Die Raumsonde Rosetta konnte am vergangenen Wochenende zwei Mal einen kurzen Kontakt mit dem Kometenlander Philae herstellen. Um die Wahrscheinlichkeit eines dauerhaften und stabilen Kontaktes zu optimieren soll jetzt die Flugbahn von Rosetta um den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko entsprechend angepasst werden.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, DLR, MPS.
Bereits am 12. November 2014 erreichte der von der Kometensonde Rosetta mitgeführte Lander Philae nach einer unerwartet ‚holprig‘ verlaufenden Landung die Oberfläche des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko (der Einfachheit halber ab hier als „67P“ abgekürzt), wo er in den folgenden Tagen mit acht von seinen zehn wissenschaftlichen Instrumenten erfolgreich eine Vielzahl an Messungen durchführte. Am 15. November waren jedoch die Energievorräte des Landers so weit aufgebraucht, dass dieser sich um 01:36 MEZ in einen ‚Schlafmodus‘ versetzte. Seitdem war es den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern und Ingenieuren trotz mehrerer entsprechender Kampagnen (Raumfahrer.net berichtete über die damit verbundene Vorgehensweise) nicht möglich, einen erneuten Kontakt mit Philae zu etablieren.
Am 13. Juni 2015 konnte der für die Kommunikation mit Philae zwingend benötigte ‚Kometenorbiter‘ Rosetta jedoch zur Freude der an der Mission beteiligten Forscher nach einer Wartezeit von fast sieben Monaten erstmals wieder in Form einer zwar schwachen, aber stabilen Radiotransmission ein Lebenszeichen von seiner Tochtersonde registrieren (Raumfahrer.net berichtete). Im Rahmen dieser kurzen, lediglich 85 Sekunden andauernden Kommunikation war es dem Lander möglich, mehr als 300 Datenpakete mit einer Gesamtdatenmenge von 663 kbits via Rosetta an sein Kontrollzentrum auf der Erde zu übermitteln. Diese Daten, bei denen es sich um kürzlich durch den Lander aufgezeichnete Telemetriewerte handelte, zeigten, dass sich Philae offenbar in einem unerwartet guten Allgemeinzustand befindet. Im Inneren des Landers herrschte demzufolge eine Temperatur von minus 35 Grad Celsius, was absolut innerhalb der Vorgaben für diese Mission liegt. Zudem verfügte der Lander zu diesem Zeitpunkt über eine Energieleistung von 24 Watt.
Ein zweiter Kontakt am 14. Juni 2015
Des weiteren wurde im Rahmen dieser Datentransmission bekannt, dass sich im Speicher des Landers noch weitere rund 8.000 Datenpakete mit einer Gesamtdatenmenge von etwa zwei MB befinden, welche ebenfalls Aufschluss über den Status während der vergangenen Tage und eventuell Wochen liefern können, denn Philae war offenbar bereits seit längerem ‚wach‘, konnte dabei aber keinen Kontakt zu Rosetta herstellen. Für den Empfang dieser zusätzlichen Daten muss jedoch zunächst ein erneuter Kontakt zwischen Rosetta und Philae hergestellt werden. Die besten Chancen hierfür ergeben sich dann, wenn der Orbiter den vermuteten Standort des Landers mehr oder weniger direkt und zudem in einer möglichst geringen Entfernung überfliegt. Leider ist dies aufgrund der gegenwärtigen Flugbahn von Rosetta allerdings nicht der Fall. Trotz der schlechten Bedingungen konnte jedoch bereits am 14. Juni ein erneuter Kontakt mit dem Lander hergestellt werden. Diese zweite Verbindung war jedoch relativ instabil und dauerte nur wenige Sekunden an, weshalb im Verlauf dieser zweiten Datentransmission auch deutlich weniger Datenpakete die Erde erreichten.
Die bisherige Auswertung der im Rahmen dieser beiden Transmissionen empfangenen Daten zeigt jedoch, dass offenbar alle Systeme von Philae voll funktionsfähig sind. Erstaunlich positive Resultate ergeben sich zudem für den derzeitigen Temperatur- und Energiestatus des für seine Energieversorgung ausschließlich auf das Licht der Sonne angewiesenen Landers. Bisher gingen die an der Mission beteiligten Mitarbeiter davon aus, dass Philae an seinem derzeitigen Standort pro Kometentag – dieser dauert etwa 12,4 Stunden an – lediglich für einen Zeitraum von etwa 80 Minuten von dem Sonnenlicht erreicht wird. Die Auswertung der Daten zeigt jedoch, dass Philae stattdessen gegenwärtig pro Kometentag für fast drei Stunden Sonnenlicht empfängt. Zu Beginn dieses ‚Kometentages‘ erreicht Philae während der Zeit des Sonnenaufgangs eine Leistung von anfangs etwa 13 Watt. Dieser Wert steigert sich in den folgenden Stunden derzeit auf einen Wert von etwas mehr als 24 Watt. Des weiteren stellte sich zudem heraus, dass auch die Temperatur im Inneren des Landers zumindestens zeitweise offenbar deutlich höher ausfällt als die anfangs erwähnten minus 35 Grad Celsius. Im Rahmen der letzten Datenübertragung wurden ‚Spitzenwerte‘ von lediglich nur noch minus fünf Grad Celsius registriert.
„Derzeit werten wir immer noch die bisher empfangenen ‚Housekeeping‘-Daten des Landers aus. Aber wir können bereits jetzt sagen, dass alle Subsysteme auch nach mehr als einem halben Jahr auf der eisigen Oberfläche des Kometen nominell arbeiten und keine Anzeichen einer erkennbaren Degradation zeigen“, so der für den Betrieb des Kometenlanders zuständige Projektleiter Dr. Stephan Ulamec vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Eine neue Flugbahn für Rosetta
Um weitere Daten von Philae zu empfangen muss jedoch zuerst eine stabile Funkverbindung zwischen Philae und Rosetta etabliert werden. Hierfür soll der Kometenorbiter jetzt auf eine neue, näher an der Kometenoberfläche und ‚direkter‘ über dem Standort von Philae verlaufende Flugbahn dirigiert werden.
Prinzipiell bestehen derzeit pro Kometentag ein Kommunikationsfenster zwischen den beiden Raumsonden. Während des ersten Kontaktes am 13. Juni überflog Rosetta die Kometenoberfläche in einer Entfernung von etwa 200 Kilometern. Während des zweiten, allerdings schlechteren Kontaktes etwa 24 Stunden später lag dieser Wert dagegen bei einem veränderten Überflugwinkel bei etwa 206 Kilometern. Während der möglichen Kommunikationsfenster in den folgenden Tagen befand sich Rosetta in Entfernungen von 220 bis zu 235 Kilometern zu der Oberfläche von 67P und konnte – vermutlich auch durch einen nochmals schlechter ausfallenden Winkel zwischen dem Standort des Landers und dem Orbiter – keine weiteren Signale von Philae empfangen.
Bereits am 15. Juni wurde von den für den Betrieb von Rosetta verantwortlichen Wissenschaftlern der ESA, des DLR und der französischen Raumfahrtagentur CNES in Übereinstimmung mit den für die Überwachung des Kometenorbiters verantwortlichen Missionsanalytikern und Flugdynamik-Ingenieuren am Raumflugkontrollzentum der ESA beschlossen, den Kometenorbiter auf eine neue Flugbahn zu dirigieren, welche die Möglichkeiten einer Kommunikation zwischen Philae und Rosetta optimieren sollte. Diese neu einzunehmende Flugbahn wird in einer Höhe von nur noch etwa 180 Kilometern über der Oberfläche von 67P verlaufen und soll dabei etwas ‚direkter‘ als bisher über den Standort des Landers führen.
Die entsprechenden Kommandos wurden ebenfalls bereits am 15. Juni an Rosetta übermittelt. Die damit durchzuführende Veränderung der Flugbahn wird in zwei Schritten erfolgen, wobei das erste Kurskorrekturmanöver bereits am gestrigen Mittwoch erfolgte. Ein zweites, abschließendes Korrekturmanöver ist für den Vormittag des 20. Juni vorgesehen. Sollte durch diese neue Flugbahn wirklich ein besserer und zudem stabiler Kontakt zu Philae ermöglicht werden, so könnte der Lander bereits in Kürze auch wieder wissenschaftlich aktiv werden, denn es ist ein vorhersagbarer und kontinuierlicher Kontakt nötig, um dem Lander Anweisungen für die erneute Aktivierung der Messinstrumente und die durchzuführenden Analysen zu übermitteln. Die exakten Planungen hierfür hängen in erster Linie von dem aktuellen technischen Zustand von Philae ab.
Ein möglicher erneuter wissenschaftlicher Betrieb
„Wir sind zuversichtlich, schon bald wieder wissenschaftliche Messungen durchführen zu können“, so Dr. Hermann Böhnhardt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen, der wissenschaftliche Leiter der Philae-Mission, denn in den vergangenen Monaten hatten die verschiedenen Instrumenten-Teams bereits vorsorglich diverse Strategien entwickelt, wie sich die Analysegeräte von Philae im Notfall auch mit wenig Energie betreiben lassen und trotzdem verwertbare Resultate liefern könnten. Für die praktische Umsetzung dieser Ideen wären auch die zuletzt registrierten 24 Watt Leistung ausreichend. „Zudem besteht durchaus die Aussicht, dass uns in den nächsten Wochen noch mehr Energie zur Verfügung stehen könnte“, so Dr. Hermann Böhnhardt weiter.
Sollte Philae in Zukunft wirklich erneut Daten liefern können, so wäre dies ein absoluter und im Vorfeld der Mission nicht vorhersehbarer Glücksfall für die beteiligten Wissenschaftler. Wäre der Lander an seinem ursprünglich vorgesehenen Landeort zum Stehen gekommen, so wäre dessen Mission wohl bereits spätestens im März 2015 beendet gewesen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wären an diesem Standort aufgrund der dann fast den gesamten Kometentag andauernden direkten Sonneneinstrahlung Temperaturen erreicht worden, welche zu einer ‚Überhitzung‘ der internen Systeme und dadurch bedingt zu einem Ausfall des Landers geführt hätten.
Stattdessen könnte sich jetzt für die Wissenschaftler eventuell die Gelegenheit ergeben, erstmals Daten direkt von der Oberfläche eines Kometen zu gewinnen, welcher sich auf seiner Umlaufbahn um die Sonne dem Perihel nähert. Erst am 13. August 2015 wird der Komet 67P in einer Entfernung von etwa 186 Millionen Kilometern zur Sonne seinen Punkt der dichtesten Annäherung an das Zentralgestirn unseres Sonnensystems durchlaufen.
Welche Instrumente des Landers dabei zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang aktiviert werden sollen oder überhaupt in Betrieb genommen werden können muss sich jedoch erst noch durch die Analyse weiterer Telemetriedaten sowie durch die Bestimmung der exakten Position und Ausrichtung des Landers auf der Oberfläche von 67P herausstellen. Auf jeden Fall bleibt es somit auch in den kommenden Tagen und Wochen weiterhin spannend bei der fortdauernden Untersuchung des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko. Dies ergibt sich dabei bereits alleine durch die Tatsache, dass auch die an den elf wissenschaftlichen Instrumenten von Rosetta beteiligten Wissenschaftler ihre Planungen aufgrund der neuen Flugbahn des Orbiters komplett umgestalten mussten.
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