steht dabei für die Durchsetzung der Marsatmosphäre mit Staub und Wassereiskristallen. Je mehr Staub sich in der Atmosphäre des Planeten befindet, desto höher fällt dieser Wert aus. Der Wert für die Lichtdurchlässigkeit der Solarzellen gibt dagegen an, wie viel Sonnenlicht die Solarpaneele trotz einer bedeckenden Staubschicht erreicht und letztendlich zur Energiegewinnung genutzt werden kann. Je niedriger der Tau-Wert und je höher der Faktor für die Lichtdurchlässigkeit ausfällt, desto besser ist dies für den Energiehaushalt des Rovers.
- 08.11.2011: 0,295 kWh/Tag , Tau-Wert 0,774 , Lichtdurchlässigkeit 48,90 Prozent
- 16.11.2011: 0,298 kWh/Tag , Tau-Wert 0,696 , Lichtdurchlässigkeit 48,60 Prozent
- 22.11.2011: 0,297 kWh/Tag , Tau-Wert 0,661 , Lichtdurchlässigkeit 46,30 Prozent
- 29.11.2011: 0,292 kWh/Tag , Tau-Wert 0,770 , Lichtdurchlässigkeit 48,80 Prozent
- 06.12.2011: 0,305 kWh/Tag , Tau-Wert 0,755 , Lichtdurchlässigkeit 48,70 Prozent
Der leichte Anstieg der derzeit zur Verfügung stehenden Energiemenge in den letzten Tagen ist unter anderem dadurch begründet, dass sich Opportunity gegenwärtig an einer Stelle befindet, welche eine Neigung von rund 15 Grad gegenüber der Sonne aufweist. Zugleich kam dem Rover auch das gegenwärtig auf dem Mars vorherrschende Wetter zugute, welche sich während der zurückliegenden Woche wieder etwas beruhigt hat. Zwei zuvor registrierte ausgedehntere Staubsturmgebiete über dem Arcadia Planitia und dem Tempe Terra verloren Ende November deutlich an Kraft. Auch andere, allerdings von vornherein lokal begrenzte Sturmgebiete, welche unter anderem über dem Terra Cimmeria und dem Aonia Terra auftraten, fielen in der vergangenen Woche relativ schwach aus. Dies hatte zur Folge, dass sich in den letzten Tagen nur relativ wenig Staub in der Marsatmosphäre befand.
Bis zum heutigen Tag hat Opportunity insgesamt 34.360,76 Meter auf der Oberfläche des Mars zurückgelegt und dabei fast 162.400 Bilder von der Oberfläche und der Atmosphäre des Roten Planeten aufgenommen und an sein Kontrollzentrum in Pasadena/Kalifornien übermittelt.
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