Am 6. August 2014 wird die Raumsonde Rosetta in eine Umlaufbahn um dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko eintreten. Heute veröffentlichte Aufnahmen zeigen deutliche Anzeichen dafür, dass der Kern des Kometen von einer Koma – einer Hülle aus Gas und Staub – umhüllt ist.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, ESA, DLR.
Kometen sind Überreste aus der Entstehungsphase unseres Sonnensystems, welche sich auf elliptischen Umlaufbahnen um die Sonne bewegen. Den Großteil ihrer Existenz fristen diese auch als ’schmutzige Schneebälle‘ bezeichneten Objekte fernab der Sonne als kalte, nahezu unveränderliche Brocken aus Eis, Staub und gefrorenen Gasen. Erst wenn sich ein Komet auf seiner langgezogenen Umlaufbahn der Sonne bis auf eine Entfernung von etwa fünf Astronomischen Einheiten – dies entspricht in etwa 750 Millionen Kilometern – nähert, setzt eine Verwandlung ein.
Aufgrund der steigenden Temperaturen sublimieren die leichtflüchtigen Bestandteile des Kometenkerns – in erster Linie handelt es sich dabei um gefrorenes Wasser, Kohlenstoffdioxid, Methan und Ammoniak – und entweichen mit Geschwindigkeiten von bis zu einigen hundert Metern in der Sekunde in das umgebende Weltall. Dabei reißen diese freigesetzten Gase regelrechte Fontänen aus Staub mit sich. Diese Teilchen formen zunächst eine Koma, welche den Kometenkern vollständig einhüllt. Aus dieser Kometenkoma entwickelt sich aufgrund des von der Sonne ausgehenden Strahlungsdrucks anschließend auch ein „Schweif“, welcher den Kometen ihr charakteristisches Aussehen verleiht.
Allerdings sind die dabei ablaufenden Prozesse längst noch nicht bis ins letzte Detail verstanden. Welche Faktoren setzen diesen Ausstoß von Gas und Staub in Gang? Wie entwickelt sich die Aktivität? Und welche Prozesse auf der Oberfläche und im Inneren des Kometenkerns spielen dabei welche Rolle?
„Details kometarer Aktivität sind bisher kaum verstanden“, so der Kometenforscher Dr. Ekkehard Kührt vom Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof.
Antworten auf diese Fragen erhoffen sich die Planetenforscher durch die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Rosetta, welche am 6. August 2014 in einen Orbit um den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko (der Einfachheit halber ab hier als „67P“ abgekürzt) eintreten und diesen anschließend bis voraussichtlich zum Ende des Jahres 2015 auf seinem weiteren Weg in das innere Sonnensystem ‚begleiten‘ und mit einer Vielzahl von Instrumenten untersuchen soll. Elf Instrumente befinden sich direkt auf der Kometensonde, weitere zehn auf dem von Rosetta mitgeführten und im November 2014 zum Einsatz kommenden Kometenlander Philae. Eines der Ziele der Mission, so die beteiligten Wissenschaftler, besteht darin, durch die zu gewinnenden Daten ein noch besseres Verständnis über die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte unseres Sonnensystems zu erlangen.
Der Komet bildet eine Koma aus
Aktuell befindet sich 67P noch in einer Entfernung von 544 Millionen Kilometern zur Sonne. Die Rosetta-Mission bietet den Planetenforschern somit auch die bisher einzigartige Möglichkeit, alle Phasen der einsetzenden Kometenaktivität aus der unmittelbaren Nähe zu beobachten und zu analysieren. Bereits Ende April 2014 konnten die an der Mission beteiligten Wissenschaftler dabei auf den Aufnahmen der OSIRIS-Kamera – der vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen entwickelten und betriebenen Hauptkamera an Bord von Rosetta – bei 67P die Anzeichen einer sich entwickelnden Koma entdecken.
Auf einer am heutigen Tag veröffentlichten aktuellen Aufnahme füllt diese Koma den gesamten, 150 x 150 Kilometer umfassenden Blickwinkel der Weitwinkel-Kamera (kurz „WAC“) von OSIRIS aus. Diese Aufnahme zeigt jedoch höchstwahrscheinlich nur den inneren Bereich der Koma, in dem die Teilchendichten am höchsten ausfällt. Die beteiligten Wissenschaftler gehen davon aus, dass die vollständige Koma gegenwärtig bereits über eine deutlich größere Ausdehnung verfügt.
„Obwohl es sich widersprüchlich anhört, ist es schwieriger die Koma des Kometen aus der Nähe abzubilden als aus großer Entfernung“, erklärt Dr. Holger Sierks vom MPS, der Leiter des OSIRIS-Teams. Ende April zeigten die OSIRIS-Aufnahmen zum Beispiel einen deutlichen Anstieg in der Staubfreisetzungsrate von 67P. Damals betrug der Abstand zwischen der Raumsonde und dem Kometen noch mehr als zwei Millionen Kilometer. Ein Pixel in den Bildern entsprach dabei im Bereich des Kometenkerns einer Fläche von 2.500 Quadratkilometern. Das Licht, welches alle in dieser Zone befindlichen Staubteilchen reflektierten, trug gemeinsam zu dem empfangenen Signal bei.
Die aktuellen Bilder lösen den Kometen und seine Umgebung jetzt zwar deutlich besser auf, doch dadurch bedingt trägt zugleich auch eine viel kleinere Region, in der sich deutlich weniger Staubteilchen befinden, zu einem Pixel bei. Die entsprechende Aufnahme wurde am 25. Juli 2014 aus einer Entfernung von rund 3.000 Kilometern zu 67P angefertigt. Um das schwache reflektierte Licht der Staubpartikel abbilden zu können war eine Belichtungszeit von 330 Sekunden erforderlich.
Eine weitere Herausforderung stellt zudem der helle Kometenkern dar, der seine Umgebung auf den Aufnahmen ‚überstrahlt‘. Die OSIRIS-Kamera ist zwar so konzipiert, dass das Instrument mit einer gesteuerten Überbelichtung im Bereich des Kerns umgehen kann – das Streulicht dieser starken Lichtquelle verursacht dabei allerdings Bildartefakte. In der aktuellen Aufnahme ist die blasse runde Struktur rechts vom Kometenkern ein solches Artefakt. Der zentrale Bereich des Bildes, welcher die Umgebung des Kerns wiedergibt, ist durch die Überbelichtung ‚entstellt‘.
In den nächsten Wochen wird das OSIRIS-Team die Aktivität des Kometen auch weiterhin untersuchen. Hierzu müssen Beobachtungsdaten, welche aus verschiedenen Entfernungen und mit unterschiedlichen Belichtungszeiten aufgenommen wurden, zueinander in Beziehung gesetzt werden. Außerdem warten die an der Rosetta-Mission beteiligten Wissenschaftler voller Spannung auf Daten von anderen Instrumenten, die Angaben zu den Gasen liefern sollen, welche die Staubteilchen von der Kometenoberfläche ins All befördern. Mögliche ‚Kandidaten‘ hierfür sind Wassermoleküle, Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid.
Der Komet in höherer Auflösung
Ebenfalls am heutigen Tag wurde eine weitere Aufnahme der Telekamera des OSIRIS-Experiments veröffentlicht. Dieses Foto der Kometenkerns wurde am 29. Juli aus einer Entfernung von 1.950 Kilometern angefertigt und erreicht eine Auflösung von 37 Metern pro Pixel. Hierbei tritt besonders die helle Region zutage, welche den ‚Hals‘ und den ‚Körper‘ des Kerns verbindet (Raumfahrer.net berichtete).
Der Grund für den dort zu beobachtenden Helligkeitsunterschied zur restlichen Kometenoberfläche ist derzeit Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Diskussionen. Mögliche Ursachen hierfür, so erste Erklärungsansätze, reichen von Unterschieden in der chemisch-mineralogischen Zusammensetzung der auf der Oberfläche abgelagerten Materialien über unterschiedliche ‚Korngrößen‘ dieser Partikel bis hin zu topografischen Effekten.
Außerdem lassen sich inzwischen – wenn auch immer noch in geringer Auflösung – immer mehr Details der Oberfläche erahnen. „Die Oberfläche sieht relativ rau aus, es bleibt abzuwarten, ob es sich um Einschlagskrater handelt oder um Strukturen, die sich aus der kometaren Aktivität ergeben“, so Dr. Ekkehard Kührt, der als Mitarbeiter des OSIRIS-Teams an der Auswertung der Aufnahmen beteiligt ist.
Zur Beantwortung dieser Frage sind noch deutlich höher aufgelöste Aufnahmen der Kometenoberfläche notwendig, deren Anfertigung allerdings bereits in wenigen Tagen möglich sein wird. Derzeit befindet sich Rosetta in einer Entfernung von mittlerweile weniger als 1.200 Kilometern zu der Oberfläche des Kometen. Die aktuelle Annäherungsgeschwindigkeit von Rosetta zu ihrem Ziel liegt gegenwärtig bei etwa 13 Kilometern pro Stunde.
Bedingt durch diese stetige Annäherung erreichen auch die von der ESA inzwischen regelmäßig (Montag bis Freitag um jeweils 15:00 MESZ) veröffentlichten Aufnahmen der Navigationskamera von Rosetta eine immer höhere Auflösung. Diese Aufnahmen können Sie in der Rosetta-Bildgalerie sowie im Rosetta-Blog der ESA einsehen und auf Ihren Computer herunterladen. Vielleicht möchten Sie sich auch selbst an einer Nachbearbeitung dieser Aufnahmen versuchen?
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