Rosetta sucht nach einem Signal vom Lander Philae

Seit dem 15. November 2014 befindet sich der drei Tage zuvor von der Raumsonde Rosetta auf der Oberfläche des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko abgesetzte Lander Philae in einen energiebedingten Schlafmodus. Am kommenden Donnerstag soll Rosetta jetzt erstmals versuchen, einen erneuten Kontakt zu dem Lander herzustellen. Sollte dies gelingen, so könnte die direkte Erkundung der Kometenoberfläche durch den Kometenlander fortgesetzt werden.

Erstellt von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR

Die Landeprozedur von Philae wurde mit der an Bord des Orbiters Rosetta befindlichen OSIRIS-Kamera dokumentiert. Dabei konnte diese Kamera den Lander mehrfach abbilden. Das Landegestell von Philae - so die Auswertung der entsprechenden Telemetriedaten - konnte bei dem ersten Aufsetzen zwar einen Teil der kinetischen Energie aufnehmen. Dennoch 'prallte' Philae von der Kometenoberfläche ab und stieg zunächst wieder mit einer Geschwindigkeit von 38 Zentimetern pro Sekunde von der Oberfläche des Kometen auf. Im Rahmen dieses 'Steigfluges' erreichte der Lander eine Höhe von eventuell bis zu einem Kilometer über der Oberfläche und legte dabei einer horizontale Distanz von bis zu einem Kilometer zurück, bevor nach 110 Minuten eine zweite 'Landung' erfolgte. Auch dieser Aufprall hatte ein erneutes Abheben von der Oberfläche zur Folge. Dieser nächste 'Freiflug' erfolgte mit einer Geschwindigkeit von etwa drei Zentimetern pro Sekunde und dauerte diesmal nur noch etwa sieben Minuten. Das Einzelfoto ganz rechts in dieser Aufnahme zeigt den Lander zum Beginn des ersten 'Weiterfluges'. Der exakte Ort, wo Philae dann endgültig zum Stehen gelangte, konnte bisher noch nicht ermittelt werden. Als sicher gilt jedoch, dass dieser sich ebenfalls auf dem 'Kopf' des Kometen befindet und in etwa in der Umgebung des ehemals ebenfalls als potentielle Landeregion ausgewählten Bereiches "B" liegen dürfte.
(Bild: ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA)
Die Landeprozedur von Philae wurde mit der
an Bord des Orbiters Rosetta befindlichen
OSIRIS-Kamera dokumentiert. Dabei konnte diese
Kamera den Lander mehrfach abbilden. Das
Landegestell von Philae – so die Auswertung
der entsprechenden Telemetriedaten – konnte bei
dem ersten Aufsetzen zwar einen Teil der
kinetischen Energie aufnehmen. Dennoch ‚prallte‘
Philae von der Kometenoberfläche ab und stieg
zunächst wieder mit einer Geschwindigkeit von
38 Zentimetern pro Sekunde von der Oberfläche
des Kometen auf. Im Rahmen dieses ‚Steigfluges
‚ erreichte der Lander eine Höhe von eventuell bis
zu einem Kilometer über der Oberfläche und
legte dabei einer horizontale Distanz von bis
zu einem Kilometer zurück, bevor nach
110 Minuten eine zweite ‚Landung‘ erfolgte.
Auch dieser Aufprall hatte ein erneutes Abheben
von der Oberfläche zur Folge. Dieser nächste
‚Freiflug‘ erfolgte mit einer Geschwindigkeit von etwa
drei Zentimetern pro Sekunde und dauerte diesmal
nur noch etwa sieben Minuten. Das Einzelfoto ganz
rechts in dieser Aufnahme zeigt den Lander zum
Beginn des ersten ‚Weiterfluges‘. Der exakte Ort, wo
Philae dann endgültig zum Stehen gelangte, konnte
bisher noch nicht ermittelt werden. Als sicher gilt
jedoch, dass dieser sich ebenfalls auf dem ‚Kopf‘
des Kometen befindet und in etwa in der Umgebung
des ehemals ebenfalls als potentielle Landeregion ausgewählten Bereiches “B“ liegen dürfte.
(Bild: ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS,
UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA)

Nach einem mehr als zehn Jahre andauernden Flug durch unser Sonnensystem erreichte die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Rosetta am 6. August 2014 das Ziel ihrer Reise – den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko (der Einfachheit halber ab hier als „67P“ abgekürzt). Seitdem ‚begleitet‘ Rosetta diesen Kometen auf seinem Weg in das innere Sonnensystem und untersucht dieses Relikt aus der Entstehungsphase unseres Sonnensystems intensiv mit elf wissenschaftlichen Instrumenten.

Bereits am 12. November 2014 wurde dabei ein weiterer Höhepunkt dieser überaus ambitionierten und erfolgreichen Mission zur Erforschung unseres Sonnensystems erreicht: Der von der Raumsonde Rosetta mitgeführte Kometenlander Philae wurde von Rosetta abgetrennt und erreichte um 16:35 MEZ die Oberfläche des Kometen 67P (Raumfahrer.net berichtete live aus den Raumsondenkontrollzentren in Darmstadt und Köln). Dort kam er schließlich nach einer dreifachen Landung an einem ungeplanten Standort zum Stehen, welcher aufgrund der dort gegebenen schlechten Beleuchtungsverhältnisse – die Sonne erreichte den Lander an diesem Standort pro ‚Kometentag‘ für lediglich etwa eine Stunde – keine Möglichkeit bot, seine Energiereserven in einem ausreichenden Umfang zu erneuern.

Trotzdem konnte der Lander – mit der Energie aus einer auf eine Einsatzdauer von etwa 60 Stunden ausgelegten Batterie versorgt – in den folgenden 56 Stunden eine Vielzahl an Messungen durchführen. Die dabei gesammelten Daten der zehn Instrumente des Landers wurden regelmäßig bei jedem sich öffnenden Kommunikationsfenster an die Erde übertragen, bevor die Energiereserven am 15. November so weit erschöpft waren, dass sich Philae um 01:36 MEZ in einen ‚Schlafmodus‘ versetzte.

Warten auf ein erneutes Lebenszeichen von Philae

Damit ist die Mission von Philae jedoch keineswegs zwingend beendet. Aufgrund der zunehmenden Annäherung des Kometen 67P an die Sonne verbessern sich im Bereich des jetzigen Standortes von Philae die dort gegebenen Beleuchtungs- und Temperaturbedingungen immer mehr. Hierdurch bedingt könnte in Zukunft wieder ausreichend Sonnenlicht zur Verfügung stehen, damit der Lander Philae aus seinem Winterschlaf erwacht und sich reaktiviert.

Philae erhält zurzeit ungefähr doppelt so viel Sonnenenergie wie im November vergangenen Jahres“, so der für den Betrieb des Kometenlanders zuständige Projektleiter Dr. Stephan Ulamec vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Immerhin ist der Komet derzeit ’nur‘ noch rund 300 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. „Wahrscheinlich wird es trotzdem noch zu kalt für den Lander sein, um aufzuwachen – aber ein Versuch ist es wert. Die Chancen steigen mit jedem Tag.“

Deshalb wird am kommenden Donnerstag, dem 12. März um 05:00 MEZ erstmals die Kommunikationseinheit des Rosetta-Orbiters aktiviert, um den Versuch einer Kontaktaufnahme mit dem Lander durchzuführen. Allerdings, so die Mitarbeiter der Mission, sollten die damit verknüpften Erwartungen nicht zu hoch angesetzt werden, denn es wäre schon sehr viel Glück im Spiel, wenn bereits direkt am 12. März wirklich ein Signal von dem Lander zu empfangen wäre. Eine deutlich realistischere Wahrscheinlichkeit ergibt sich dagegen erst in einigen Monaten.

Sowohl Temperatur- als auch Energiewerte sind entscheidend

Damit der Kometenlander Philae aus seinem Winterschlaf erwachen kann müssen nämlich zunächst zwei Grundvoraussetzungen erfüllt sein.

Zunächst muss im Inneren des Landers ein Temperaturwert erreicht werden, welcher oberhalb von minus 45 Grad Celsius liegt. Neben einer mehrschichtigen Thermalisolierung (engl. „Multi Layer Insulation“) ist Philae zu diesem Zweck mit einem elektrischen Heizsystem ausgerüstet, welches seit dem Übertritt in den derzeitigen Schlafmodus den Großteil der zur Verfügung stehenden Energiereserven beanspruchte.

Diese Aufnahme wurde von der OSIRIS-Kamera am 13. Dezember 2014 angefertigt. Die eingezeichnete Ellipse markiert das wahrscheinliche Landegebiet von Philae, dessen exakter Standort immer noch nicht ermittelt werden konnte. Der Orbiter befand sich dabei einer Entfernung von 20 Kilometern über dem finalen Landegebiet von Philae. Der Lander würde aus dieser Entfernung lediglich etwa drei Pixel breit erscheinen.
(Bild: ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA)
Diese Aufnahme wurde von der OSIRIS-Kamera
am 13. Dezember 2014 angefertigt. Die
eingezeichnete Ellipse markiert das wahrscheinliche
Landegebiet von Philae, dessen exakter Standort
immer noch nicht ermittelt werden konnte.
Der Orbiter befand sich dabei einer Entfernung
von 20 Kilometern über dem finalen Landegebiet
von Philae. Der Lander würde aus dieser
Entfernung lediglich etwa drei Pixel breit erscheinen.
(Bild: ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS,
UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA)

Philae ist so konstruiert, dass er seit dem November 2014 jedes bisschen Sonnenenergie dafür nutzt, sich aufzuheizen“, so Dr. Koen Geurts vom DLR.

Zusätzlich zu diesem zwingend erforderlichen Temperaturwert muss der Lander über seine für die Energiegewinnung zuständigen Solarzellen mit mindestens 5,5 Watt Energie versorgt werden, damit er aufwachen kann. Sobald der Lander feststellt, dass er mit mehr als diesen 5,5 Watt Energie versorgt wird und seine Innentemperatur über den besagten minus 45 Grad Celsius liegt, beendet Philae den derzeitigen Schlafmodus automatisch, heizt sich weiter auf und versucht zudem zusätzlich, seine Batterie zu laden. Bisher fiel die Sonneneinstrahlung an dem mit dem Namen „Abydos“ belegten finalen Landeplatz zu gering aus, um diesen erforderlichen Mindestwerte zu überschreiten.

Einmal aufgewacht, schaltet Philae alle 30 Minuten den Empfänger seines Kommunikationssystems ein und versucht dabei ein Signal von dem Kometenorbiter Rosetta zu empfangen. Diese Aktivierung des Kommunikationssystems kann der Lander bereits bei einem noch sehr niedrigen Energiestand durchführen.

„Zu diesem Zeitpunkt wissen wir aber noch nicht, dass er wach ist“, erläutert Koen Geurts diese zunächst nur passiv erfolgende Prozedur der Kontaktaufnahme. „Um uns eine Antwort zu schicken, muss Philae nämlich auch seinen Sender einschalten – und dafür benötigt er zusätzliche Energie.“ Es könnte also durchaus der Fall eintreten, dass der Lander zwar in 500 Millionen Kilometern Entfernung zu Erde bereits aus seinem Winterschlaf aufgewacht ist, seine Energiereserven aber noch nicht ausreichen, um sein Kontrollteam auf der Erde darüber in Kenntnis zu setzen. Insgesamt benötigt der Lander 19 Watt, damit er in Betrieb gehen und zudem eine aktive Kommunikation aufnehmen kann.

Derzeit ist geplant, dass Rosetta zunächst bis zum 20. März versuchen wird, einen Kontakt mit Philae herzustellen. Diese Versuche einer Kontaktaufnahme werden dabei zu Zeitpunkten erfolgen, an denen sich Rosetta mehr oder weniger direkt über dem vermuteten Standort des Landers befindet. Zum gleichen Zeitpunkt muss die Kometenoberfläche dabei zudem von der Sonne beleuchtet werden. Denn nur dann ’steht‘ Philae direkt im Sonnenlicht und wird über seine Solarpaneele direkt mit Energie versorgt.

„Sollten wir bis zum 20. März keinen Kontakt zu Philae aufbauen können, werden wir dies bei der nächsten Gelegenheit wiederholen“, so Dr. Stephan Ulamec. Die jetzt beginnenden Versuche einer Kontaktaufnahme gehen allerdings von einem optimistisch veranschlagten Szenario aus. Wahrscheinlicher ist dagegen, dass der Lander erst in den kommenden Monaten über genügend Energie verfügen wird, um auf eine ‚Anfrage‘ des Orbiters zu reagieren.

Diese Aufnahme fertigte die an Bord des Kometenlanders befindliche CIVA-Kamera am 12. November 2014 an. Im Bildvordergrund ist einer der drei Landefüße des Landers erkennbar.
(Bild: ESA, Rosetta, Philae, CIVA)
Diese Aufnahme fertigte die an Bord des
Kometenlanders befindliche CIVA-Kamera am
12. November 2014 an. Im Bildvordergrund ist
einer der drei Landefüße des Landers erkennbar.
(Bild: ESA, Rosetta, Philae, CIVA)

Blind Commanding

Bisher konnte der exakte Ort, an dem Philae letztendlich auf der Oberfläche von 67P zum stehen kam, trotz aller Bemühungen noch nicht identifiziert werden. Aus diesem Grund arbeitet das Philae-Operations-Team des DLR derzeit mit den Informationen, welche ihnen die Aufnahmen der CIVA- und der ROLIS-Kamera des Landers sowie die Erfahrungswerte bezüglich der Solarenergie aus dem November 2014 bieten.

„Wir gehen aber davon aus, dass die Solarpaneele von Philae durch etwas abgeschattet werden, was wir auf den bisherigen Bildern nicht sehen können“, so Dr. Koen Geurts.

Als erstes sollen deshalb immer wieder neue Kommandos an den Lander gesendet werden, welche das Heizen optimieren und den so eingesparten Energieaufwand für die Kommunikation zur Erde zur Verfügung stellen sollen. Selbst wenn Philae noch nicht genügend Energie zur Verfügung hat, um auf die Kontaktrufe des Orbiter zu antworten, könnte der Lander diese Kommandos empfangen und in die Praxis umsetzen.

Diese Prozedur wird auch als „Blindes Kommandieren“ bezeichnet und wurde zuvor an einem Bodenmodell des Landers, welches sich an dem für den Betrieb von Philae zuständigen Kontrollzentrum – dem DLR-Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC) in Köln – befindet, ausführlich getestet. Aber auch für den Fall, dass die aufladbare Batterie von Philae die jetzt bereits mehrere Monate andauernde Kältephase nicht unbeschadet überstanden hat, wappnen sich die an der Mission beteiligten Ingenieure und Wissenschaftler.

„Wir arbeiten gerade daran, dass wir mit dem Lander und den Instrumenten dann zumindest während der Kometentage und somit bei direkter Sonnenbestrahlung arbeiten können“, so Dr. Koen Geurts weiter.

Telemetriedaten diktieren die weitere Vorgehensweise

Erst wenn Philae nicht nur aufwacht, sondern auch aktiv senden kann, wird der Kometenlander aktuelle Telemetriedaten zur Erde übermitteln, welche den beteiligten Ingenieuren einen Überblick über den gegenwärtigen ‚Gesundheitszustand‘ des Landers bieten werden.

Insgesamt ist der Kometenlander Philae mit zehn wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet.
(Bild: ESA, ATG medialab)
Insgesamt ist der Kometenlander Philae mit
zehn wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet.
(Bild: ESA, ATG medialab)

„Diese Daten werden wir dann auswerten: Wie geht es der aufladbaren Batterie? Funktioniert noch alles am Lander? Welche Temperatur herrscht? Wieviel Energie erhält er?“, so Koen Geurts.

Abhängig von diesen Ergebnissen sind auch die weiteren wissenschaftliche Arbeiten, welche dann von Philae noch ausgeführt werden können. Kann die Batterie keine oder nur wenig Energie speichern, so bestimmt die während eines Kometentages zu gewinnende Sonnenenergie, ob man eventuell eine ‚abgespeckte‘ Version an Messungen durchführen kann. Zurzeit gehen die Wissenschaftler davon aus, dass Philae gegenwärtig während eines Kometentages etwa 1,3 Stunden lang direkt von der Sonne beleuchtet und somit auch mit Energie versorgt wird. Lädt die Batterie hingegen über einen längeren Zeitraum pro Kometentag – insgesamt dauert ein kompletter Tag-/Nachtzyklus auf 67P 12,4 Stunden – auf, dann könnte auch während der ‚Kometennacht‘ gearbeitet werden. In einem solchen Fall könnten beispielsweise auch Langzeitmessungen durchgeführt werden.

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