Rockot und Strela sind zwei Trägerraketen, die auf Basis der Interkontinentalrakete UR-100N entwickelt wurden. Sie sind seit 1990 im Einsatz
Autor: Stefan Heykes.
Nach dem Ende des Kalten Krieges hat Russland nach Möglichkeiten gesucht, überflüssig gewordene Interkontinentalraketen sinnvoll zu verwenden. Vor allem die beiden größten modernen Modelle R-36M (als Dnepr) und die UR-100N (als Rockot und Strela) sollten zu Trägerraketen umgerüstet werden. Die UR-100N wurde in unveränderter Form für den Einsatz als Strela übernommen, als Rockot erhielt sie aber eine zusätzliche Oberstufe, die Bris-K beziehungsweise deren Weiterentwicklung Bris-KM.
Die UR-100N wurde in den 70ern entwickelt. Der erste Teststart erfolgte am 09.04.1973, in den regulären Einsatz ging dieses Modell 1975. Vier Jahre später folgte die Modernisierung zur UR-100N UTTH, die eine etwas höhere Reichweite und Treffsicherheit besitzt. Die russischen Streitkräfte bezeichnen die UR-100N als RS-18, der GRAU-Index lautet 15A30 beziehungsweise 15A35 für die UR-100N UTTH. Von der NATO wird diese Rakete als SS-19 Stiletto geführt.
Die UR-100N ist etwa doppelt so schwer wie der Vorgänger UR-100/SS-11 Sego. Das Startgewicht beträgt je nach Ausstattung 103 bis 106 Tonnen. Die Rakete wird im Einsatz von Silos aus gestartet. Sie hat einen Durchmesser von 2,5 Metern und eine Länge von 24 Metern. Für Teststarts und Einsätze als Trägerrakete existieren allerdings auch klassische Startrampen. Bewaffnet ist die UR-100N mit sechs Sprengköpfen zu je 550kT oder einem Sprengkopf mit 2,5MT. In beiden Fällen ergibt sich eine Wurfmasse von 4.450kg, die über eine Entfernung von bis zu 10.000km verschossen werden kann.
Die UR-100N besteht aus zwei Stufen sowie einem MIRV-Bus. Dieser Bus dient lediglich dazu, die Sprengköpfe zu verschiedenen Zielen zu lenken und somit auf leicht unterschiedlichen Bahnen auszusetzen. Es handelt sich daher nicht um eine echte Raketenstufe, die einen Beitrag zur Antriebsleistung bringt. Alle Stufen verwenden die Flüssigtreibstoffe Unsymmetrisches Dimethylhydrazin (UDMH) und Distickstofftetroxid (NTO). Die erste Stufe verwendet drei Triebwerke RD-0233 und ein Triebwerk RD-0234, das die Treibstoffpumpe für alle vier Triebwerke trägt. Die Triebwerke der ersten Stufe sind schwenkbar, um die Rakete steuern zu können. Diese Stufe hat eine Länge von 17,2m
Die zweite Stufe verwendet hingegen ein starr eingebautes Haupttriebwerk RD-0235 mit einer Brennkammer sowie ein Vierkammer-Verniertrieb RD-0236 mit vier Brennkammern zur Steuerung. Diese Stufe ist nur 2,8m lang. Bei der UR-100N und der Strela folgt darauf der kleine MIRV-Bus, der in der Rockot allerdings durch die Oberstufe Bris-K/KM ersetzt wurde. Die Bris-K wurde nur in den ersten drei Starts eingesetzt, seit 2000 wird die modernisierte Bris-KM eingesetzt. Sie verwendet wie der Rest der Rakete die Treibstoffe UDMH/NTO, die im 20kN starken Triebwerk S5.98 verbrannt werden. Die Bris-KM besitzt eine Vollmasse von 6,5 Tonnen und eine Leermasse von 1,6 Tonnen. Sie bildet auch die Basis der Bris-M Oberstufe der Proton und Angara. Die Bris-M hat einen zusätzlichen Abwurftank, eine andere Steuerung und ein für längere Brenndauern optimiertes Triebwerk S5.98M. Beide Trägerraketen können 2 Tonnen in einen niedrigen Erdorbit transportieren, allerdings hat die Rockot durch ihre Oberstufe Vorteile, je höher der geplante Orbit ist (übrigens auch gegenüber der doppelt so starken Dnepr, die ebenfalls ihren MIRV-Bus behält)
Kommerziell wird die Strela vom früheren Entwickler NPO Masch vermarktet. Da es sich um eine kaum modifizierte Interkontinentalrakete handelt ist sie günstiger als die Rockot, allerdings unterliegt sie als rein russische Rakete Ausfuhrbestimmungen, so dass sie zum Beispiel keine US-Satelliten starten darf. Sie spielt daher keine Rolle auf dem Trägermarkt. Die Rockot hingegen wird vom Hersteller GKNPZ Khrunitschew und dem europäischen Konzern EADS Astrium über das Gemeinschaftsunternehmen Eurockot mit Sitz in Bremen vermarktet. Dadurch konnte sich die Rockot einen festen Platz im Segment der kleinen Trägerraketen erarbeiten. Dies ist auch ein Grund dafür, dass Deutschland sich nicht an der Entwicklung der europäischen Konkurrenzrakete Vega beteiligt.
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