Raumsonde DAWN verlässt Vesta

Etwa 13 Monate nach ihrer Ankunft am Asteroiden (4) Vesta bereitet sich die von der amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Raumsonde DAWN auf ihren Abflug vor. Die Sonde wird am kommenden Mittwoch die Umlaufbahn um den Asteroiden verlassen und ihren Weiterflug zu dem Zwergplaneten Ceres antreten.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR, MPS, JPL, Science. Vertont von Peter Rittinger.

NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA
Der Marcia-Krater ist ein 58 Kilometer durchmessender Impaktkrater in der Nähe des Äquators von Vesta. Die Topographie des Kraters ist etwas ungewöhnlich und verfügt nicht über die typische Schüsselform wie beispielsweise bei einem Mondkrater. Die Ursache hierfür liegt vermutlich in Massenbewegungen im Innern des Kraters. Vom rechten Kraterrand ist Material in das Innere des Kraters gerutscht und hat dabei einen flacheren Abhang erzeugt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

Die Raumsonde DAWN startete am 27. September 2007 und schwenkte am 16. Juli 2011 in eine Umlaufbahn um den Asteroiden (4) Vesta ein. In den folgenden Monaten wurde dieser drittgrößte Körper im Haupt-Asteroidengürtel des Sonnensystems mit drei wissenschaftlichen Instrumenten, darunter ein unter der Leitung von Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau entwickeltes und gebautes Kamerasystem, intensiv erforscht. „Die Erwartungen an die Mission wurden mehr als erfüllt“, so eine erste Bilanz von Prof. Dr. Ralf Jaumann vom Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Im Rahmen der bisherigen Mission fertigte die „Framing Camera“ aus Überflughöhen von teilweise lediglich 175 Kilometern mehr als 28.000 Bilder des Asteroiden an und enthüllte dabei beispiellose Details von dessen Oberfläche. Diese Aufnahmen ermöglichten den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern einmalige Einblicke in die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte von Vesta.

„Wir wissen zum Beispiel, dass Vesta ein sogenannter differenzierter Körper ist, also wie ein Planet in drei Schichten – Kern, Mantel und Kruste – aufgebaut ist“, so Prof. Dr. Jaumann. Vesta ist somit der kleinste bekannte Himmelskörper, für den dieser innere Schichtaufbau bisher nachgewiesen werden konnte. Außerdem haben die spektralen Signaturen des Asteroiden die bereits vorher bestehende Vermutung bestätigt, dass eine bestimmte Sorte von auf der Erde entdeckten Meteoriten, die sogenannten HED-Meteoriten, ursprünglich von Vesta stammt.

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Die perspektivische, in Falschfarben dargestellte Topographie des Südpols von Vesta zeigt in blauen Farbtönen Teile des etwa 500 Kilometer durchmessenden Rheasilvia-Impaktbeckens sowie ein in dessen Zentrum gelegenes, über 20 Kilometer hohes Bergmassiv in grünen, gelben und roten Tönen.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

Zudem zeichnet sich Vesta durch eine einzigartige Topographie aus. Während sich die nördliche Hemisphäre des Asteroiden auf den angefertigten Aufnahmen als geradezu übersät mit Kratern zeigt, treten diese Impaktkrater auf der südlichen Hemisphäre deutlich seltener auf. Auch für dieses Phänomen einer Dichotomie – einer Zweiteilung der Oberfläche – konnte mittlerweile eine Erklärung gefunden werden. Durch die Auswertung der gesammelten Daten zeigte sich, dass die Südpolregion des Asteroiden in der Vergangenheit gleich zwei Mal von gewaltigen Impakten erschüttert wurde. Diese Impakte ereigneten sich laut den Analysen der Planetenforscher vor 2,1 beziehungsweise vor einer Milliarde Jahren.

Diese beiden Impakte hatte zur Folge, dass in der Region des Südpols zwei riesige, sich überlagernde Becken mit jeweils mehreren hundert Kilometern Durchmesser entstanden, durch welche die dort vorher vorhandenen Impaktkrater ausgelöscht wurden. Im Inneren dieser Impaktbecken erhebt sich ein gigantischer Zentralberg, welcher mit einer Höhe von mehr als 20 Kilometern zu den höchsten Bergen innerhalb des bekannten Sonnensystems zählt. Rund um den Äquator des Asteroiden hat sich durch diese beiden Einschläge zudem ein ausgedehntes System aus Rillen und Furchen gebildet.

„Dass gleich zwei Mal im Laufe der Zeit so große Kollisionen an ein und derselben Stelle stattfanden, ist sehr ungewöhnlich“, so Prof. Dr. Jaumann weiter. Doch diese erstaunliche Tatsache hatte auch Konsequenzen für die Wissenschaftler und ihre Forschungen: Statt auf eine intakte Kruste blicken und diese untersuchen zu können, schauten die Planetologen auf ein regelrechtes Trümmerfeld.

„Die Einschläge haben die ursprüngliche Kruste zerstört und mit ihren Trümmern zudem Teile der intakten Kruste überdeckt. Wir sehen also auf Auswurfmassen, die gerade einmal ein bis zwei Milliarde Jahre alt sind – und das ist für Planetengeologen verdammt jung.“ Die Trümmer der Impakte und das dabei freigesetzte Auswurfmaterial sind wie ein Scherbenhaufen fast über den gesamten Asteroiden verteilt. „Diesen Scherbenhaufen müssen wir jetzt wie ein Puzzle zusammensetzen.“

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Ein Höhenprofil des Südpols von Vesta. Die roten und blauen Umrandungen markieren zudem die Lage der beiden Impaktbecken.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

„Bereits jetzt hat DAWN unser Verständnis des Sonnensystems verändert“, so Dr. Holger Sierks, Co-Investigator der DAWN-Mission am MPS und verantwortlich für die Entwicklung des Kamerasystems an Bord der Raumsonde. „Die Daten, die wir bereits ausgewertet haben, zeigen, dass Vesta der einzige bekannte Vertreter einer neuen Klasse von Himmelskörpern ist.“
Mit einem Durchmesser von durchschnittlich 525 Kilometern und ihrer unregelmäßigen Form ist Vesta weder ein Planet, noch – streng betrachtet – ein Asteroid. Stattdessen wird Vesta von den Wissenschaftlern als ein „Protoplanet“ bezeichnet, eine Art „Vorplanet“, welcher vor etwa 4,5 Milliarden Jahren in einer frühen Phase seiner Entwicklung hin zu einem „vollwertigen“ Planeten stecken geblieben ist.

Zudem erscheint die mineralogische Zusammensetzung der Asteroidenoberfläche ungewöhnlich und äußerst vielfältig. „Die sieben Farbfilter des Kamerasystems erlauben uns Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Gesteinsarten, die an der Oberfläche zu sehen sind“, so Dr. Sierks. Aus ihren Datensätzen konnten die an der Mission beteiligten Wissenschaftler lückenlose, dreidimensionale Farbkarten der gesamten Oberfläche des Asteroiden anfertigen. In den kommenden Monaten sollen die durch das Kamerasystem gewonnenen topografischen Erkenntnisse mit den Daten der Gravitations- und Spektralmessungen in einen näheren Zusammenhang gebracht werden.

Die Flut an wissenschaftlichen Daten, welche die Instrumente der Raumsonde im vergangenen Jahr gesammelt haben, birgt noch zahlreiche Überraschungen und weitere Erkenntnisse. „Bis die Geschichte von Vesta erklärt werden kann, werden noch Generationen von Forschern mit den bisher gewonnenen Daten arbeiten“, so die Einschätzung von Prof. Dr. Jaumann. „Wir haben bisher nur an der Oberfläche gekratzt… Es gibt noch sehr viele Fragen, die wir noch nicht beantwortet haben.“

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Ein Farbmosaik von Vesta, welches unter der Verwendung verschiedener Kamerafilter erstellt wurde. Anhand solcher Aufnahmen kann die mineralogische Zusammensetzung der Oberfläche näher untersucht werden. Am unteren Rand des Bildes ist zudem der Zentarlberg am Südpol des Asteroiden als Ausbuchtung erkennbar.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

Einen letzten Blick auf das Untersuchungsobjekt der letzten Monate hat die Framing Camera bereits am 26. August um 17:21 aus einer Entfernung von rund 6.000 Kilometern geworfen. Am 5. September wird die Raumsonde DAWN ihren Orbit um den Asteroiden Vesta endgültig verlassen. Nach einem rund zweieinhalbjährigen Flug durch den Haupt-Asteroidengürtels unseres Sonnensystems soll schließlich im Februar 2015 das zweite und letzte Ziel der Mission, der knapp 950 Kilometer durchmessende Zwergplanet Ceres, erreicht werden. Auch mit der Untersuchung dieses größten und massereichsten Objektes des Haupt-Asteroidengürtels, welche bis mindestens zum Juli 2015 andauern soll, wollen die Planetenforscher fundamentale Erkenntnisse über die früheste Entwicklungsphase unseres Sonnensystems gewinnen.

Statt einer festen Gesteinskruste wie bei Vesta, so die Erwartungen der Planetenforscher, wird Ceres an seiner Oberfläche allerdings über eine Schicht aus Wassereis verfügen. Eventuell könnte der Zwergplanet sogar von einer hauchdünnen Atmosphäre umgeben sein. „Bisher ist noch nie ein Raumschiff in einer Umlaufbahn um solch einen Körper gekreist“, so Prof. Dr. Jaumann.

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