Rosettas Komet: Eine erste Temperaturkarte

Bei einem der Instrumente, mit denen die Raumsonde Rosetta gegenwärtig den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko untersucht, handelt es sich um ein Spektrometer, mit dem die Oberflächentemperatur des Kometen ermittelt werden kann. Erste Ergebnisse dieser Messungen wurden kürzlich auf dem European Planetary Science Congess, einer gegenwärtig in Portugal stattfindenden Fachtagung der Planetenforscher, vorgestellt.

Erstellt von Ralph-Mirko Richter. Quelle: EPSC 2014

Die Raumsonde Rosetta verfügt über insgesamt elf wissenschaftliche Instrumente. Weitere zehn Instrumente werden zudem von dem Kometenlander Pilae mitgeführt.
(Bild: ESA, ATG medialab)
Die Raumsonde Rosetta verfügt über insgesamt
elf wissenschaftliche Instrumente. Weitere
zehn Instrumente werden zudem von dem
Kometenlander Pilae mitgeführt.
(Bild: ESA, ATG medialab)

Nach einem mehr als zehn Jahre andauernden Flug durch unser Sonnensystem erreichte die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Rosetta am 6. August 2014 das finale Ziel ihrer Reise – den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko (der Einfachheit halber ab hier als „67P“ abgekürzt).

Seitdem ‚begleitet‘ Rosetta diesen Kometen auf seinem Weg in das innere Sonnensystem und untersucht dieses Relikt aus der Entstehungsphase unseres Sonnensystems intensiv mit elf wissenschaftlichen Instrumenten.

Bei einem dieser Instrumente handelt es sich um ein im sichtbaren und im infraroten Wellenlängenbereich arbeitendes abbildendes Spektrometer namens „Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer“ (kurz „VIRTIS“). Mittels der Messdaten des Instruments sollen Informationen über die Temperatur des Kometenkerns, über dessen chemische und mineralogische Zusammensetzung sowie über die Verteilung der dort befindlichen festen und gasförmigen Stoffe gewonnen werden.

Im Verlauf der letzten zwei Monate hat das VIRTIS-Instrument während der Annäherungsphase an den Kometen 67P aus Entfernungen von etwa 14.000 Kilometern bis hin zu weniger als 100 Kilometern zur Kometenoberfläche mehr als drei Millionen Spektren in einem Wellenlängenbereich zwischen 4,5 und 5,1 Mikrometer aufgenommen.

In diesem Zeitraum befand sich der Komet in Entfernungen von 3,6 bis hin zu 3,45 Astronomischen Einheiten (kurz „AE“) zur Sonne. Eine AE – dieser in der Astronomie übliche Entfernungswert bezeichnet die mittlere Distanz zwischen der Erde und der Sonne – beträgt etwa 150 Millionen Kilometer. Durch die Auswertung dieser Daten ist es den beteiligten Wissenschaftlern möglich gewesen, erste Aussagen über die auf der Oberfläche von 67P herrschenden Temperaturen zu tätigen.

Temperaturdaten

Mitte Juli 2014 konnte das VIRTIS dabei aufgrund der noch großen Entfernung zu dem Kometen nur eine allgemeine Temperatur für die gesamte zum Zeitpunkt der jeweiligen Messungen sichtbaren Oberfläche ermitteln. Diese Durchschnittstemperatur lag damals bei einem Wert von 205 Kelvin (-68 Grad Celsius). Ab Anfang Juli war die Auflösung dann bereits so gut, dass die Temperaturen auch an einzelnen Bereichen der Oberfläche gemessen werden konnten. Nach dem 6. August 2014 – dem Tag der Ankunft der Raumsonde an dem Kometen – war VIRTIS dann in der Lage, die Temperatur auf der gesamten Kometenoberfläche regelmäßig zu ermitteln.

Die gemessenen Temperaturen bewegen sich in einem Bereich zwischen 180 Kelvin (-93 Grad Celsius) bis hin zu maximal 230 Kelvin (-43 Grad Celsius). Aus diesen Daten haben die beteiligten Wissenschaftler Temperaturkarten von der Oberfläche des Kometenkerns angefertigt, welche die an verschiedenen Punkten der Oberfläche zu verschiedenen Tageszeiten vorherrschenden Temperaturen wiedergeben. Diese Temperaturdaten haben einen entscheidenden Einfluss auf die Auswahl des zukünftigen Landeplatzes des Kometenlanders Philae, der am 11. November 2014 die Oberfläche von 67P an einem noch festzulegenden Ort erreichen soll. An diesem Ort, so die an der Mission beteiligten Ingenieure, darf es weder zu heiß noch zu kalt sein, da ansonsten die empfindliche Elektronik von Philae beschädigt werden könnte.

Die Oberfläche des Kometen ist hier - abweichend von den realen Gegebenheiten - als Sphäre dargestellt, auf die dann die von VIRTIS ermittelten Temperaturdaten übertragen wurden. Diese Temperaturen bewegen sich in einem Bereich zwischen 180 Kelvin (-93 Grad Celsius) bis hin zu maximal 230 Kelvin (-43 Grad Celsius). Zusätzlich zeigen die fünf Buchstaben die Orte, welche bisher als die Landeplatzkandidaten für den Kometenlander Philae gelten (Raumfahrer.net berichtete).
(Bild: ESA, Rosetta, VIRTIS, INAF-IAPS, OBS DE PARIS-LESIA, DLR)
Die Oberfläche des Kometen ist hier – abweichend
von den realen Gegebenheiten – als Sphäre
dargestellt, auf die dann die von VIRTIS ermittelten
Temperaturdaten übertragen wurden. Diese
Temperaturen bewegen sich in einem Bereich
zwischen 180 Kelvin (-93 Grad Celsius) bis hin zu
maximal 230 Kelvin (-43 Grad Celsius). Zusätzlich
zeigen die fünf Buchstaben die Orte, welche bisher
als die Landeplatzkandidaten für den
Kometenlander Philae gelten.
(Bild: ESA, Rosetta, VIRTIS, INAF-IAPS,
OBS DE PARIS-LESIA, DLR)

Thermische Spannungen

Mittlerweile können aufgrund der hohen Auflösung des VIRTIS auch Temperaturveränderungen registriert werden, welche auf die Rotation des Kometen und den dadurch bedingten Tag/Nacht-Zyklus zurückzuführen sind. Durch die rapide auftretenden Temperaturveränderungen, welche auf der Oberfläche durch einen Eintritt beziehungsweise Austritt aus dem Sonnenlicht hervorgerufen werden, können sich thermische Spannungen bilden. Diese Spannungen können zu Mikrorissen in der Oberfläche führen, welche sich eventuell zu größeren Rissen ausdehnen könnten. Und aus derartigen Rissen – so die Wissenschaftler – könnten dann eventuell weitere Gasjets austreten.

Die Zusammensetzung der Kometenoberfläche

Aus den Messdaten von VIRTIS lassen sich auch Informationen über die chemische Zusammensetzung und über physikalische Eigenschaften der Kometenoberfläche ableiten, welche anschließend mit verschiedenen theoretischen Modellen abgeglichen werden. Die bisherigen Analysen haben zu dem Schluss geführt, dass die Oberfläche des Kometen anscheinend zu einem großen Teil von einer zwar porösen, aber trotzdem thermisch gut isolierenden Schicht bedeckt ist, welche – wenn überhaupt – kaum Wassereis enthält.

Bisher konnten zum Beispiel keine direkt auf der Oberfläche befindlichen Ablagerungen von Wassereis entdeckt werden, welche über Durchmesser von mehr als 20 Metern verfügen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass der Komet 67P zumindestens in den obersten Schichten seines Kern bereits stark ‚dehydriert‘ ist und dass das Wasser, welches er im Rahmen seiner kometaren Aktivität freigibt, aus tieferen Schichten stammt.

Dafür haben die Wissenschaftler jedoch zahlreiche Hinweise darauf gefunden, dass sich direkt auf der Oberfläche ein weites Spektrum an kohlenstoffhaltigen Verbindungen befindet. Bei einige dieser Verbindungen, so die vorläufige Auswertung der bisherigen Spektraldaten, könnte es sich um komplexe Moleküle handeln, welche von den Wissenschaftlern bisher speziell mit einer bestimmten Klasse von Meteoriten – den so genannten kohligen Chondriten – in Verbindung gebracht wurden.

Der Komet 67P, so die Zusammenfassung der Mitarbeiter des VIRTIS-Experiments, präsentiert sich als eine sehr dunkle, staubige und trockene Welt, welche auf ihrer Oberfläche allerdings über eine komplexe und äußerst interessante chemische Zusammensetzung verfügt.

Die hier nur kurz angerissenen Forschungsergebnisse wurden bereits am vergangenen Montag auf dem European Planetary Science Congress, einer gegenwärtig in der Nähe von Lissabon stattfindenden Fachtagung der Planetenforscher, vorgestellt.

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