Rosettas Komet: Ein erster Blick auf die Oberfläche

Nach dem erfolgreichen Abschluss ihres achten Kurskorrekturmanövers befindet sich die Raumsonde Rosetta mittlerweile in einer Entfernung von weniger als 3.500 Kilometern zu dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko. Fotoaufnahmen vom 20. Juli 2014 zeigen dessen unregelmäßig geformten Kern und geben erstmals Aufschluss über dessen Oberfläche.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, ESA.

ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA
Diese drei Ansichten des Kometen wurden am 20. Juli 2014 aus einer Entfernung von 5.500 Kilometern aufgenommen. Die Aufnahmezeitpunkte liegen jeweils zwei Stunden auseinander.
(Bild: ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA)

Auf ihrem Weg zu dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko (der Einfachheit halber ab hier abgekürzt „67P“) hat die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Rosetta am 23. Juli 2014 ein weiteres Kurskorrekturmanöver (engl. „Orbit Correction Manoeuvre“, kurz „OCM“) durchgeführt. Durch eine 16 Minuten und 27 Sekunden andauernde Zündung der hierbei eingesetzten Triebwerke wurde eine weitere Geschwindigkeitsreduzierung von 4,82 Metern pro Sekunde relativ zu 67P erreicht. Derzeit nähert sich die Raumsonde Rosetta ‚ihrem‘ Kometen mit einer relativen Geschwindigkeit von nur noch 3,5 Metern pro Sekunde an. Die Distanz zwischen der Raumsonde und dem Kometen beträgt dabei mittlerweile weniger als 3.500 Kilometer.

Das nächste Korrekturmanöver, das OCM-9, ist für den 3. August 2014 vorgesehen und soll eine weitere Geschwindigkeitsreduzierung von etwa drei Metern zur Folge haben. Am 6. August wird Rosetta dann im Rahmen eines finalen Manövers in eine Umlaufbahn um den Kometen eintreten, welche zunächst in einer Höhe von rund 100 Kilometern über dessen Oberfläche verlaufen wird. In den folgenden Wochen und Monaten – so der gegenwärtige Plan – soll die Höhe der Umlaufbahn dann schrittweise noch weiter abgesenkt werden, bis Rosetta ihren Zielkometen schließlich in einer Höhe von nur noch rund zehn Kilometern umkreist und diesen dabei auf dessen weiteren Weg in das innere Sonnensystem ‚begleitet‘.

Vor der Bestimmung einer optimalen Umlaufbahn müssen jedoch noch verschiedene bisher unbekannte Faktoren ermittelt werden. Zum Beispiel stehen den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern zur Zeit keine beziehungsweise nur unzureichende Daten über die Masse des Kometen oder über dessen Gravitatiosnsfeld zur Verfügung. Auch die in den kommenden Monaten wahrscheinlich deutlich zunehmende Aktivität des Kometen muss hierbei berücksichtigt und einkalkuliert werden.

ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA
Dieses dreidimensionale Modell des Kerns von 67P wurde aus den OSIRIS-Aufnahmen vom 14. Juli 2014 berechnet. Hier ist eine vollständige Umdrehung des Körpers um seine Achse zu sehen. Das Modell bestätigt die zweigeteilte Struktur des Kerns. Eine höher aufgelöste Version finden Sie hier .
(Bild: ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA)

Weitere Aufnahmen von dem Kometen
Hierbei werden sich die Kometenforscher auf die Daten der 21 mitgeführten Instrumente – elf davon befinden sich direkt auf Rosetta, weitere zehnauf dem im November 2014 zum Einsatz kommenden Kometenlander Philae – stützen. Eines dieser Instrumente, die vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen entwickelte und betriebene OSIRIS-Kamera – die Hauptkamera an Bord von Rosetta – liefert dabei bereits seit mehreren Wochen wertvolle Dienste.

Anfangs konnte die OSIRIS-Kamera den rotierenden Kometenkern lediglich in geringer Auflösung wiedergeben. Am 11. Juli angefertigte Aufnahmen legten erstmals die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Kern von 67P um einen so genannten „contact binary“ handeln könnte – ein Objekt, bei dem zwei Einzelkörper durch gravitative Kräfte mehr oder weniger stabil aneinander gebunden sind.

Auf den am heutigen Tag von der ESA veröffentlichte Aufnahmen lassen sich jetzt auch erstmals Details von der Oberfläche des Kerns erahnen. Die entsprechenden Bilder wurden von der OSIRIS-Kamera am 20. Juli aus einer Entfernung von rund 5.500 Kilometern zu dem Kometen aufgenommen. Die Auflösung der Aufnahmen beträgt 100 Meter pro Pixel.

Wie bereits die zuvor veröffentlichten Aufnahmen gezeigt haben, scheint der Kern von 67P aus zwei Teilen zu bestehen: einem kleineren ‚Kopf‘, welcher mit einem größeren ‚Körper‘ verbunden ist. Speziell der Verbindungsbereich zwischen diesen beiden Komponenten, der ‚Hals‘, hat das Interesse der Forscher geweckt, da er auf den aktuellen Aufnahmen deutlich heller erscheint als der Rest von 67P.

„Momentan können wir mit Sicherheit lediglich sagen, dass der Halsbereich heller aussieht als der Kopf und der Körper des Kometenkerns“, so Dr. Holger Sierks vom MPS, der wissenschaftliche Leiter des OSIRIS-Teams. Hierfür könnten verschiedenen Faktoren wie zum Beispiel Unterschiede in der Zusammensetzung, unterschiedliche Korngrößen der dort auf der Oberfläche abgelagerten Partikel oder auch topographische Einflüsse verantwortlich sein.

ESA, Rosetta, NavCam
Diese Aufnahme des Kometen 67P fertigte die Navigationskamera von Rosetta am 23. Juli 2014 an.
(Bild: ESA, Rosetta, NavCam)

Vergleich mit dem Kometen 103P/Hartley
Auch wenn die aktuellen Bilder noch nicht hochaufgelöst sind, so erinnern sie die an der Auswertung beteiligten Wissenschaftler doch an den Kometen 103P/Hartley, welcher im November 2010 von der NASA-Mission EPOXI im Rahmen eines Vorbeifluges untersucht wurde (Raumfahrer.net berichtete). Während die beiden Enden dieses in die Länge gestreckten Kometenkerns eine raue Oberfläche aufweisen, erscheint dessen mittlerer Bereich ‚glatter‘. Im Bereich dieser ‚Taille‘ befindet sich auch der Masseschwerpunkt des Kometen 103P/Hartley. Die Wissenschaftler gehen deshalb davon aus, dass sich hier Material abgelagert hat, welches zunächst im Rahmen des Ausgasungsprozesses emittiert wurde, dann aber den Einfluss des Schwerefeldes des Kometen nicht überwinden konnte und auf die Oberfläche zurückfiel.

Ob diese Überlegungen auch auf den ‚Halsbereich‘ von 67P zutreffen, ist derzeit allerdings noch unklar. Eine andere Erklärung für eine hohe Reflektivität in diesem Bereich könnte eine andere Oberflächenzusammensetzung sein. Das OSIRIS-Team hofft, in den nächsten Wochen spektrale Daten des Kamerasystems zu erhalten. Mit Hilfe verschiedener Filter kann die OSIRIS-Kamera verschiedene Wellenlängenbereiche aus dem reflektierten Licht herausfiltern. Auf diese Weise lassen sich charakteristische ‚Fingerabdrücke‘ bestimmter Materialien oder unterschiedliche chemische Zusammensetzungen identifizieren.

Zudem ist das OSIRIS-Team derzeit damit beschäftigt, aus den Daten der Kamera die dreidimensionale Form des Kometenkerns zu modellieren. Ein solches Modell – eine erste Version finden Sie weiter oben in diesem Bericht – kann den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern und den für den Flugbetrieb verantwortlichen Ingenieuren der ESA dabei helfen, einen besseren Eindruck von der Gesamtgestalt des Körpers zu gewinnen.

Aufnahmen der Navigationskamera von Rosetta
Während der vergangenen Wochen wurde die interessierte Öffentlichkeit nur sehr spärlich mit aktuellen Aufnahmen des Kometen versorgt. Aus diesem Grund wurde von dem Vorstand des Vereins Raumfahrer.net e.V. ein offener Brief an die für die Mission verantwortlichen Mitarbeiter verfasst, zu dem es auch diverse Reaktionen gab. Einen weiteren lesenswerten Beitrag zu dem Thema „Echtzeit-Bilder von Rosetta“ und deren Notwendigkeit finden Sie hier.

ESA, Rosetta, NavCam
Eine vergrößerte Version des weiter oben gezeigten Fotos der Navigationskamera wurde am heutigen Tag ebenfalls von der ESA veröffentlicht. Durch entsprechende Bildbearbeitungen lassen sich aus derartigen Roh-Aufnahmen weitere, zunächst verborgene Details herausarbeiten. Ein erstes Beispiel für eine derartige Arbeit finden Sie hier .
(Bild: ESA, Rosetta, NavCam)

Die nächste hochaufgelöste Aufnahme der OSIRIS-Kamera, so die ESA, soll erst am 31. Juli veröffentlicht werden.

In der Zwischenzeit beabsichtigt die ESA allerdings mittlerweile, während der weiteren Annäherungsphase an den Kometen auf einer täglichen Basis Aufnahmen der Navigationskamera von Rosetta zu veröffentlichen. Diese Kamera dient – wie der Name bereits sagt – in erster Linie der Navigation der Raumsonde und ist kein Bestandteil der wissenschaftlichen Nutzlast. Im Gegensatz zu der OSIRIS oder anderen rein wissenschaftlichen Instrumenten hat somit ausschließlich die ESA die Inhaberrechte an den Daten dieser Kamera. Aus diesem Grund können deren Aufnahmen auch bereits vor dem Ablauf der für die Instrumente vertraglich festgelegten Sperrfrist von sechs Monaten veröffentlicht werden.

Diese Navigationskamera verfügt zwar über eine deutlich niedrigere Auflösung als die Telekamera (NAC) des OSIRIS-Experiments, aber da sich Rosetta dem Kern des Kometen in den kommenden zwei Wochen immer weiter annähern wird, werden auch diese Aufnahmen immer mehr Details von 67P zeigen. Die Nachbearbeitung dieser im Roh-Format veröffentlichten Aufnahmen wird von der weltweiten Community der ‚Weltraum-Enthusiasten‘ bestimmt gerne und dankbar aufgegriffen. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden bestimmt dazu beitragen, um das Augenmerk der Öffentlichkeit auch weiterhin auf diese überaus spannende Weltraummission zu richten.

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