Nach einem Aufenthalt von 14 Monaten bei dem Asteroiden Vesta und einer anschließenden fast zweieinhalbjährigen Weiterreise durch das Weltall befindet sich die Raumsonde DAWN inzwischen im Anflug auf den Zwergplaneten Ceres, der bereits Anfang März erreicht werden soll. Die aktuelle Aufnahmen der Raumsonde überbieten mittlerweile bereits die Qualität von den besten Aufnahmen, welche bisher jemals von Ceres angefertigt wurden.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, JPL.
Nach dem Abschluss ihrer Untersuchungen bei dem Asteroiden (4) Vesta begab sich die von der US-amerikanischen Weltraumagentur betriebene Raumsonde DAWN auf den Weg zu ihrem zweiten Forschungsziel – dem ebenfalls im Asteroiden-Hauptgürtel unseres Sonnensystems gelegenen Zwergplaneten Ceres. Dieses Ziel ist mittlerweile fast erreicht und bereits seit Anfang Dezember 2014 werden mit der Framing Camera, des unter der Leitung von Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen entwickelten und betriebenen Kamerasystems an Bord der Raumsonde, Aufnahmen von Ceres erstellt (Raumfahrer.net berichtete).
Seit wenigen Tagen ist die Kamera dabei in der Lage Aufnahmen des Zwergplaneten anzufertigen, welche über eine bessere Auflösung verfügen als die bisher besten Aufnahmen von Ceres, die bereits im Dezember 2003 beziehungsweise im Januar 2004 mit dem Hubble Space Telescope erstellt wurden. Auf diesen am heutigen Tag auch für die Öffentlichkeit freigegeben Aufnahmen, welche eigentlich nach wie vor in erster Linie für die Navigation der Raumsonde gedacht sind, sind neben einem auffällig hellen Fleck auch ausgedehnte Kraterlandschaften erkennbar. Diese Aufnahmen, welche am 25. Januar 2015 aus einer Entfernung von rund 237.000 Kilometern angefertigt wurden, verfügen über eine räumliche Auflösung von etwa 22 Kilometern pro Pixel.
„Die Oberflächenstrukturen, die sich bereits auf früheren Bildern angedeutet hatten, treten nun immer klarer hervor“, so Dr. Andreas Nathues, der wissenschaftliche Leiter des Kamerateams vom MPS. „Die Oberfläche scheint von großen Kratern geprägt zu sein, welche sich nun deutlicher abheben.“ Viele dieser Strukturen, die sich auf den aktuellen Aufnahmen noch lediglich als dunkle Flecken abheben, könnten sich über Gebiete von mehr als 100 Kilometern Durchmesser erstrecken. Mit den aktuellen Aufnahmen werden fast die gleichen Bereiche der Ceres-Oberfläche wiedergegeben, welche die Framing Camera bereits vor knapp zwei Wochen im Rahmen der letzten Fotokampagne abbildete. Wie zuvor fällt auch auf diesen Fotos erneut eine helle Struktur auf der Nordhemisphäre auf.
„Der helle Fleck überdeckt möglicherweise weniger als ein Pixel“, so Dr. Martin Hoffmann vom MPS, einer der Mitarbeiter des Kamerateams. „Seine Größe lässt sich somit noch nicht bestimmen.“ Wenn die Struktur wirklich weniger als einen Pixel einnimmt, so würde deren Ausdehnung weniger als 22 Kilometer betragen. Die für die Auswertung der Aufnahmen zuständigen Wissenschaftler halten es für denkbar, dass es sich bei dieser Struktur um einen vergleichsweise jungen Impaktkrater handelt. Sowohl von dem Asteroiden Vesta – dem ersten Ziel der Raumsonde DAWN – als auch von anderen Himmelskörpern wie zum Beispiel dem Erdmond ist bekannt, dass sich relativ ‚frische‘ Krater oftmals heller präsentieren als vergleichbare ältere Strukturen. Zudem deutet sich auf den jetzt gewonnenen Aufnahmen eine ‚dunklere Region‘ neben dem Fleck an. Hierbei, so die Planetologen, handelt es sich eventuell um einen von einem Kraterrand verursachten Schattenwurf. Genaueres, so Dr. Nathues, wird man allerdings erst in einigen Wochen sagen können.
„Im Vergleich zu Vesta sieht Ceres sehr homogen aus. Es gibt nur wenig Helligkeitsunterschiede auf der Oberfläche. Jetzt warten wir darauf, was sich in der Nähe des Südpols finden wird. Diesen Bereich haben wir bisher noch nicht abgebildet“, so Dr. Vishnu Rheddy vom Planetary Science Institute in den USA, ein weiterer Mitarbeiter des Kamerateams.
Aber nicht nur die ‚Geheimnisse der Oberfläche‘ von Ceres sollen in den kommenden Monaten entschlüsselt werden. Auch über den inneren Aufbau des Zwergplaneten erhoffen sich die an der Mission beteiligten Wissenschaftler in der nahen Zukunft weitere Erkenntnisse. Ceres verfügt bei einer kugelähnlichen, leicht abgeplatteten Form über einen Durchmesser von etwa 975 x 909 Kilometern. Die Planetenforscher gehen davon aus, dass es sich bei Ceres um einen differenzierten Protoplaneten handelt – eine Art ‚Vorplanet‘, welcher vor etwa 4,5 Milliarden Jahren in einer frühen Phase seiner Entwicklung hin zu einem ‚vollwertigen‘ Planeten stecken geblieben ist und der – vergleichbar mit dem inneren Aufbau der terrestrischen Planeten – über einen geschichteten inneren Aufbau verfügt.
Um einen Kern, in dem sich Silikate und Metalle angesammelt haben, befindet sich demnach ein mehrere Kilometer dicker und kompakter Mantel aus Wassereis. Zwischen dem Kern und dieser Eiskruste könnte sich eventuell sogar ein Ozean aus flüssigem Wasser verbergen. Über dem Eismantel ist dagegen eine dünne Materialschicht abgelagert, welcher die sichtbare Oberfläche des Zwergplaneten darstellt. Radarmessungen und Beobachtungen mit verschiedenen Teleskopen haben zu dem Schluss geführt, dass die Oberfläche von Ceres offenbar weitflächig mit einer Schicht aus feinem Regolith bedeckt ist. Diese sehr dunkle und kohlenstoffreiche Oberfläche erklärt auch die geringe Albedo von Ceres, welche einen Wert von lediglich 0,09 aufweist.
Sollte sich die bisherige Theorie über dessen inneren Aufbau bestätigen, so würde sich Ceres grundlegend von den anderen Asteroiden im Bereich des Asteroiden-Hauptgürtels unseres Sonnensystems wie etwa dem Asteroiden Vesta unterscheiden.
„Der Vergleich von Ceres und Vesta könnte uns helfen zu verstehen, warum sich im inneren Sonnensystem steinige Körper entwickelten, während das äußere Sonnensystem reich an Wasser und anderen flüchtigen Stoffen blieb“, so Dr. Nathues.
Gegenwärtig befindet sich die Raumsonde DAWN in einer Entfernung von nur noch etwa 218.000 Kilometern zu Ceres und nähert sich dem Zwergplaneten dabei derzeit – mit einem Ionentriebwerk angetrieben – pro Stunde um weitere 432 Kilometer an. Voraussichtlich am 6. März 2015 wird sich die Raumsonde Ceres so weit genähert haben, dass diese durch die Gravitation des Zwergplaneten ‚eingefangen‘ wird. Anschließend soll DAWN den Zwergplaneten über einen Zeitraum von 16 Monaten umkreisen und dabei aus unterschiedlichen Höhen mit drei Instrumenten erforschen. Neben der Framing Camera werden dabei ein im visuellen und infraroten Spektralbereich arbeitendes Spektrometer („VIR“) und ein Gamma- und Neutronenspektrometer („GRAND“) zum Einsatz kommen.
Die DAWN-Mission wird vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA geleitet. Die University of California in Los Angeles ist für den wissenschaftlichen Betrieb der Mission verantwortlich. Das Kamerasystem an Bord der Raumsonde wurde unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze in Braunschweig entwickelt und gebaut. Das Kameraprojekt wird finanziell von der Max-Planck-Gesellschaft, dem DLR und der NASA (JPL) unterstützt.
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